Was zuletzt geschah: Danai ging zu Domna hinaus. Sie fand sie zwischen den Häusern des Dorfes und hörte sie ein Gedicht von Hilde Domin rezitieren.
Jetzt betreten sie wieder das Haus des Hirten Fotis, wo Wilhelm begonnen hatte, seine Geschichte zu erzählen.
Fotis:
Hallo die Damen, kommt nur schnell herein!
Was haltet ihr von einem Gläschen Wein?
Den keltere ich selbst, hab ihn im großen Fass
Es redet sich viel leichter, hält man die Kehle nass.
Nimm, Wilhelm, einen großen Schluck
das nimmt vom Herzen dir den Druck
und rück hierher, an meine Seite
so ist es recht, zum Wohle, Leute!
Jetzt bin gespannt ich, was ich hören werde
geschieht ja ziemlich viel auf dieser Erde
von dem ich gar nichts weiß, in meiner Ecke.
Wird Zeit, dass ich ein Stückchen Welt entdecke.
Wilhelm:
Ich dank euch sehr, dass ihr ein offnes Ohr
mir leihen wollt, doch muss ich warnen euch, bevor
ich euch erzähl, wie es mir ist ergangen.
Ich weiß nicht recht, wo soll ich nur anfangen?
Fotis
Na, fang doch einfach mal am Anfang an.
Was war dein Vater für ein Mann?
Mein Vater der war Hirte so wie ich
das war schon immer so, gehörte sich.
Wilhelm
So hat es sich dann auch für mich gehört.
und das war es, was mich schon früh gestört.
Mein Vater war ein Richter und so sollte ich
auch Recht studieren, aber wollte ich?
Ich liebte schon als Kind die hohen Berge
und liebte es, im Wald mich rumzutreiben.
Ich glaubte damals an die sieben Zwerge
und wollt am liebsten immer draußen bleiben
Doch zwang man mich, dem Walde abzuschwören
und in Klausur zu gehn in dunkler Kammer.
Und später musst ich Straf- und Steuerrecht anhören
und anderes trocknes Zeug, es war ein Jammer
So wurde ich Jurist, ganz wie mein Vater
und in ner großen Firma Rechtsberater.
Abud
Du warst wohl reich und hattest Geld?
Jenny
Warst was man nennt ein Mann von Welt?
Wilhelm
Ja, Jenny, ich war ziemlich weit bekannt
und hatte einen guten Ruf in meinem Land
weil ich die Reichen immer reicher machte
so dass man mich auch reichlich mitbedachte.
Dann kam ein Tag, mir ist, als wär es heute
da fielen Schüsse und Geschrei der Leute
Der Vater brach zusammen, war getroffen,
und meine Zukunft war nun wieder offen.
Abud
Wie war das, bitte? hab ichs recht verstanden?
Dein Vater wurd erschossen von den Banden?
So wie der von Hawi? von meinem weiß ichs nicht.
Und du hast sie bestraft dann vor Gericht?
Wilhelm
Die ihn erschossen, waren auf der Siegerseite
Ich selber suchte vorsichtshalber schnell das Weite.
und brach mit allem, was ich vorher kannte
Ich war nun frei und hatte Null Verwandte.
Ließ hinter mir, was ich zutiefst verfluchte
So kam ich her in dieses Land und suchte
mir diesen Ort, um endlich frei zu leben
und mich nicht mehr für andere herzugeben.
Trud
Du hast verlassen alles Alte und Gewohnte?
Hast du gefunden dann, was sich zu leben lohnte?
Wilhelm
Das dachte ich, bis ihr zum Lager kamt
und mir auch diese Illusion noch nahmt.
Da merkte ich, die Berge um mich her
sie fülln mich nicht, denn inseits bin ich leer.
Fotis
Nimm noch nen Schluck, das hilft die Leere füllen!
Was soll schon sein, nicht immer gehts nach Willen.
Trud
Darf ich dich fragen, ob das alles ist?
erzählst du wirklich ehrlich, wer du bist?
Wilhelm
Du fragst mich Trud, so will ich Antwort geben:
Was ich erzählt, war nur mein halbes Leben.
Denn ich war dort erfolgreich, wo der Rubel rollte
doch traf ich mich geheim mit Menschen der Revolte.
Ich fands gerecht, dass sie den Aufstand schürten
damit die Reichen mal den Zorn der Armen spürten.
Ich war es selbst, der ihnen gab die Waffen
damit sie auf der Welt Gerechtigkeit mir schaffen.
Trud
So bist dem Ödipus du wohl verwandt
der in der Wut den Vater nicht erkannt?
Du hattest nicht den Mut, ihn zu erschlagen
und hast es andern Männern aufgetragen?
Wilhelm
Nein, nein, ich hab …, ich wollte … wusste nicht
Trud
Hast du gesehen ihm ins Angesicht?
Wilhelm (weint wie ein Kind)
Er war so streng, er hat mich oft geschlagen
ich musst ihm immer, was ich dachte, sagen
dann straft er mich, weil ich was andres dachte
als was er wollte, und was andres machte.
Wenn ich was liebte, wars für ihn gestorben
Er hat mein Leben mir zutiefst verdorben
Kein Tier war mir erlaubt, um es zu lieben.
Für jede Unart straft er mich mit Hieben.
(ruhiger)
Auch vor Gericht war er sehr streng mit allen.
Ich glaub er fand am Strafen groß Gefallen.
Und manchmal träumt ich, dass ich ihn erwürge
Doch seinen Tod befahl ich nicht, Gott ist mein Bürge.
Wenn ich allein war hier in der Natur
da sprach ich oft mit ihm, damit er mal erfuhr
was er mir angetan. Und wie ich ihn gehasst.
Doch jetzt nicht mehr, denn die Erinnerung verblasst.
wird fortgesetzt
Wie traurig die Geschicht, ist es die Moral an der alles zerbricht?
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Nicht eigentlich der Moral. Mir gings darum, beispielhaft darauf hinzuweisen, dass hinter den meisten Revolten die Dramatik des Ödipus steckt: der Sohn revoltiert gegen den Vater und will nicht wahrhaben, dass er dem Vater verwandt ist (ihm in manchem gleicht). Truds Frage, ob er dem Vater ins Angesicht gesehen hat, ist auch eine Trage nach dem eigenen „Schatten“.
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Bei uns rebelliert die Tochter gegen den Vater, allerdings gibt sie offen zu, dass sie Angst hat, so zu werden wie er… Sie erkennt sich manchmal in ihm wieder…
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„Angst hat, so zu werden wie er“ – solche negativen Bindungen können genauso wie positive dazu führen, dass sie gerade so wird wie er. Am besten, sie versucht, sich auf ihr Eigensein zu konzentrieren und sich nicht mit Vater und Mutter und Brunder zu vergleichen. Was kann sie? Was möchte sie? Es muss ja nicht gleich der große Lebensplan sein, den gibts in dem Alter selten. Es reicht ja, wenn es kleine Zwischenziele gibt, und auch dann ist es nicht das Ende, wenn sie die nicht erreicht, sondern was anderes beginnt. All das sind ja nützliche Erfahrungen. Aber vergleichen soll sie sich nicht, vergleichen ist Gift.
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Danke, Gerda. Übrigens kam dies aus Versehen auf meinen Blog. Ich wollte Elke“Leben als Mensch“ eingeben und erwischte Deinen Beitrag zuerst.
Nur damit Du Dich nicht wunderst – und es mir verzeihst, Gerda.
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Gewundert habe ich mich – und sogar gefreut, weil dann der eine und andere deiner Leser neugierig auf das Welttheater werden könnte. Donnerwetter, dachte ich, warum Gisela wohl gerade dieser Eintrag besonders gefällt? 🙃
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Daß mir ausgerechnet dieser Eintrag besonders gefällt, kann ich nicht behaupten. Nun ist es aber geschehen, und dieser Kontrast kann ja auch belebend wirken und manchen Leser/Leserin neugierig machen auf Dein „Welttheater“, das ich ja ansonsten gerne begleite.
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So dachte ich auch. 🙂
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Wilhelm ist ein gutes Beispiel dafür, daß ein Heraustreten aus des Vaters Schatten eine Lebensaufgabe werden kann!
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Erst durch den Tod des Vaters findet er den Weg aus dem Schatten des Vaters! Das passiert bei toxischen Eltern!
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Der Schatten des „Vatermords“ bleibt danach in seinem Inneren. Den hat er nun gerade angeschaut, und so wird wohl auch seine Heilung (Rückkehr in die menschliche Gemeinschaft) möglich.
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Verstehe Gerda! Danke für die Erklärung!🙏
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