Noch einmal habe ich eine alte Portraitstudie herausgefischt und versucht, sie abzuzeichnen. Warum tue ich das? Die Zeichnungen sind ja weit weniger lebendig als die Originale! Dennoch kann ich es nicht lassen.
Heute las ich bei Stefan Kraus : „Nun las ich sie (Sätze, die er selbst geschrieben hatte) nach 9 Jahren zum ersten Mal wieder, und sie erschienen mir so fremd, als stammten sie nicht von mir.“ und ich dachte: das ist es. Das ist der Grund, warum ich diesen künstlerisch sinnlosen Versuch mache, meine eigenen Bilder abzuzeichnen. Ich will sie mir wieder aneignen, will verstehen, wer ich war, vor 30 und mehr Jahren, als ich sie malte.
Das heutige Portrait zeigt wieder den Mann, von dem ich schon zwei andere Portraits zeigte: einen feinsinnigen jungen Mann, der seine vom Bürgerkrieg erschütterte Heimat Jugoslawien verlassen hatte und in Griechenland zu überleben versuchte. Ein Mann, der mit sich und seinen Dämonen rang – so wie sein Heimatgebiet in schrecklichen Kämpfen rang. Ein Gottsucher. Mehr weiß ich von ihm nicht. Aber ich sah dies Ringen, oder war es mein eigenes, das ich in ihn hineinprojizierte? Denn auch ich litt sehr an diesem Krieg.
Nun also das dritte Portrait vom selben Modell.
Und die Zeichnung? Sie ist nicht zum Wegwerfen, aber sie kommt nicht heran an die starke Kraft des Portraits. Vielleicht zeigt sie den heutigen Mann – jetzt, wo wieder Frieden herrscht, aber das, was damals geschah, unauslöschliche Spuren hinterließ
überblendet: Die Gesichtszüge sind ganz gut getroffen, sie decken sich. Was aber sagt dieses verdoppelte Gesicht nun aus?. Mir scheint, in den Augen spiegelt sich das Entsetzen, aber es speist sich nicht mehr aus dem Jetzt, sondern aus dem Erinnerten.
Das berührt mich jetzt sehr…
Die ersten beiden Portraits sind schon großartig. Das dritte aber ist für mich das stärkste. „es speist sich nicht mehr aus dem Jetzt, sondern aus dem Erinnerten.“ – das sah ich seltsamerweise bereits im Original… Großartig.
Ich danke dir!
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Ich habe dir zu danken, Stefan! Mit deinem Eintrag gabst du mir den Anknüpfungspunkt, den ich brauchte. Ein Fall von Synchronisation.
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Da ist wieder sooooo viel Seele und Ausdruck in den Augen und dem Gesicht. Ein junger Mann, der in kurzer Zeit so gereift ist, daß er Züge des Alters trägt. Doch ich sehe in den Augen vor allem atränen, Weichheit und gütiges Verstehen- und Verzeihenwollen, aus dem Glauben heraus. Bitterkeit oder Entsetzen kann ich darin nicht entdecken.
Deine Zeichnung ist auch wiederum sehr ausdrucksvoll und stark.
Die Überblendung läßt eigentlich vor allem die Augen herausleuchten, aber eher traurig, als entsetzt.
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Hab Dank Gisela, für dein einfühlsames Kommentieren.
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Deine Original Portraits sind so stark, weil sie die tiefe Traurigkeit und die Spuren des Entsetzen widerspiegeln! Die Art und Weise und Deine Technik dabei sind phantastisch!!!!👌👍
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Herzlichen Dank,liebe Babsi. Ich selbst war damals tief erschüttert,
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Sehr beeindruckend , bewundernswert
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Danke, liebe Afrikafrau.
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Anscheinend ist es gerade bei den einen und anderen dran, alte Bilder, Zeichnungen oder Texte hervor zu kramen, sie sich neu und anders anzueignen. Bei mir sind es die Texte. Es hat ja auch immer wieder etwas mit der Integration der eigenen zurück gelegten Wege zu tun, zu sehen, woher man kommt, wo man jetzt steht und somit vielleicht oder bestimmt sogar weitergehen zu können.
Herzlichst, Ulli
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so fresh!
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Zurückhaltend und still scheint er geworden zu sein, liebe Gerda. Könnte es sein, daß Du beim Neu-Zeichnen auch diese Gedanken hattest?
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