Diesmal weiß ich, wen ich damals portraitiert habe: Dushan aus Serbien. Er war, wie so viele andere, 1989 nach Griechenland geflohen und suchte Gelegenheiten, etwas zu verdienen, um zu überleben. Ein kluger sensibler junger Mensch, verloren in der Fremde. Gegen eine kleine Vergütung saß er mir im Gemeinschaftsatelier über unserem Sprachinstitut Modell.
Ich mag diese große Portraitskizze sehr. Während ich heute die leicht verschwommenen Konturen mit dem Blick abtaste, um sie abzuzeichnen, überlege ich, was aus Dushan wohl geworden ist. Dreißig Jahre sind seither vergangen. Wenn er damals 23 war, so ist er heute 53. Das weiche, noch im Werden begriffene Gesicht wird sich verhärtet haben, die Augen … ach, was weiß ich schon. Er ist mir ja ein Unbekannter geworden.
Die Fotos vom Gemälde und von der Zeichnung schiebe ich übereinander. Sie sind sich fremd, stoßen sich aber nicht ab.Die Zeichnung mache ich digital zur Gipsmaske.
Nein, ich weiß nichts über ihn. Ich würde ihn wohl nicht wiedererkennen. Oder doch?
Sein Mund wird noch trauriger sein, immer wieder wird an die Scheusslichkeiten des Krieges und der Massaker denken, an denen er vielleicht teilgenommen hat und dann geflüchtet ist vor seiner Schuld.
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nein, Werner. Ich muss doch sehr bitten. Solche Pauschalverdächtigungen finde ich unerträglich. Viele Serben, auch dieser, sind aus der Heimat geflohen, um nicht in einem Bürgerkrieg kämpfen und auf andere schießen zu müssen. 😦
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spannend, die letzte version – ein ICH schaut dem anderen über die schulter, schaut aus der vergangenheit herein in den jetzt-raum, so kommt es mir vor … wehmut ergreift mich, auch wut, wenn du von dem jungen menschen erzählst …
so viel leben wird aufgerieben, vergeudet … ich könnte stumm werden daran –
liebe grüße zur nacht:
pega
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Danke, Pega, Ja, so dachte ich es mir. Aber auch, weil ich ja nur den Jüngeren kennenlernte: der Jüngere schaut mich an, lebendig, der jetzige, Ältere, bleibt für mich ein Schemen.
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Dushan also. Verloren in der Fremde. Hoffentlich hat er Frieden und Liebe gefunden, das braucht man unbedingt zum Leben auf dieser Welt…(er sieht nach Harm und Bitterkeit aus)
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Danke. Ich weiß es leider nicht, habe den Kontakt verloren. Doch denke ich, dass auch er einen Weg gefunden hat. Vielleicht ist er längst wieder in seiner Heimat, und die Zeit in der Fremde war eine Bereicherung seiner Erfahrungen.
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Du wirst einen kurzen Moment stutzen und überlegen, ob und woher Du ihn kennst.
Er wird auf Dich zukommen und Dir vieles zu erzählen haben, liebe Gerda
Sehr interessant ist das Bild durch das Übereinanderschrieben geworden.
Im Vordergrund fehlt jetzt nur noch der heutige Dushan…
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Danke, Bruni! kann sein, kann aber auch nicht sein, dass ich ihn erkennen würde. Vorhin traf ich eine Frau, die mich kannte und mir auch sagte, von wo. Jahre ists her. Ich guckte nur blöd. Natürlich bin ich hier auffällig, dennoch.Leider habe ich keine solche Merkfähigkeit.
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