Welttheater: Über Väter (Abud, Jenny, Fotis)

Was zuletzt geschah: Jenny erzählt ihre Geschichte. Abud bezweifelt den Wahrheitsgehalt. Jenny nutzt die Gelegenheit, sich von ihrer eigenen Geschichte zu distanzieren und sich – ironisch – in eine Märchenwelt zu versetzen. Die Wichtigkeit des Vaters, den sie nicht hatte, relativiert sie: besser keiner als ein schlechter Vater. Der Hirt Fotis möchte nun wissen, was Abud zum Vater-Thema meint.

Fotis

So ohne Vater leben finde ich nicht gut.

Wie war es denn bei dir, Abud?

 

Abud

Bei mir? Mein Vater war mein Held.

Er war mein alles, meine Welt.

Er nahm mich mit, wenn er die Kühe hütete

und gab zu trinken mir, wenn schwer die Hitze brütete.

 

Die Kalebasse gab er mir, mit Wasser drin dem kalten

Pass auf, sagt er, verschütt es nicht, ich durft sie halten.

Er wusste viel, er hatt es von den Vätern

du hüte es, so sagt er mir, und wehe den Verrätern.

 

Der Vater ging, als sie das Dorf verbrannten,

er ging mit allen männlichen Verwandten,

Ich durft nicht mit, ich blieb zu Mutters Schutze

doch als der Feind dann kam, war ich von keinem Nutze.

 

So ging ich fort, und traf noch manchen andern

mit dem konnt ich ein Weilchen weiterwandern

durch Wüsten gings und manchmal gabs auch Straßen.

Wir zahlten Händlern dann mit dem, was wir besaßen.

 

Noch glaub ich, dass der Vater lebt.

Drum bin ich weiterhin bestrebt

noch mal ins Dorf zurückzukehren.

So würde ich den Vater ehren.

Fotis

So ist es recht. Man muss die Väter ehren,

denn sie sind es, die ihre Söhne lehren.

Jenny

So wurd dein Dorf wohl abgebrannt?

und du bist feige weggerannt?

Und deine Mutter haben sie genommen

doch selber konntest du entkommen?

 

Dein Vater hat euch nicht beschützt.

Er hat euch also nichts genützt.

Abud

Musst du jetzt Pfeffer in die Wunde reiben?

Der Vater wollte gerne bei uns bleiben,

doch konnt er nicht, man rief ihn zu den Waffen.

Er dachte wohl, ich würds alleine schaffen.

 

Doch konnt ichs nicht, was sollte ich denn machen?

Ich bin nicht feig, und du hör auf zu lachen!

Die Mutter hör ich schrein in jeder Nacht.

Ich wollt, man hätt mich damals umgebracht.

Abud weint.

Fotis

Mach dir das Herz nicht schwer, du hast ja nichts verbrochen.

Du kehrst bestimmt zurück, hast es dem Vater ja versprochen.

Inzwischen kannst du, wenn du willst, gern bei mir leben.

Ich kann, wenn du mir mit den Tieren hilfst, auch einen Lohn dir geben.

Abud

Ich kann hier bleiben? Und bekomm auch einen Lohn?

Die Arbeit mit den Tieren kenn ich wahrlich schon.

Ich hüte, schere, melke sie, und wenn sie Junge kriegen

dann helf ich, kenn mich aus mit Schafen und mit Ziegen. 

Fotis

Dann sind wir topp. Ich freu mich, brauch schon lange

nen Helfer, bin schon alt. Nun ist mir nicht mehr bange.

Jenny

Ich kann auch was, ich kann zum Beispiel kochen

ich mach dir gute Suppen für deine alten Knochen.

Ich will kein Geld, den Lohn kannst du vergessen.

ich hab nur einen Wunsch, ich möchte täglich essen.

Fotis

Warum denn nicht? Such dir nen Platz zum Schlafen

Wenns drin dir nicht gefällt, dann schlafe bei den Schafen.

Jenny

O, Fotis, danke dir, das ist ja furchtbar nett

Zum Frühstück mach ich morgen dir ein dickes Omelett.

Ein Vater so wie du, der käm mir grade recht.

Mit so nem Vater wär mein Leben am Ende gar nicht schlecht.

wird fortgesetzt

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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10 Antworten zu Welttheater: Über Väter (Abud, Jenny, Fotis)

  1. Gisela Benseler schreibt:

    Super, Gerda, wie sich nun das Blatt zum Guten wendet. Ja Fotis macht es möglich durch seine Güte und Menschlichkeit und wird dadurch zu einem „Vater“ für Abud und Jenny, diese aber zu freiwilligen, freudigen Mitarbeitern zu ihrem eigenen und zu anderer Wohlergehen.
    Soviel hängt doch von solch einer Väterlichkeit ab, die keine leibliche sein muß. Es gibt auch geistige Väterlichkeit und ebenfalls Mütterlichkeit, und dazu leistet Du hier einen wunderbaren Beitrag, Gerda!

    Gefällt 1 Person

  2. Gisela Benseler schreibt:

    Ob nun Abuds Vater so ein Vorbild war? In Abuds Augen war er ein „Held“, und zu dem gehörten Waffen, und er zog in einen Krieg und hinterließ Frau und Sohn schutzlos. Vor diesem Dilemma und Zwiespalt stehen wir auch heute wieder.
    Am besten halten wir uns an die geistige Väterlichkeit und Mütterlichkeit, also die es dem Wesen nach und in Wahrheit ist, und nicht so sehr an die körperliche. Natürlich bleibt unsere Verbundenheit zu diesen trotzdem, aber eher, um daraus zu lernen und uns zu entwickeln.

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  3. Mir gefällt das sehr. Hätt gern einen väterlichen Mann als Kind und auch als Frau gehabt. Mich hat nie jemand beschützt, alles musste ich immer selber leisten. – Obwohl, ich will mich nicht beschweren, bis zur Wende konnte ich gut für meine Kinder und mich sorgen…

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    • gkazakou schreibt:

      Es ist ein großes Thema: Mütterlichkeit, Väterlichkeit. Fast alle Menschen tragen ein Ideal in sich und fühlen, dass die eigenen Aufwuchsverhältnisse dem nicht entsprachen. Sie bemühen sich dann, es selbst besser zu machen – aber die nächste Generation hat dann ebenfalls Klagen.

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  4. Melina/Pollys schreibt:

    Ich bin ja Quereinsteigerin was die Theatergeschichte betrifft – erst wegen meiner langen Blogpause und dann mangels Zeit, das nachzuholen. Aber dieser Beitrag, der hat mich doch irgendwie gepackt. Sowohl über das Gespräch und den reflektierenden Gedanken um die Wichtigkeit des Vaters – und ich bin wirklich beeindruckt über die sich reimende Handlung.

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  5. Verwandlerin schreibt:

    Ach Gerda, das geht mir richtig ans Herz!

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