Kleine Beobachtungen (5) Störung und Neu-Strukturierung

Oft stößt Joachim Schlichting mit seinen Einträgen meine Gedanken an, die dann zu eigenen Beobachtungen führen. Zuletzt geschah dies durch einen Sandstrukturbildung mit Zuschauer betitelten Beitrag, der in mir weiterwirkt. Es heißt dort: „…werde ich reichlich entschädigt durch das unmittelbare Erlebnis, Zeuge und Teil der kollektiven Gestaltung- und Umgestaltungsvorgänge zu sein, in denen der durch den Wind in Bewegung gesetzte Sand in Wechselwirkung mit und teilweise auf Kosten der schon bestehenden Strukturen neue erschaffen werden….Ich selbst werde wie ein beliebiger anderer Gegenstand in die Prozesse mit einbezogen: Bleibe ich beispielsweise eine Zeit lang stehen, kann ich beobachten …. Beim Weitergehen verschwindet die Struktur nicht sofort wieder, sondern stellt eine neue Gegebenheit dar, die den weiteren Verlauf der Strukturbildung mitbestimmt.“

Sehr oft überfliege ich die physikalischen Erklärungen (verzeih, Joachim), denn es sind die allgemeineren Gedanken, die mich bewegen: Ich bin Teil der kollektiven Gestaltung- und Umgestaltungsprozesse, die ich zugleich beobachte und bezeuge. Durch mein Dasein, mein Handeln, Fühlen und Denken greife ich ein in die ständig vonstatten gehenden Gestaltungs- und Umgestaltungsprozesse – ob nun auf der grobstofflichen oder auf der eher feinstofflichen Ebene des Gesamtgeschehens, zu dem auch unser menschliches Denken und Zusammenleben gehört.

Vorgestern beim Morgenschwimmen nahm ich den Gedanken auf: Ich sah zu, wie mein Fuß fein geformte wellige Strukturen im sandigen Meeresgrund zerstörte, Sand stob und rieselte durch das Wasser, die Lichtwellen deformierten sich und ordneten sich neu. Die leichten Wellen des Meeres tasteten mein Bein, dieses neue unbekannte Hindernis, ab, umflossen es, kreiselten und schlossen sich zu neuen Gestaltungen zusammen. Mein Fuß deformierte und verflüssigte sich. Die Licht-Wasserwellen nahmen die Farben des Regenbogens an.

Fotografieren kann man natürlich immer nur „stills“, also winzige Ausschnitte aus dem Gesamtprozess, den man als Bild festhält. Zum Beispiel dies:

Heute fiel mir eine weitere „Störung“ auf: mein Schatten riss ein dunkles Loch in das Lichtnetz. An ihm arbeiteten sich die Lichtwellen ab, schien mir. Oder war es das Licht der Sonne, das sich an meiner stehenden Gestalt abarbeitete und eine Lösung suchte, um Schatten und Wellenbewegung zu harmonisieren?

Licht-Wasser-Wellen rund um Schattenkopf und Hand, Störung und beginnende Harmonisierung:

Die gesamte Schattenfigur. Ich stehe möglichst ruhig bis zur Taille im Wasser. Der obere Teil ist also mein Schattenwurf oberhalb, der untere Teil unterhalb der Wasserlinie. Als Nabel dient ein Stein am Meeresgrund. (Warum, Joachim, bleibt der Stein sichtbar und wird nicht von meinem Schatten verschlungen?)

Ungestörtes Wellennetz:

 

 

 

 

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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13 Antworten zu Kleine Beobachtungen (5) Störung und Neu-Strukturierung

  1. Ulli schreibt:

    Dass der Stein sichtbar bleibt, ist ein kleines Wunder. Mal sehen, was Joachim dazu weiß. Da bin ich nun sehr gespannt!
    Was du aber ansonsten ausdrückst, ist das, was wir oft schon aus verschiedenen Erlebnissen miteinander teilten, besprachen und diskutierten. Ja, Alles ist mit Allem verbunden. Das sagt und schreibt sich schnell und hat doch eine sehr tiefe Tragweite. Hier geht es auch um die Gedanken, die wir hegen und um die Sprache, mit der wir die Gedanken und Gefühle ausdrücken usw. –
    Die feinstoffliche Ebene wiederum ist größer als manche annehmen. Natürlich habe auch ich das Ganze noch lange nicht durchdrungen, habe mehr Ahnungen und ein kleines bisschen Erfahrung und somit Wissen einsammeln dürfen. Leider falle ich aber auch immer wieder aus diesen Systemen heraus, tummele mich allzuviel im „Weltlichen“, statt meins zu verfolgen. Das will ich wieder ändern. Denn wenn wir wirklich etwas in der Welt verändern wollen, fängt das hier an.
    Mir fällt es leicht mit der Natur zu kommunizieren und ihre Antworten zu hören, nur setze ich sie oft nicht um, das eben will ich auch ändern.
    Gleichzeitig weiß ich, dass ich nicht der Nabel der Welt bin, nur ein Sandkorn im großen Getriebe, aber ich wünsche mir doch wieder ein nützlicheres Sandkorn zu werden und zu bleiben. Das ist keine leichte Aufgabe und erfordert viel Disziplin von mir. Aber ich komme dahin, dass dies der einzig lohnenswerte Weg für mich ist, jenseits von allen Sorgen, von denen ich mich in den letzten Monaten hab gefangen nehmen lassen.
    Soweit erst einmal von mir zu dir hin.
    Herzliche Grüße
    Ulli

    Gefällt 5 Personen

  2. Gisela Benseler schreibt:

    Das sind sehr schöne Photos und interessante Beobachtungen. Daß der Stein im Wasser leuchtet, als gäbe es Deinen Schatten gar nicht, das fällt jedenfalls auf. Warum das so ist, die Antworten darauf, ja, darauf bin ich gespannt, Gerda.

    Gefällt 1 Person

  3. alphachamber schreibt:

    Hallo Frau K.,
    Ich finde bewundernswert, wie Sie klare und vernuenftige Gedanken mit Muse und kuenstlerischer Begabung paaren, diesen Sinn fuer Schoenheit und Natur einerseits, und analytisches, politisches, kritisches Denken andererseits. (Dafuer muss man vielleicht auch am richtigen Ort leben.)
    Beste Gruesse

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  4. TeggyTiggs schreibt:

    …interessant Beobachtungen und Überlegungen..am Ende bleibt mein Blick am letzten Foto hängen, einfach sein, nichts weiter, egal ob Aufmerksamkeit oder nicht, nichts als Sein…

    Gefällt 2 Personen

  5. Ich bin begeistert, liebe Gerda, wie du von der Wüstengeschichte zu deiner spannenden Strandgeschichte übergehst. Deine Worte verraten deine Begeisterung für das Erlebte. Das kann ich sehr gut nachvollziehen und gibt mir die Motivation, mich mal wieder mit Schattenphänomenen im Wasser zu befassen. Deine Worte und Fotos zeigen das was den meisten Menschen die sich ins Wasser begeben gar nicht wahrnehmen. Zum Beispiel die interessante Beobachtung, dass der blaue Stein, deinen Schatten ignoriert. Da der Stein kaum von blauer Farbe sein dürfte, verrät sie, dass er das Licht nicht von der Sonne, sondern vom blauen Himmel bekommt, der ja anders als die Sonne nicht von deinem Körper abgeblendet wird. Nun kann man natürlich fragen, wieso nicht auch der übrige Sonnenschattenbereich einen blauen Teint erhält. Die Antwort ist, dass der Sand das im Vergleich zum Sonnenlicht intensitätsschwache Himmelslicht weitgehend absorbiert, während der glatte Stein, der sich auch noch fast kugelförmig über den Grund erhebt, das Himmelslicht wie eine verspiegelte Kugel reflektiert. Das ausgeprägte Reflexionsverhalten nasser Steine kennt man ja vom Strand her: Man ist überwältigt von der Farbenpracht, nimmt die schönsten mit nach Hause, wo sie inzwischen getrocknet allen Glanz verloren haben.
    Ich kenne das Phänomen nur durch dein Foto, habe es vorher in dieser Deutlichkeit nicht gesehen. Meine (vorläufige) Erklärung ist daher unter Vorbehalt zu sehen. Aber ich kann mir keine andere natürliche Erklärung vorstellen.
    Ich finde das Phänomen so eindrucksvoll, dass ich dich bitte, mir das Foto mit der höchsten Auflösung die du hast zu schicken. Dann schaue ich mir das noch mal „unter der Lupe“ an. Wenn du erlaubst, würde ich dann irgendwann auch noch einen etwas mehr physikalischen Beitrag in meinem Blog dazu machen.

    Gefällt 8 Personen

  6. pflanzwas schreibt:

    Du machst gerade eine spannende Serie nach der anderen auf! Sehr inspierierend alles und regt mich an, auf vermeintlich alltägliche Sachen ein genaueres Auge zu werfen, wenn man das so sagen kann 🙂 Was man doch alles für selbstverständlich hält, dabei gibt es so viel mehr zu entdecken.

    Gefällt 1 Person

  7. www.wortbehagen.de.index.php schreibt:

    Spannend, das muß ich sagen, liebe Gerda. Die Verwandlungen sind ja deutlich zu sehen, aber wieso das so ist, hätte ich mir nie erklären können, nur bestaunen und immer wieder hinsehen…

    Gefällt 1 Person

  8. Ule Rolff schreibt:

    Da schaffst du es tatsächlich, Gerda, zu all dem Ästhetischen in deinem Beitrag im Kommentarstrang auch noch einen physikalischen Schwerpunkt zu etablieren. Es lohnt sich unter zahlreichen Aspekten immer, bei dir einen Lesebesuch zu machen. Danke!

    Gefällt 1 Person

  9. Johanna schreibt:

    Das ist zauberhaft!!!

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  10. Pingback: Ein Lichtblick im Schatten | Die Welt physikalisch gesehen

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