Dies Bild, liebe Myriade, so eindrucksvoll es ist, wollte sich mir lange nicht erschließen. Wo befindet sich die Frau mit dem Kind? Sie scheint sich, tiefgebeugt gegen einen unsichtbaren Wind, voranzukämpfen. Sie bewegt sich weit oben rechts in einem ungewissen Gelände, das von roten Markierungen und mageren Strickleitern als senkrecht abfallend charakterisiert ist. Fast keine räumliche Tiefe. Keine Wege oder Einbuchtungen, um dieses Gelände sicher zu durchwandern.
Doch jetzt, auf dem letzten Wegstück, hat sich eine rote Linie quergelegt, als sagte sie: Hier entlang! Nun könnt ihr sicheren Schrittes voranschreiten, das Ziel werdet ihr nicht mehr verfehlen.
Doch welches ist das Ziel?
Heute ist der Erste Oktober. Weit ist das Jahr aufgestiegen und vorangeschritten. Es kämpft sich auf dem letzten Drittel seiner Existenz tief gebeugt und sorgenvoll voran : Wir haben die Ziellinie schon betreten. Schritt vor Schritt, tief bebeugt gegen die Widrigkeiten der Zeit ankämpfend, gilt es, den vorgesehenen Weg bis zum Ende zu schreiten.
„Liebe Frau“, murmele ich, „du bist tapfer, weil du tapfer sein musst. Denn mit dir geht ein Kind. Das mag in den Abgrund schauen, das mag sich fürchten – du darfst es nicht. Du musst den Weg gehen, als wüsstest du, wo er hinführt.“
„Ach was!“ höre ich Dora krähen. „Hör nicht auf Gerda, gute Frau! Wer sich immer nur um die täglichen Sorgen kümmert, verkümmert! Richte dich auf, schau dich um! Waren es nicht wunderbare Tage und Nächte, die du durchwandert hast? Ich leuchte dir gern auf dem Rest des Weges, damit du die Blumen siehst und die lieben Tiere und deinem Kind alles schön erklärst, damit es nicht dumm bleibst!“
Ach, Dora ist so eine Freude. Ich schließe mich ihrer optimistischen Weltsicht immer gerne an, wenn das derzeit auch wirklich schwierig ist.
Das Bild erschließt sich wohl nicht so leicht, auch mir nicht. Es ist auf eine Schiefertafel gemalt daher der ungewöhnliche Pinselstrich. Ich weiß selbst nicht so ganz, ob es nun ein pessimistisches Bild ist oder nicht. Auf jeden Fall mag ich deine Interpretation sehr. Vielen Dank für den Beitrag, liebe Gerda, liebe Dora ❤
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Achso, Kreide! Ich habe mich schon gewundert. Danke für deinen lieben Kommentar, Myriade! Ich habe noch drei weitere Collagen gemacht, die will ich gleich mal posten – ohne eigenen Kommentar.
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Bei Dora sieht das Foto fröhlich:aus! Wie sonst?!
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danke, ja. Mit Dora hellt sich auch das trübste Bild auf. 🙂
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Die Gedanken, die Du Dir um die gebeugte Frau mit einem Bündel Kindchen machst, hatte ich auch, aber im Gegensatz zu Dir lasse ich stehen, was ich sehe und denke nicht weiter darüber nach.
Aber wie recht hast du doch. Da ist keine Bildtiefe, sie geht einen schmalen Weg, sorgenvoll und mit vielen Ängsten, was aus dem Kindchen wird, wenn es sie nicht mehr gibt, aber sie gibt nicht auf. Sie geht und findet ein Ziel, wenn sie nicht abrutscht oder gänzlich aus dem Rahmen fällt.
Gut, daß Dora da ist. Sie ist Trost und Wegbereiter, liebe Gerda
Ein feiner Text!
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