Halbautobiographische Kata-Strophen für Christianes abc-Etüden, mit Wörtern, die Bernd von https://redskiesoverparadise.wordpress.com/ spendete.
Für Ursel
„In den Baracken
Das sind doch Polacken“
So hörte ich sagen
Mir schlugs auf den Magen.
Ich war noch ein Kind
Doch ein Kind ist nicht blind
Es ist auch nicht taub
Und hört, mit Verlaub,
Was ihr hervorbringt an Sätzen
Die schrecklich sind und ätzen.
Ich mochte das Lager im Westen
Die Menschen warn mir die besten.
Sie sprachen ganz anders, als die aus dem Städtchen
Und herzlich verliebt war ich in ein Mädchen
Das hatte Rehaugen und bräunliche Locken
Mit der wollt ich immer zusammenhocken
Und ihre Karnickel füttern mit Gras
Und die Murmeln teilen, manche aus Glas.
Die Mutter von Ursel, die machte uns Tee
Aus Brennnesselsamen, vielleicht auch aus Klee
Der war meistens lau und schmeckte erbärmlich,
Doch anderes gab΄s nicht, sie waren halt ärmlich.
Arm waren wir auch, jedoch unser Haus
Sah immer gebohnert und proper aus.
Warum sie nicht in Häusern wohnten
Mit Möbeln, die die Leute schonten,
Was ihnen widerfahren war
Das war als Kind mir nicht recht klar.
Mir wars egal, ich liebt’ die Leute
Und so erinner’ ich mich heute
An wildes Spiel und manches mehr,
Es ist schon lange lange her.
Ob Ursel lebt, das weiß ich nicht,
Doch widme ich ihr dies Gedicht.
Sehr intim und berührend, wie Du Deine Kindheitserinnerungen schilderst.
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Dankeschön, Werner!
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Herzlich verliebt bin ich mal wieder in Dein Gedicht, Gerda!
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Da freu ich mich, liebe Hella, gleich doppelt!
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Kinder sind oft am vorurteilslosesten, weil/wenn sie noch nicht den Ballast mit sich herumschleppen, den mensch im Laufe des Lebens meist erwirbt/aufgebürdet bekommt. 🤔
Mag dein Gedicht, danke dir sehr für deine Erinnerungen. 😉👍
Herzliche Abendgrüße 😁🌧️🌼🍷🥨🧀👍
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Kleine Kinder haben, glaube ich, noch überhaupt keine Vorurteile. Woher sollten sie auch kommen? Aber sie verstehen, wenn Erwachsene Böses sagen, und werden es dann bei Bedarf anbringen.
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Ein feines Gedicht, voll menschlich und voller Liebe, schön.
Hat mich außerdem an einen sehr frühen Post bei mir erinnert.
Warte, liebe Gerda, ich guck mal nach…
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Hier ist es:
https://finbarsgift.wordpress.com/2013/02/24/erste-kusse/
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wunderschön… alles…
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auch das Zugelaufene wird integriert…
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Das Barackenlager war ein Auffanglager für die Kriegsflüchtlinge und Vertriebenen aus dem Osten, die nicht durch Einquartierung bei den Einheimischen untergebracht werden konnten. Auf einen Einheimischen kamen 1945 vier Flüchtlinge, Menschen aus Schlesien, Ost- und Westpreußen vor allem, Akademiker, Handwerker, Arbeiter, Bauern… Viele zogen in den folgenden Jahren weiter ins Ruhrgebiet, wo sie Arbeit fanden. andere konnten sich im Rahmen von Wohnungsbauprogrammen am Stadtrand Eigenheime bauen. In den Baracken blieben die, die sich nicht so gut mit der neuen Situation zurechtfanden, bis dann das Barackenlager endgültig aufgelöst wurde.
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Meine Eltern gehörten zu solchen, also Flüchtling und Vertriebene. Über meine Mutter habe ich erst nach ihrem Tod von einer Cousine von ihr erfahren, dass sie auch in solch einem Auffanglager waren für eine gewisse Zeit. Sie selbst hat darüber nie gesprochen. Mein Vater ebenfalls nicht, obwohl die Wahrscheinlichkeit, dass auch er in solch einem Lager war, recht hoch ist. Beide waren Teenager zu der Zeit. Dennoch (oder vielleicht gerade deshalb): Den Ausdruck „Polacke“ habe ich in meiner Kindheit Zuhause auch recht oft gehört… .
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mit meinen polnischen Freunden habe ich so viel Spaß gehabt, so viel gelacht und so viel Schönes erlebt… es waren aber echte Polen, keine vertriebenen Deutschen… ein bisschen schlitzohrig und raffiniert waren sie schon, aber gerade das gefiel mir an ihnen… na ja, das ist jetzt am Thema vorbei…
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dass es so viele Flüchtlinge waren, war mir nicht bewusst. Dagegen sind die neuen Flüchtlingszahlen minimal…
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Ein schönes Gedicht, das viel.über Dich verrät und aussagt, Gerda. Und manches kommt mir auch bekannt vor. Was denn z.B.?
Die Baracken. Die lagen im Westen von H., wo wir damals lebten, in properen Häusern, jedoch schlicht und schön. Und das lag auch mit daran, daß alles – mit viel Arbeit☆ – gut gepflegt wurde…Nun, auch ich war manchmal in den Baracken… Aber das ist ja eine lange Geschichte…
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Über die viele Arbeit hast Du ja gerade auch einiges geschrieben… Ich erinnere an das Wringen der nassen Wäschestücke.
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Das Bild gefällt mir auch sehr gut. Es erinnert mich auch ein wenig an die Baracken.
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Danke, daran sollte das Bild ja auch erinnern.
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😊
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An die dunkle, für uns Kinder aber äußerst aufregende Zeit kann ich mich auch noch gut erinnern. Dein Gedicht fängt die Atmosphäre sehr authentisch ein.
„Spiel nicht mit den Schmuddelkindern“ (Degenhardt) hat mich später auch noch mal an die Zeit zurück erinnert.
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Danke, ja, die Schmuddelkinder wurden in unserer Kinderladengruppe in Frankfurt 1970 pp aktuell. Demnext wir es wohl heißen: spiel nicht mit den Ungeimpften….
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Du hast ihr ein liebevolles Gedicht geschrieben, liebe Gerda, und das nach so langer Zeit.
Heimatvertriebene waren meine Großeltern auch. Sie kamen aber aus Niederschlesien, keine Oberschlesier, und ob sie anfangs in einem Auffanglager waren, glaube ich nicht. Sie müßten bei meinem Onkel und seiner Frau in Delmenhorst gewesen sein, aber genau weiß ich es leider nicht.
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Viele kamen bei Verwandten unter oder wurden einquartiert. Aber sehr sehr viele lebten als erstes in Baracken, und zwar jahrelang. Wir wurden auch in Baracken unterrichtet, bis zum 10. Schuljahr, ich selbst bis 1958, dann gings in die Kreisstadt zur Oberstufe des Gymnasiums. Es war schön in unserer Schulbaracke, ganz nah am Segelsteg! Auch wenns im Winter kalt und zugig war und wir uns um den einzigen Ofen scharten 😉 Viel schöner als dann im Backsteingebäude, das preußischen Geist aushauchte.
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Ein sehr schönes und nachdenkliches Gedicht. Auf die heutige Zeit übertragen muss man bedauern, dass man heutzutage nahezu „von Staats wegen“ von Kontakten abgehalten wird. Michael
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Danke. Ja, damals hatte man „von Staats wegen“ andere Sorgen, denn man war grad mit den Folgen des „von Staats wegen“ geführten Zweiten Weltkriegs befasst.
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Gedichte sind auch Mahnungen. Es gibt Dinge, die Ursel hinter sich gelassen, als sie etwas verstanden hat.
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