Was zuletzt geschah: Danai bedauert Jenny, weil sie durch ihre schweren Lebensumstände hart geworden ist. „Auch du warst ein Kind, wie meins, das ich verlor“, sagt sie – und sogleich tritt Clara, das spielende Kind, hervor, Jenny verdeckend (m.a.W. Clara ist Jennys „inneres Kind“).
Hoho, ein herzensliebes Kind
Ro:
Rot ihre Mütz und Schleifchen sind
Lu:
Es spielt mit einem goldnen Ball
Wa:
Es tanzt und singt mit süßem Schall
Ma:
Mama mia, welch ein Kind!
Ist hold wie nur die Kinder sind!
Clara:
Spielt mit mir, ihr Süßen
Die Mama lässt schön grüßen
Mein Ball das ist die Sonne
Ich fischt sie aus der Tonne.
Da fiel sie nachts hinein
Tauchte ins Wasser rein.
Am Morgen half ich ihr heraus
Nun ist sie glücklich wieder drauß!
Jenny springt hinter dem Kind hervor:
Die Kugel ist der Sonnenball?
Du hast wohl, Clara, einen Knall!
Du willst mit diesen Mücken spielen,
die nur nach deinem Blute schielen?
Es sind Vampire, glaub es mir
Ich mach mich besser fort von hier.
Schurigel, der Angstmacher tritt auf. Die Spitits verschwinden. Jenny zieht sich in den Hintergrund zurück.
Schurigel, der Angstmacher:
Götter gibts nicht, das ist klar
auch Spirits nicht, das ist ne Mär
Nur Spinner halten sie für wahr
und rennen ihnen hinterher.
Brav, Jenny, du verstehst die Sachen
Du lässt dich nicht für dumm verkaufen
Du weißt, was die Insekten machen
Dass sie dein süßes Blut wegsaufen.
Gefährlich ist uns die Natur
mit ihren Sümpfen, ihren Mücken
wir taten viel dagegen, nur
sie hat noch immer ihre Tücken.
Schurigel zieht eine große Papierrolle aus dem Ärmel und hängt sie auf. Es ist mit einem Märchen beschriftet. Durch einen Ausschnitt lugt Jenny theKid.
Und du, mein Clärchen, solltest lesen
und brav daheim bei Mama bleiben,
Statt dich hier draußen rumzutreiben
Und Quatsch zu reden mit den Wesen
Die es in Wahrheit gar nicht gibt.
In Büchern findest du, was Spaß macht
und was ein jedes Kindchen liebt,
wenn es in Nächten ängstlich wacht.
Da kannst du lesen von Gespenstern
und Orks und Schurken jeder Art
die steigen rein zu deinen Fenstern
mit Kugelaugen oder Bart.
Da gruselts dich, du wirst ganz sicher
auch tags dann um die Ecke schielen
ob Zombies, Trolle, Maskenritter
ihr Stückchen in der Stube spielen.
Gelobt die Angst, die sie verbreiten,
die auch euch Kinder ängstlich macht!
Denn welcher Mensch kann schon bestreiten:
Die Angst ist eine Himmelsmacht.
Wer dieser Macht dient, der wird immer
gerüstet sein, wenns schlimmer kommt.
Und kommt es einmal doch nicht schlimmer,
So weiß doch jeder, was sich frommt.
Hera, die Göttin:
Pst, Clara, lass dich nicht beschwätzen
und gegen unsereins aufhetzen
wir sind bei dir, wir stehn dir bei
Wer ängstlich ist, der ist nicht frei!
Danai, die Hilfesuchende:
Wahr ist, die Welt ist sehr verroht,
Doch Angst hab nicht, an Gott nur glaub!
Wenn echte Not dich mal bedroht,
Hebt Er dich sicher aus dem Staub.
Domna, die blinde Dichterin (in tiefen Gedanken, murmelnd)
„Wenn du aufbrichst nach Ithaka,
wünsche dir, dass der Weg lang sei,
voller Abenteuer, voller Erkenntnisse.
Die Laistrygonen und die Zyklopen,
den wütenden Poseidon fürchte nicht,
solche wirst du auf deinem Wege niemals finden,
wenn dein Denken hoch, wenn erlesene
Empfindung deinen Geist und Körper anrührt.
Den Laistrygonen und den Zyklopen,
dem wilden Poseidon wirst du nicht begegnen,
wenn du sie nicht in deiner Seele trägst,
wenn deine Seele sie nicht vor dich hinstellt.“*
*Konstantinos Kavafis, Ithaka. Eigene Übertragung. Das ganze Gedicht findest du unter https://gerdakazakou.com/2015/12/01/griechische-lyrik-konstantinos-kavafis-ithaka/
Ganz phantastisch, was sich da alles abspielt und entwickelt, Gerda. Das wird sicher einmal bühnentauglich sein. 💓🌟🖐️
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Als Schülerin habe ich ja man den Eulenspiegel in Verse gesetzt und illustriert. Der wurde dann tatsächlich auch aufgeführt.
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Na dann ist das ja möglich.
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Und dieses Kind in zweierlei Gestalt und in dieser Gegenüberstellung ist auch sehr eindrucksvoll.💓👍
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Danke, Gisela, ich freu mich über deinen Zuspruch.
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Wunderbar in Wort und Bild, liebe Gerda. Fast hätte ich meine Haltestelle verpasst. 🙂
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Dass du fast die Haltestelle verpasst hättest, ist das denkbar größte Kompliment für mich…:) 😉
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Auf jeden Fall. Und teil zwei oder den nächsten habe ich dann noch im Büro gelesen.
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Man wird es dir hoffentlich nicht verübeln 🙂
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Den Angstmacher mag ich nicht, aber Deine Verse sehr.
* Ist hold wie nur die Kinder sind! *
Das sehe ich immer wieder am Minienkelchen von knapp 3 Jährchen.
So echt und wunderbar ist wirklich nur ein Kind… ganz bezaubernd
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