Was zuletzt geschah: Hawi ist müde, Danai begleitet ihn auf die Wiese zu den Schafen. Domna bringt auch Clara hinaus, damit sie sich zu Hawi legt. Danai singt den Kindern ein Schlaflied…
Danai
Wie war doch das Lied, das die Frauen mir sangen
wenn Heimweh wir hatten und großes Verlangen
nach einem Zuhause und nach einem Bett?
Mir ist so als ob ichs vergessen fast hätt….
Domna deklamiert Goethes „Wanderers Nachtlied“ in zwei Versionen.
Domna kehrt ins Haus zurück, wo sie den Hirten Fotis, Wilhelm, Abud, Jenny und Trud
vorfindet.
Fotis:
Nun bleiben noch Jenny und du,
danach gehn auch wir zur Ruh.
Domna.
Magst du jetzt, Jenny, auch mal was erzählen?
nur wenn du willst, du musst dich nicht rumquälen.
Jenny
Na gut, ich muss wohl. Doch wovon soll ich berichten?
Ich wollt ich könnt ne schöne Geschichte erdichten.
Wollt ihr denn wirklich wissen, wer die Jenny ist?
Wenn ichs erzähl, dann findet ihr es sicher Mist.
Fotis
Nur zu, erzähl, so schlimm wirds schon nicht sein.
Und wenn, mit schlimmen Sachen bist du nicht allein.
Jenny
Na gut, ich sag’s
wer will, der mag’s.
Geboren hat mich meine Mutter im Bordell
war keine große Sache und ging ziemlich schnell
doch was soll eine tun mit so nem Gör?
Find sie bei ihrem Macker denn Gehör?
Wohl kaum, drum hat sie es auch weggegeben
und so begann, wie man so sagt, mein Leben.
Erst wars ne Anstalt, später warens Leute
die sich erboten, was man dann bereute.
Bis ich dann selbst genug von allem hatte
und frei sein wollte, drum macht ich die Platte.
Doch dann hat man mich eingelocht. vonwegen
ich etwas mopsen wollt, wie wir zu sagen pflegen
Der mich verpfiffen hat, der blöde Hund
tat so als täts ihm leid, und der war auch der Grund
dass ich am Strich gelandet, freilich nicht für lang,
Ich tat’s ja nur, weil er mich dazu zwang.
Ich konnt die Kerle einfach nicht ertragen
die΄s mit mir machen wollten, ohne mich zu fragen
obs mir gefällt, ne danke, nicht für mich.
und so verließ ich ziemlich bald den Strich.
Seither treib ich mich rum, bis ich euch fand.
Mir ist schon fast, als wären wir verwandt.
Jetzt bin ich beinah jedem Abend satt.
Das ist ein Glücksfall, den nicht jede hat.
Domna
Und Clara, wie kam sie zu dir?
Sie ist dein Kind – so scheint es mir?
Jenny
Die fand ich mal, sie zieht so mit mir rum
Sie sollt ins Heim, war ohne Eltern, drum.
Abud
Ich glaub, du schmierst uns an und machst dich wichtig.
Jenny
Was ich erzählt hab, war so ziemlich richtig.
Abud
So ziemlich, ha, das dachte ich mir gleich.
Am Ende war dein Vater wohl ein Scheich
Jenny
Na klar, und ich Prinzessin, tugendhaft und reich
die durch viel Unglück ging, doch ganz am Ende
kam unerwartet dann die große Wende
Da kam ein Prinz, der hat mich abgeküsst.
Es wär schon cool, wenn ich sein’n Namen wüsst.
Wilhelm
Nen Vater hattest du wohl keinen?
Der hat dir wohl gefehlt, so will mir scheinen?
Jenny
Kommt ganz drauf an, ein Vater wär schon dufte
doch wenn der dann auch nur rumsuffte
und wollte, dass ich für ihn schuffte.
und wenn ich stur bin, mich noch knuffte
nee, danke schön, da bleib ich lieber ohne
für so nen Vater gäb ich nicht die Bohne.
Dein Vater war dir, sagst du, auch nicht recht.
Fotis
Ich finds nicht gut, wie ihr vom Vater sprecht.
Mein Vater hat mich auch oft schikaniert
und Kloppe gab es auch, ist schon passiert,
doch hat er mir auch vieles beigebracht.
wie man die eine und die andre Sache macht.
So ohne Vater leben finde ich nicht gut.
Wie war es denn bei dir, Abud?
wird fortgesetzt
.
Toll
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Danke!
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Es wird nichts ausgelassen in Deinem Welttheater, Gerda. Wie sollte es auch? Wer „die Welt“ und die Menschen mit ihren Schicksalen besser verstehen will, wird auch dies verstehen wollen.
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Danke für deinen verständnisvollen Kommentar, Gisela!
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Du zeigst ja auch Verständnis für Menschen, die aufgrund schlimmer Erfahrungen oft ein seltsames Verhalten zeigen, aber bei etwas Menschlichkeit sich zu wandeln beginnen.♥️
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Schön
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So, bei dir öffnen sie sich also immer wieder? Vielleicht bei mir auch? Ich kann es jetzt nicht nachprüfen, da ich nicht mehr in der mani bin. Sobald ich zurückkomme. werde ich ein Auge drauf haben.
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So ohne Vater leben
das war eine der Sorgen, als mein Bruder und Vater jung gehen musste.
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Ich weiß, wie sich das anfühlt.
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Das waren die Sorgen meines Bruders (!), Gerda. Wie die kleinen Kinder das empfanden ?! Ich weiß, dass du das Schicksal mit ihnen teiltest.
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Unser Vater war nie da.Erst auf Montage und nur Wochenendbesuche, dann Tbc-krank und nur in Krankenhäusern, bis er als ich 14 war nach Nürnberg ging und wir allein mit der Mutter in der DDR blieben… Die Jungs hätten einen Vater wohl noch dringender gebraucht als ich!…
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Ich erinnere mich an eine Lehrerin, die bei einem späteren Treffen sagte „Euch fehlte der Vater“. Das klang in meinen Ohren nicht so gut, denn es bedeutete: der Vater hätte euch manches nicht durchgehen lassen, er hätte für Disziplin gesorgt o.ä. Mir fehlte nicht EIN Vater, sondern MEIN Vater, dieser ganz bestimmte Mensch, der im Krieg umkam, als ich geboren wurde.
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Jennys Geschichte so hart und knapp von ihr selbst erzählt kann einen nicht kalt lassen. Diesmal geht es mir bei den Kommentaren darunter ähnlich und ich weiß (was ich auch sonst weiß), was für ein Glück ich habe meine Eltern noch immer beide zu haben.
Ganz sicher keine Kinderbuchfamilie, aber wir mögen uns sehr und das scheint mir gar nicht so selbstverständlich zu sein.
Aber zurück zum Theater…..ich mag es, das weißt du. Ich mag jede einzelne Person und wie sie immer mehr an Tiefe gewinnen und man immer mehr von ihnen erfährt.
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Danke, Mitzi. Du weißt, dass mir deine Kommentare kostbar sind, auch wenn ich es nicht immer lang und breit erkläre.
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Danke und das musst du auch gar nicht. Viele Grüße aus dem Regen
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