Da ich mit einer blöden Virus-Infektion darniederliege, habe ich keine Lustbarkeiten von draußen vorzuweisen. Aber gibt es nicht die Archive, um notfalls in ihnen zu grasen? Heute verschlug es mich in das großartige archäologische Museum von Neapel, das die aus der Katastrophe von Pompeji und Heraculeum geretteten Kunstschätze zeigt. Viele der Photos, die ich auf dieser unvergesslichen Reise im Juli 2018 machte, habe ich schon gezeigt, zB hier. Ich selbst kenne die Fotos natürlich, sogar an die Originale erinnere ich mich, glaube ich, noch recht gut. (Ich weiß am Ende nie mit Sicherheit, ob ich mich an das Original oder ein Foto erinnere, das ich oft anschaute….)
Wie dem auch sei: ein neuer Blick ist auch ein neues Kunstwerk. Und so blieb ich mit großer Bewunderung und einigen merkwürdigen Gedanken beim „knieenden Barbaren“ hängen, im 1. Jh kunstreich aus Pavonazetto-Marmor gehauen, der schwarze Kopf und die schwarze Hand aus Nero antico.
Der „Barbar“ kniet nicht nur, er muss zudem auf der Schulter ein Gefäß schleppen. Offenbar ist er „versklavt“ worden. Sein wildes schwarzes Gesicht zeigt, dass er sich damit durchaus nicht abgefunden hat: in ihm wütet ein Sturm, der sich keinen Ausweg weiß. Aufspringen, schreien, das Gefäß zertrümmern? (dummes Zeug, er wäre auf der Stelle tot). Nach einer herumliegenden Waffe greifen und sich einen Ausweg erkämpfen? (Hollywood liegt noch in ferner Zukunft). Sich mit klugen Reden und Schmeicheleien aus der demütigenden Pose in eine andere sklavische Beschäftigung hochbefördern? (sein Gesicht lässt diesen Ausweg nicht zu. Er will seine Freiheit, nicht mehr und nicht weniger). Was also?
Er wird seinen Groll und seine Demütigung stumm in sich vergraben und auf seine Stunde warten.
Groll über die zugefügte Demütigung und die Zerstörung seiner Freiheit lasten schwer auf dem Grund seiner Seele, und nur die wütende Entschlossenheit, es „denen da“ zu zeigen, wenn die Stunde günstig ist, hält ihn am Leben. Inzwischen lernt er, wie die Welt der Römer beschaffen ist.
Dieser Barbar ist wahrscheinlich einer unserer deutschen Vorfahren.
Aha! Aber warum ist er schwarz? Ist das Knien vor einem Sklavenhalter denn nicht nur für Afrikaner?
Es tut mir leid: nein. Jeden konnte bzw kann es treffen.
Aber vielleicht war es kein Germane, sondern ein Grieche? Nein, leider, denn die wurden zwar auch massenhaft versklavt, galten aber nicht als „Barbaren“. Schließlich konnten sie meist schreiben und lesen und waren Vertreter einer Kultur, die von der römischen hoch geschätzt und wo immer möglich imitiert wurde.
Vielleicht ein Kelte? Nun, wo ist der Unterschied zum Germanen? Es sind die jetzt herrschenden Völker des „Westens“, die die Rechtsvorstellungen Roms in ihrer Rolle als Sklaven internalisiert und weiterentwickelt haben. Sie sind die Erben des römischen Reichs.
Die nächsten Herrscher, die während der europäisch-amerikanischen Sklaverei und ihrem kaum weniger rabiaten Kolonialismus „unsere“ Rechtsvorstellungen internalisierten, könnten sich sehr wohl aus „echten“ schwarzen Nationen rekrutieren.
Das war die Idee hinter der letzten Szene des „Welttheaters“: Abud nährt seinen Zorn wie eine Glut, die auf den Wind der Gelegenheit wartet, um sie zur Flamme hochschlagen zu lassen. Danai, selbst ein Flüchtige, aber mit tiefen Wurzeln in Europa, daher auch in Katastrophen sehr gut bewandert, bemüht sich, die Glut zu dämpfen.
Faszinierend. Und erstaunlich, dass die damals Mächtigen die Mittel aufwendeten, einen versklavten Menschen als Skulptur dem dauerhaften Vergessen zu entreißen. Achtete man dadurch seine Würde? Mit dem, was wir über die Behandlung von Sklaven wissen kaum vereinbar – aus heutiger Sicht? Gute Besserung!
LikeLike
Danke! Ja,und er ist fabelhaft gekleidet. Ich habe inzwischen schon einiges im Kommentarstrang zum Sklaventum in Rom und zur Frage, ob es sich um einen Sklaven handelt, geschrieben.
LikeLike
Das lese und schaue ich mir noch in Ruhe an. Sehr schön. Oh, Du bist noch krank. Ich wünsche Dir gute Genesung, Gerda.
LikeLike
Geht schon einigermaßen, danke, Gisela.
LikeLike
Das ist schön!♥️💛🌱🍀🙏💓
LikeLike
Das ist eine beeindruckende Statue. Und sehr würdig sieht er aus, richtig hoheitsvoll, fast königlich, würde ich sagen. Zwar hat er eine schwarze Haut , – das zeigen Gesicht und Hände. Doch er trägt prächtige Kleidung, und der Künstler verwendete einen prächtigen Marmor, wohl um ihn zu würdigen.
LikeLike
Ja, das ist wahr. Vielleicht ist es kein Sklave, sondern es gibt einen anderen Grund dafür, dass er kniet und das Gefäß schleppt.
LikeLike
Ja, vielleicht ist er kein Sklave.
LikeLike
Daß er kniet, entwürdigt ihn nicht. Er ist ja dennoch aufrecht in seiner Haltung. Er hat zwar Sorgenfalten auf der Stirn, scheint mit seiner Lage keineswegs einverstanden zu sein. Daß er aber empört wäre, kann ich in seinen Minen nicht lesen.
LikeLike
Danke für deine Sichtweise, Gisela!
LikeLike
Das freut mich, Gerda.
LikeLike
Gute Besserung Gerda. Liege selbst darnieder wie so viele andere auch…LG
LikeLike
Upps! Na dann Prosit! Ich huste noch wie blöd, das Fieber ist noch nicht ganz weg, aber ich gehe schon wieder herum.
LikeGefällt 1 Person
Viele Afrikaner haben übrigens sehr gute Erinnerungen an den „weißen Mann“ bzw. die „weiße Frau“. Ich denke da z.B, an Frau Hannelore Klabes, die in Burundi – im Zusammenhang mit den „Weißen Brüdern“ – Großes geleistet hat und besonders stolz ist auf den afrikanischen Orden, der ihr durch einen Schwarzen überreicht wurde.
LikeLike
Ich will das alles gar nicht in Frage stellen, aber auch nicht verallgemeinern-
LikeLike
Nein, auf keinen Fall verallgemeinern!
LikeLike
Gute und zügige Genesung wünsche ich Dir liebe Gerda!🙏🍀🍀🍀
LikeLike
Danke, wird schon, liebe Babsi!
LikeGefällt 1 Person
🙏👼🍀🍀🍀🍀🍀❣️😉
LikeLike
Von mir auch beste Genesungswünsche!
LikeLike
Danke, geht schon!
LikeGefällt 1 Person
Wie ein Barbar wirkt dieser Sklave nicht, keinesfalls. Offensichtlich steckt da noch mehr dahinter.
G.
LikeLike
Mag sein, Gerhard. Ich habe mich an den Titel gehalten. „Barbar“ war jeder, der nicht römisch-griechisch war.
Übrigens war das Sklaventum in Rom auch nicht mit dem uns vor allem bekannten Sklaventum des 19. Jh vergleichbar. Die Städter hatten diese Menschen in ihren Diensten, ein Drittel der römischen Bevölkerung bestand zeitweilig aus Sklaven. Die Kinder der Sklaven waren unfrei wie ihre Eltern, aber man schickte sie mit den eigenen in die Schule, womit man auch den Wert des Sklavenkindes steigerte. Manche wie Cato betrieben das regelrecht als Geschäftszweig, es lohnte sich wie wenn man heute „Fachkräfte“ heranschulen und verkaufen würde. Es gab die Institution der Freilassung und des Freikaufs. Wenn ein Sklave zu sehr maltraitiert wurde, konnte er beim Senat Hilfe erflehen usw usf.
LikeGefällt 1 Person
Ein Drittel ist tatsächlich enorm viel.
G.
LikeLike
Auch das Thema des Sklaven-Seins ist jetzt wieder sehr aktuell – sollte man in den Fokus nehmen und abgleichen …. Gute Besserung!
LikeLike
Danke dir, Melina, geht schon, nur der Husten ist ekelig. Ja, das Sklaven.Sein ist ein Thema, das wir nun betrachten müssen – in seiner alten Form und was es in unseren Seelen jetzt arbeitet.
LikeLike
Die Skulptur ist ganz wundervoll, hoheitsvoll.
Sein Antlitz sorgenschwer, leidgeprüft… Kein gewöhnlicher Mann würde ich sagen.
Vielleicht ein Gelehrter, der von einem Krieg als Gefangener mit nach Rom gebracht wurde.
Hoffentlich habt Ihr den Virus bald überwunden, Gerda!
LikeLike