Dora* zum AchtenNeunten: Land verschenken (Samothrake-Bericht 4)

Wir sind unterwegs zu dem Land, das zu verschenken ich mir vorgenommen habe. Dora* ist in ihrem Element. „Schenken!“ kräht sie, „Dora zum Ersten, zum Zweiten! Aber wo ist das Land?“

„Noch ein bisschen, dann sind wir da!“ verspreche ich ihr. Zugegeben, es ist heiß und der Weg etwas mühsam. Aber wenn Karen und ich es aushalten können, wird Dora ja wohl kein Problem damit haben. „Noch ein bisschen!“, sage ich also. „Gleich steigen wir zum Bach runter, und dann sind wir schon da. …. Na also, da ist er ja schon, der Katsambas! Und Wasser führt er auch.“

„Der Katzenbach, der Katzenbach!“ jubelt Dora und springt mit beiden Füßen hinein.  Wir hüpfen über die dicken Flusssteine ans andere Ufer … und sind da.

Ja, dies ist das Stück Natur, das ich vor vielen Jahren kaufte, um es so zu erhalten wie es war. Vielleicht würde ich eine Hütte drauf stellen, es auch einzäunen, um die Ziegen wegzuhalten, eine Wasserleitung legen … Dies und das erträumte ich mir. Den Zaun ließ ich ziehen, die Wasserleitung über dreieinhalb Kilometer vom oberen Dorf verlegen – und dann war Schluss. Wir zogen auf die Peloponnes, Heimat meines Mannes, und bauten uns in der Mani ein Haus.

Was tun mit dem schönen Stück Natur? Ich beschloss, es an einen Menschen zu verschenken, der es zu schätzen wüsste. An jemanden, der die Insel so sehr liebte wie ich.  Manche Freundin reiste inzwischen nach Samothrake, aber keine fand das Land, das ich ihnen beschrieb. Doch eines Tages besuchte eine Freundin einen Hamburger Laden und kam mit der Frau ins Gespräch, die dort beschäftigt war. Karen hieß sie, und sie erzählte von Samothrake und dass sie seit 31 Jahren hinfuhr, zwei Monate lang dort blieb, manchmal auch drei. Da erinnerte sich die Freundin an mich, Karen schrieb mir, und wir kamen ins Gespräch. Das war vor ein paar Monaten….

Heute haben wir uns auch persönlich kennengelernt, denn Karen holte mich von der Fähre ab. Und nun krakseln wir den Hang hoch, gehen die alte Umzäunung ab, finden auch die Wasserleitung. Auf dem Foto seht ihr Karen und neben ihr einen hellen Punkt: Dora. Hinter ihnen das Wäldchen aus Oliven, Eichen, verwilderten Apfelbäumen, Platanen und Oleander. Dort plätschert auch der Bach. Und in der Ferne blaut das Meer.

O, es ist schön, mein Land. Und ich bin glücklich, dass es in liebende Hände kommt. Wie gut, Karen, dass sich unsere Wege kreuzten. Hier seht ihr Karen unter „unseren“ Platanen. Über ihr schwebt wie ein segnender kleiner Engel Dora, die endlich mal mit mir zufrieden ist. „Schenken!“ kräht sie. „Nix ist besser als schenken!“

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*Wer es nicht weiß: Dora ist die Personifizierung dieses Jahres 2022. Ihr Name bedeutet „Geschenke“. Sie erschien mir am Ersten Januar und beschenkt mich seither jeden Tag mit wunderbaren Schätzen. Einer davon ist, dass ich Karen kennenlernte, der ich mein Land schenken durfte. Ein anderer, dass ich aus diesem Anlass meine Insel nach so vielen Jahren noch einmal besuchen konnte.

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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15 Antworten zu Dora* zum AchtenNeunten: Land verschenken (Samothrake-Bericht 4)

  1. afrikafrau schreibt:

    Die Erinnerungen, die Träume werden bleiben, unsere Seelen wandern mit unseren Träumen für immer- mit ein wenig Wehmut –

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  2. Eine Geschichte, die mir sehr gefällt, liebe Gerda!
    Ein guter Besuch , den Du nun gemacht hast.

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  3. Elsbeth schreibt:

    Liebe Gerda, das ist wunderbar ! So schön diese, deine Geschichte Ich bin ganz tief berührt.Ein Stück Land , und ein solches (!) Stück zu verschenken(!!) an einen Menschen, der die Insel und die Natur dort liebt, dort leben und gestalten kann….auf Samothrake!
    Danke, dass du uns teilnehmen lässt ! Schön auch die Wege, über die Karen und du zusammenfanden!
    (Ich bin übrigens gerade für eine Woche in Hamburg,gebe einen Kurs in Altgriechisch und versuche die Menschen in die Klangschönheit und Gedankentiefe dieser Sprache hineinzuführen)

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  4. Lopadistory schreibt:

    Was für eine schöne Geschichte 🙂

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  5. Gisela Benseler schreibt:

    Es sieht märchenhaft schön aus, vor allem das letzte Bild mit Dora als „Engel“ und einer glücklichen Karen in dieser Landschaft. Das paßt alles, finde ich. Und Du wirst sie dort manchmal sehen und Deine Trauminsel.

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  6. BabuschkaKunst schreibt:

    Ich kann mich nur anschließen : welch eine wunderbare Geschichte!!

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  7. lachmitmaren schreibt:

    Wunderbar! 💝💖

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