Heute sah ich die Zusammenfassung von Anna Eulenschwinges Fotoprojekt „Atem“.
Ich mag dieses Projekt sehr, in dem aus der Literatur gewonnene Wörter zu Leitbegriffen des Fotografierens werden. Schade, dachte ich, dass du es vergessen hast. Dabei beschäftigt mich das Thema „Atem“. Oft wird mir das Atmen schwer, und das ist fast wie Sterben.
Was ist Atem?
Wenn sich der lebendige Stoff mit dem Atem der Welt so verbindet, dass er selbst zu atmen beginnt, kann er die innere Bewegung in eine eigenständige äußere Bewegung umwandeln. Die an den Ort gebundene Pflanze wird zum beseelten sich im Raum frei bewegenden Tier.
Atem ist ein Sieg über die Kräfte des Anhaftens.
Der Atem setzt frei.
Ohne Freiheit reduziert sich Leben aufs Pflanzenhafte.
Diese Gedanken führen mich zu Nike, Göttin des Sieges. Der Künstler, der die vorwärtsstürmende geflügelte Gestalt der Nike aus dem festen Marmor schlug, hat dem Sieg über die Unbeweglichkeit unsterblichen Ausdruck verliehen. (Dies ist eine Kopie, das Original steht im Louvre).
Doch ach! Noch ist sie nicht frei! Noch kann sie nicht zum großen Flug abheben! Ihre Flügel sind gebunden, ihr Fuß ist mit dem Sockel verwachsen. Der Traum des Künstlers, die Materie zum Leben zu erwecken (Pygmalion) – er bleibt ein Traum.
Als ich Ende August letzten Jahres in Alexandroupolis landete, um wieder einmal Samothrake zu besuchen, sah ich im Flughafen eine Reihe von Bildern der Künstlerin Martha Tsovaridou unter dem Titel „Der Flug der Nike“. Sie fügt die Siegesgöttin in einen Ring ein, als wollte sie fragen: Wie kann sich die Bewegung frei-ringen? Wie ist Freiheit, wie der Sieg über die Unbeweglichkeit zu er-ringen?
Gefangen im Ring ist die Nike, sie windet sich. Die Brust weitet sich, sie ringt nach Atem.
Sie sprengt den Ring, sie kämpft, doch die festhaltenden Kräfte sind gewaltig. Atmet sie schon? Kann sich die freie Bewegung durchsetzen?
Die Möwen zeigen mir später, wie es geht. Doch gilt es zu bedenken:
„O Mensch, du wirst nie nebenbei der Möwe Flug erreichen….“ (Morgenstern: Die Möwen sehen alle aus, als ob sie Emma hießen….)
Die Tsovaridou Bilder sind wundervoll…
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Ich war auch sehr beeindruckt. Über die Künstlerin konnte ich nur herausfinden, dass sie 1936 in England geboren wurde, dort und in Paris studierte. Sonst leider nichts.
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Danke, Gerda, für Deine Beiträge zum Wesen der „Göttin Nike“. Ich kannte darüber fast nichts.
Daß Dir das Atmen oft schwer fällt, tut mir leid. In Kalamata, am Meer, müßte es Dir doch leichter fallen? Alles Gute!
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Das Schwer-Atmen-Können ist vor allem metaphorisch gemeint.
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Also nicht körperlich, sondern eher im Hinblick auf die gegenwärtige Welt-Situation?
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Das eine und das andere sind ja nicht unabhängig von einander.
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Ja, Gerda, das verstehe ich.Was soll ich nun wünschen?
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Wozu wünschen?
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Ich möchte Dir „alles Gute“ wünschen, wußte nur nicht, was „das Gute“ für Dich ist, Gerda. Ist das so schwer zu verstehen?
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Danke, Gisela. „Gutes“ zu wünschen, ist wohl immer richtig.
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☺️
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Die Nike im Ring konnte ich nicht auf den ersten Blick erkennen, liebe Gerda. Ich brauchte ein winziges Weilchen, dan ging es.
Ja, sie sprengt die Fesseln des Ringes, sie setzt sich durch, erringt ihre Freiheit wieder und atmet erleichert auf…
Ein Göttin läßt sich nicht einsperren, schon gar nicht in einen zu engen Ring, den wird sie immer, ob früher oder später, sprengen. Ihr Freiheitsdrang ist zu groß. Sterben müßte sie, gelänge es ihr nicht…
Und dann Morgensterns Worte , ach, wie schööön
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Wie gut du dich in die Bilderfolge hineinfühlst, liebe Bruni! Herzlichen Dank!
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Wenn der Kopf frei ist, gehts… 🙂
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Ist er denn meistens so belastet?
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Manchmal schon…
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