Wer kennt nicht die berühmte Passage im „Kleinen Prinzen“ von Antoine de Saint-Exupéry:
- »Nein«, sagte der kleine Prinz. »Ich suche Freunde. Was bedeutet ›zähmen‹?«
- »Das wird oft ganz vernachlässigt«, sagte der Fuchs. »Es bedeutet ›sich vertraut miteinander machen‹.«
- »Vertraut machen?«
- »Natürlich«, sagte der Fuchs. »Du bist für mich nur ein kleiner Junge, ein kleiner Junge wie hunderttausend andere auch. Ich brauche dich nicht. Und du brauchst mich auch nicht. Ich bin für dich ein Fuchs unter Hundertausenden von Füchsen. Aber wenn du mich zähmst, dann werden wir einander brauchen. Du wirst für mich einzigartig sein. Und ich werde für dich einzigartig sein in der ganzen Welt …«
Vorgestern Nacht zähmte ich eine Motto – oder war es umgekehrt? Sie war in meinem Weinglas gelandet, trieb hilflos auf der roten Flüssigkit. Ich fischte sie vorsichtig heraus und setzte sie auf dem Fuß meiner Tischlampe ab. Da wird sie schnell trocknen, dachte ich. Aber sie zappelte grässlich mit ihren Füßen, kam nicht los von der glatten Fläche, an der ihre Flügel wie festgeklebt waren. Also half ich mit der Spitze eines Kulis nach, und so landete sie glücklich auf dem Tischtuch. Oder eigentlich doch nicht glücklich. Sie schien sich zu quälen. Einer ihrer Fühler war, wie ich im Zoom meines iphones sehen konnte, eingerollt wir die Tentakeln zB von „kunstsinnigen Gurken“, die keinen Halt finden.
Lange betrachtete ich sie, ermunterte sie auch mit Sprüchen, in denen ich ihre Schönheit pries, das Perlmutt ihrer Flügel … und je länger ich mich mit ihr befasste, desto wertvoller wurde sie mir. Ich begann zu bangen: „Wirst du es schaffen, Kleinchen?“, begann auch mit erzieherischen Maßnahmen: „Hast zu viel gesoffen, es mag dir eine Lehre sein.“ Schließlich beruhigte sie sich, und auch ich ging schlafen. Am nächsten Morgen schaute ich, ob sie noch da war. Nein. Sie war wohl davongeflogen.
Seither sind mir alle ihre Verwandten lieb, die mich bei der nächtlichen Lampe besuchen kommen, und ich frag sie: Hast du die Schöne gesehen? Geht es ihr gut?
Wer uns besucht, wird auch in ein Gespräch verwickelt, so ist das bei uns auch. Und wer versehentlich im Haus landet, dem helfen wir wieder hinaus.
Wenn es deiner Motte gelungen ist, davonzufliegen, wird es ihr wohl wieder gut gehen. Hoffentlich hat ihr der Wein nicht so gut geschmeckt, dass sie gleich das nächste Glas angesteuert hat.
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So muss das (raushelfen). Danke, Ule.
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Auch ich schwatze mit allen Tierchen, die mich besuchen, sie scheinen mich auch zu verstehen und vor allen Dingen wo das offene Fenster ist, statt immer wieder vor die Glasscheibe zu brummen 😉
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🙂
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Die Liebe zu den Tierchen endet spätestens dann, wenn du deine Winterklamotten hervorkramst und entdeckst, dass ausgerechnet im schönsten Pullover die Motten zu Hause waren. Wer weiß wo sich deine liebe Motte gerade ihren Rausch ausschläft 😉
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So ist das, es ist alles eine Frage der Zahl. Eine Motte zerfrisst keinen Lieblingspullover, einen Fuchs hat man gern zu Besuch in seinem Garten, eine Wühlmaus ist süß, ein Skinhead pittoresk, Mehrere können ärgerlich sein, viele eine Katastophe.
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So tolle Bilder dieser klar schillernden Motte, nachdem du sie gezähmt hattest und dazu die Worte aus meinem Liebligsbüchlein „der kleine Prinz“. Sehr schöner Beitrag, liebe Gerda!
Liebe Grüße von Hanne
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Danke, Hanne! 🙂
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Der Perlmutterglanz der Flügel, das ist das Bezaubernde an den Motten.
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Ja, finde ich auch, aber auch der Rest ist sehenswert und lebensnotwendig.
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le petit prince hatte seine wunderschöne Rose und Du diese perlmuttglänzene kleine Motte. Gefällt mir sehr gut .Liebe Grüße an Dich.
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Danke, Heidi.
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Was für ein schöner liebenswerter Text, liebe Gerda.
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schmunzel, danke, Bruni! Schönen Sonntag dir!
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Für Dich und Deinen Mann auch, Gerda!
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Wunderbar! Sie hat Dich gezähmt 😉
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Ja, ja, so gehts. Lass dich auf ein Tier ein – und schon hat es dich am Wickel.
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😁
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Wenn sich die Geflügelten in mein Weinglas verirren, fische ich sie heraus und amüsiere mich köstlich, wenn sie wirklich betrunken sind und torkeln, ihre vielen Beinchen sortieren, sich versuchen zu putzen und da auch die Bewegungen noch nicht kontrollieren können. Irgendwann haben sie wieder Ordnung in ihren Gliedmaßen, die Flügel sind getrocknet und meist wird mit einem Summen fortgeflogen. Ob sie anschließend auch einen Brummschädel haben, weiß ich nicht -:))
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alles wie von dir geschildert, liebe Karin, nur amüsere ich mich nicht, denn die Armen betrinken sich ja nicht freiwillig. 😉
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Mehr oder weniger doch, denn bei den Wespen ist es ihr freier Wille ins Nasse zu klettern…
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