Jahresthemen zur Wahl (c) Homunculus

Der Themenvorschlag Transparenz oder (gr) Diaphania hat so viele zustimmende Kommentare erhalten, dass es fast übeerflüssig erscheint, nun auch noch den dritten Vorschlag zu präsentieren. Wer oder was ist Homunculus, wasverbinde ich damit, warum halte ich es – neben Transparenz und Weltraumforscher – für ein angemessenes Thema 2024?

Homunculus ist lateinisch und bedeutet auf Deutsch „Menschlein“.  Es ist kein normales Baby, sondern ein künstliche erschaffenes Menschlein, Den Alchemisten des ausgehenden Mittelalters diente es als dämonischer Helfer bei ihren Experimenten. Goethe widmet ihm einen großen Teil des Faust II. Auf Samothrake, meiner Lieblingsinsel, kommen ihm die Kräfte zu, die es braucht, um lebensfähig zu werden. (vergl. hier).

Inzwischen ist die Idee des künstlichen Menschen (die es übrigens auch schon in der Vorzeit gab, zB Talos, Pandora u.a. hier) längst aus der Alchemie in die Mainstream-Wissenschaft abgewandert. Die Verschmelzung von Mensch und Maschine durch eingepflanzte Chips und Magneten ist auf dem Vormarsch. Transhumanwesen entstehen. Künstliche Befruchtung mithilfe von Samen- und Ovarienbänken, genetische Einschnitte zur Beseitigung von Erbkrankheiten, Kreuzung von Tier und Mensch zwecks Gewinnung von Organen, Züchtung von Super-Menschlein …  Die einen sehen in solchen Entwicklungen eine große Hoffnung, die Menschheit von ihren Leiden zu erlösen, für die anderen ist es ein Albtraum, der immer mehr in die Wirklichkeit eintritt.

 

Nach diesem Vorgeplänkel komme ich zum Interview, das Dora am 2.12.2022 führt. Du findest es hier.


Dora: „Mal sehen, wen wir als nächsten nehmen. Dieser blaue Sprinter sieht lustig aus. Oder ist das eine Frau? Durchsichtig ist sie ja, aber die, hm, wesentlichen Unterscheidungsmerkmale erkennt man trotzdem nicht.  Und der Kopf mit dem Knopf, oder was auch immer da auf seinen Schultern sitzt, macht mir ein bisschen Sorge. Kann er überhaupt reden? Sag noch mal, was in seiner Bewerbung steht!“

Ich lese vor:

„Der alte Mensch ist unvollkommen. Neue Wege weist uns die Wissenschaft! Wir schreiten voran, lassen alte Vorurteile hinter uns. Der Mensch aus der Retorte – perfekt, störungsfrei, voller Kraft und Schönheit – entspringt der Retorte mit dem Samen und der Eizelle deiner Wahl. Sein Denken wird nicht mehr in die Irre gehen, sondern wundervoll zentriert um die gesetzten Ziele kreisen. Das Schönste aber: seine Gefühle sind vollkommen transparent. Schluss mit all dem Düsteren, mit den Schatten der Vergangenheit. Klar und heiter ist seine Seele. Komm, sei einer der Pioniere, die dieses herrliche Menschenziel realisieren! Auf in die Zukunft einer glücklichen Menschheit!“

„Komisch“, sagt Dora und kratzt sich am Köpfchen. „Der redet tatsächlich nicht. Jemand anderes redet über ihn. Wer ist denn dieser andere. der immer ‚Wir‘ sagt? Ich sehe ihn gar nicht auf dem Bild. Soll ich die Luft interviewen?“

In dem Moment ertönt eine joviale männliche Stimme aus dem Off. „Guten Abend. Du heißt Dora, nicht wahr? Darf ich dich in unser Labor einladen?“

Dora guckt herum, sieht aber niemanden. „Und wer bist du, wenn ich fragen darf?“ fragt sie. – „Ich bin die Wissenschaft“, antwortet dieselbe Stimme. 

„Also eine Frau?“ schlussfolgert Dora.

„Ja und nein“, sagt die Stimme, die nun ein bisschen hohler klingt. „Nimm jenen Kopf-Set-up, der vor dir erscheint. Exakt. Setz ihn dir auf. Exakt.  Jetzt sind wir verbunden und können kommunizieren. Was möchtest du wissen?“ 

Dora sieht mit den großen Kopfhörern ziemlich unglücklich aus, aber sie sagt tapfer: „Ist der Blaue lebendig?“ – „Ja, freilich, sogar lebendiger als du. Es ist ein neuer Mensch, den wir aus der Erbmasse der Menschheit entwickelt und optimiert haben. Ich schalte jetzt den Betrieb an, dann kannst du selbst sehen und fühlen, wie er funktioniert. Ich gebe dir die Impulse, dann kannst du ihn steuern, natürlich nach unseren Anweisungen, damit kein Unglück passiert.“

Und wie die Stimme noch redet, springen Lichter an und aus, hier strömt es grün, dort rötlich, sogar Dora ändert laufend die Farbe. „Was fühlst du, wenn du blau bist? Was denkst du jetzt? Exakt. Es macht Spaß, und es funktioniert,“ sagt die Stimme.

Doch Dora reißt sich empört die Kopfhörer von ihrem Köpfchen. „Sag mal, spinnst du?“ schreit sie. „Ich bin doch keine Maschine, die man an- und ausknipsen kann! Und von Leuten, die ich nicht kenne, lasse ich mich schon gar nicht herumkommandieren. Wenn du hier antreten willst, komm gefälligst persönlich vorbei!“


Die „Wissenschaft“ ließ sind im Welttheater 2023 nicht blicken, der „neue Mensch“ Humunculus tauchte erst wieder im Schlussbild auf. Es ist ein Thema, das immer drängender wird, das nach Diskussion und Aufklärung verlangt. Ich bin kein Experte, natürlich, kenne nur das, was man in den Journalen und gelegentlich in utopischen Romanen lesen kann. Transparenz in diesem Forschungsbereich wäre allerdings dringend angezeigt….

 

 

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About gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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7 Responses to Jahresthemen zur Wahl (c) Homunculus

  1. Humunculus kenne ich als Halbgebildeter nur als Ich-Instanz, allein, man sucht sie vergebens.

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    • mach dir nichts draus. ich habe dieses wort mal im zusammenhang mit dem gehirn gelesen, wo sich der menschliche körper gewisserweise abbildet, aber anders als in seinen eigentlichen proportionen. aber ich weiß nicht, ob ich mich richtig erinnere. zum googeln bin ich gerade zu faul.

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      • Avatar von gkazakou gkazakou sagt:

        Stimmt, homunculus ist auch ein Fachbegriff der Neurowissenschaft geworden, und es gibt noch ein paar derartige Verwendungen. Der ursprüngliche Sinn ist freilich das künstlich in der Retorte erzeugte Menschlein der Alchemisten.

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  2. den katzen scheint es ganz gut zu gehen. wieder herrliche bilder.

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  3. * Der Mensch aus der Retorte – perfekt, störungsfrei, voller Kraft und Schönheit *
    tja, wie wäre er denn? Die perfekte Rasse (und bei Rasse sträubt sich schon mein Gelenk, um den Finger nicht zur richtigen Taste zu lassen)
    Ein total perfekter Mensch? Transparent ist gut, aber bei perfekt gehen mir viele Bilder durch den Kopf und ich zweifle, ob mir das Perfekte wirklich gefallen würde.

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