Will.i mag meine Glasscherbenbilder. „Sie erzählen Geschichten“, sagt er.
„Und welche Geschichte erzählt dies Bild?“ frage ich ihn. Sofort beginnt Will.i: „Es ist an einem heißen Abend in Afrika. Dort, wo es fast nur noch Kakteen gibt und die Wüste beginnt. Da treffen sich zwei Männer. Der eine lebt immer dort, er hat die Farbe der Erde angenommen. Der andere kommt von weither, wahrscheinlich aus den USA. Auf seinem Kopf trägt er einen Hut wie die Cowboys, aber er ist doch anders, denn der Hut hat eine besondere Eigenschaft: Er sagt seinem Träger immer, in welche Richtung er gehen muss, wenn er ein Ziel im Kopf hat. Das ist einerseits sehr praktisch, denn so kann er sich nicht verirren. Andererseits ist es aber auch unpraktisch, denn ich finde, Umwege sind oft viel interessanter als der direkte Weg. Nun also ist er hier gelandet, am Rande einer Wüste, und es sieht so aus, als wüsste er, was er hier sucht. Er will ein Tauschgeschäft machen und glaubt, dass es zu seinem Vorteil sein wird. Ein Schlauberger und Abenteurer, wie viele unterwegs sind. Der schwarze Mann ist aber auch nicht auf den Kopf gefallen. Er kennt solche Leute wie den weißen Mann, er durchschaut sie. Für ihn sind sie aus Glas. Und wenn er sich nun hinsetzt und mit dem Palaver anfängt, so weiß er sehr genau, worauf er es abgesehen hat: er will sich in den Besitz des Hutes bringen. Er möchte nämlich weg aus dieser Gegend, wo es immer trockener wird, und der Hut könnte sehr brauchbar sein, um ihm den Weg zu zeigen, wie er hier am schnellsten wegkommt…. Aber wieso soll ich die Geschichte eigentlich allein erzählen? Das ist langweilig. Besser wäre es, jeder fügt ein Stück hinzu und es kommt eine Scherbengeschichte zusammen, passend zum Scherbenbild.“
Mir gefällt die Idee. Sie ist irgendwie tief symbolisch. Zerbrochen in viele Stücke, immer neu zusammengesetzt, immer neu erzählt wird die Geschichte dieser Welt! Ein buntes Kaleidoskop! Schüttelt man ein wenig, ändert sich das Bild.
„Aber ist es nicht zu schwer, wenn man nur ein Bild hat?“ frage ich den Will.i. „Vielleicht fällt einem dazu nichts Rechtes ein. Was meinst du, soll ich zwei Bilder zusammenfügen, so dass die Fantasie schneller in Bewegung kommt? Zum Beispiel so?
Oder ist es dann noch schwieriger? Was meinst du?“ – „Da fragst du besser deine Leser und Leserinnen“, antwortet mir Will.i. „Die sollen dir ja die Geschichten erzählen helfen. Wenn sie Lust haben, nehmen sie das Bild mit den drei Leuten hinzu, oder sie erzählen einfach meine Geschichte weiter. Sie ist ja nicht zu Ende, oder?“
Also frage ich euch: Habt ihr Lust, an Willi.s Glasscherbenspiel teilzunehmen? Und wenn ja: wollt ihr immer nur ein Bild, oder doch lieber zwei oder drei?
Will.i ist gespannt, ob ihr Lust zum Weiter-Erzählen habt. Und ich auch.
Ich glaube, heute komme ich mit einem Bild zurecht. Ich würde Will.i wie folgt antworten:
Will.i, eines möchte ich dir doch noch mit auf den Weg geben: nämlich, dass manchmal der erste Schein oder der erste Gedanke trügt. Ich glaube nämlich eher, dass die Kopfbedeckung in Wirklichkeit kein Hut ist, sondern eine Offiziersmütze. Und die Mütze sagt ihm tatsächlich, wohin er gehen muss, weil sie nämlich von einem riesengroßen unterirdischen Raum aus in Amerika gesteuert wird. So etwa wie die Drohnen, die von vielen gleich angezogenen Menschen aus Kaiserslautern in Deutschland in Afghanistan die Freiheit verteidigen, indem sie die Menschen, die nicht so denken wie sie, ohne zu fragen dem Erdboden gleich machen. Und diese Offiziersmütze, die ich in dem Bild sehe, steuert auch die Worte von dem weißen Mann in dem Scherbenbild dort in Afrika. Denn glaube mir, Tauschhandel machen sie eher nur wie früher, als sie den Stammesältesten die Menschen für Glasperlen abgekauft und dann zum Arbeiten nach Amerika verschifft haben. Denn, lieber Will.i, du musst wissen, dass die, welche einem großzügig etwas anbieten, dir zuerst einen Finger nehmen und dann die ganze Hand. Und egal, wo diese Männer mit den Mützen in der Vergangenheit hingegangen sind, sie haben nichts als einen Scherbenhaufen hinterlassen.
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Mann, Werner, das ist ein klasse Geschichtsunterricht und zudem auch noch hochaktuell! (Grad bombardieren die Amis wieder Syrien an der irakischen Grenze, angeblich weil von dort Angriffe auf amerikanische Einrichtungen im Irak stattfinden. Weder die Iraker noch die Syrer haben sie eingeladen, aber sie machen sich breit). Ich werde es gleich dem Will.i weitersagen und auch ins Glasscherbenspiel aufnehmen. Eine schreckliche Faszette der Wirklichkeit, die unbedingt dazugehört.
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Die Geschichte von Werner ist so prima und stark, dass ich sie in dem Bild nun auch sehe! Vielleicht bin ich auch keine Geschichtenerzählerin… 😉
Aber eine prima Idee, Gerda!
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Ich hatte eine so gänzlich andere Assoziation, als ich das märchenhaft schöne erste Bild betrachtete, liebe Gerda.
Ich sah eine weiße Prinzessin auf einem Thron und vor ihr einen knienden Mann, der eine dunkle Maske trägt.
Er wirbt um die Prinzessin und das nur mit der Kunst seiner Rede. Erwählt sie ihn, wird er sie abnehmen…
Vorher nicht *lächel*
Man muss wissen, dass es sich um eine sehr kluge Prinzessin handelt ❣
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O! Und wenn nun ein hässliches Gesicht hinter der Maske zum Vorschein kommt? Wird die Prinzessin ihn dann wieder fortschicken?
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Was ist ein hässliches Gesicht, liebe Gerda? 🌞❣🌟
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Er überzeugte sie durch seine Sprache und sie ist klug.
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So mancher führt eine kluge Sprache, liebe Bruni, aber wenn er dann sein Gesicht zeigt, bringt man das Gesprochene und dieses Gesicht schwer auf einen Nenner. Da guckt dich ein kaltes Froschgesicht an, und du dachtest, es wäre ein Prinz.
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Ich gehe davon aus, daß sie einen *Frosch* erkennen würde, oder auch einen falschen Fünfziger, der ihr etwas vormacht. Sie hat ein ausgeklügeltes System, durch das sie erkennt, welcher der Richtige für sie ist.
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