Die Rumpelkammer meiner Erinnerungen öffnete sich und heraus spazierte ein Lied:
„Wann wir schreiten Seit an Seit
Und die alten Lieder singen“
Daraus entstand dann eine Moritat über die Arbeitenden und die Profiteure. Danke, Christiane, für die Einladung, danke Ludwig, dem Etüdenerfinder, für die Wortspende. Die Wörter sind: Rumpelkammer, mutvoll, zehren. (Liebe Christiane, deine Bilder haben ein Format, das ich nicht öffnen kann, daher diesmal leider ohne deine.)
Ursprünglich war es ein Lied der Hamburger Arbeiterjugend, 1916 von Hermann Claudius gedichtet. Aber, so Vera Rosigkeit (zitiert nach Wikipedia): „Alle weltanschaulichen Richtungen konnten ihre Überzeugungen, Zukunftshoffnungen oder ihr ideologisches Gebräu in das leere Gefäß der ‚Neuen Zeit’ gießen“.[8]
Sie konnten es und sie taten es auch – von den jugendbewegten Wandervereinen der 20er Jahre über Hitler-Jugend und BdM über die katholische Jugend, die Falken und die FdJ bis hin zu den heutigen SPD-Größen. Alle sangen dies Lied, ein schönes Lied, ein garstig Lied. Ein wenig die Zeilen verändern – und schon passte es: „Mit uns zieht die neue Zeit! Mit uns zieht die neue Zeit!“ Ja, warum sollte es nicht auch die hier und jetzt weltweit regierende Anti-Virus-Koalition können? Schon dämmert eine neue „Neue Zeit“ am Horiont herauf. Verpassen wir sie nicht!
Seit an Seit in die Neue Zeit.
Eine Mori-Tat
IN DER
Rumpelkammer
der Geschichte
lagern Jammer
und Gedichte
Seit an Seit.
stets bereit
uns mit ühren
schönen Tönen
Zu verführen.
Ach wann ist
Die neue Zeit?
Leider ists
Noch nicht so weit.
Stets Verlierer
die Marschierer,
die so mutvoll
Ihren Blutzoll
Für den Fortschritt
Unter Qualen
treu bezahlen …
Nix als Bullshit!
Ach wann ist
Die neue Zeit?
Leider ists
Noch nicht so weit.
Und erneut
erklingt die Leier
du sollst zahlen
für die Geier.
Seit an Seite?
Jede Pleite
Zahlt der Arme
Gott erbarme!
Zahlt der Kleine
Ganz alleine
und ihm bleibt
vom Ruhm zu zehren
nur der Staub
mit Verlaub.
Ach wann ist
Die neue Zeit?
Leider ists
Noch nicht so weit.
Doch der welcher
Oben sitzet
Und schon jetzt
Sein Mündlein spitzet
Um den alten Marsch
Zu pfeifen
Und den Armen
Einzuseifen
Der wird immer
Oben bleiben
Und sich seine
Hände reiben.
Ach wann ist
Die neue Zeit?
Leider ists
Noch nicht so weit.
Wow! Du bist einfach super, liebe Gerda! Und du hast recht. Leider. Obwohl es manchmal andere Wenige nach oben spült, wie Revolutionen zeigen, sind es nie die Vielen, die mit der Hoffnung darauf vor Kanonen gelockt und ins Joch gespannt werden.
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danke, Elke. Klar, „der Arme“ und „der Reiche“, der „Große“ und der „Kleine“ sind Kategorien und keine konkreten Personen. Menschen sind sterblich. Aber die Verteilung bleibt dieselbe oder wird sogar von Krise zu Krise extremer. Ich las grad bei Mersmann (Form 7) zum letzten ILO-Bericht (International Labour Organization), was diese Krise für absehbare Folgen auf dem Arbeitsmarkt haben wird. Grusel. Liebe Grüße!
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Ein Genuss und Vergnügen, liebe Gerda! Guten Morgen 🙂
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Einen guten Morgen auch dir! Hier strahlt die Sonne von einem knallblauen Himmel.
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Hier auch, seit Tagen!
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Du hast so recht, und es macht so wütend. Und hinterher, wenn die Karre im Dreck steckt, war keiner schuld, und die „Kleinen“ haben doppelt das Nachsehen.
Das bekümmert mich mit den Illustrationen, liebe Gerda, denn ich habe nichts verändert. Andererseits, wer, wenn nicht du, kann so adäquat Abhilfe schaffen? Ich finde jedes Mal, dass deine Legebilder prima passen und deinen Etüden etwas ganz Besonderes verleihen.
Liebe Grüße
Christiane 😁☕🍪🌞🦋🌼👍
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danke, Christiane. Die Legebilder sind ein Teil meiner Kata-Strophen, sonst sind sie nicht komplett. Ich freu mich, dass du sie schätzt. Was deine Bilder angeht: ich habe heute dassebe Problem mit Ullis PingPong-Bild, keine Ahnung, was da los ist. Vielleicht wurde im Hintergrund bei euch etwas modernisiert, bei mir aber nicht?
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Du, ich habe in den letzten Tagen vereinzelt auch keine Pings bekommen (von mir inklusive). Ich bin sicher, dass WP irgendwas im Hintergrund umstellt (vermutlich updatet), kann dir aber nicht sagen, ob es was mit deinem Problem zu tun hat. Bei Gerhard gehen meine Bilder ja schon ein bisschen länger nicht mehr. :-((
Die Pings sind auf jeden Fall wieder da. Alles sehr merkwürdig.
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Ach, bei Gerhard auch nicht? Merkwürdig. …Mal sehen, ob es auch in anderen Fällen hapert. Ich habe die alte WP-Verion behalten, weil ich es hasse, technisch ständig Neues lernen zu müssen. Vielleicht liegt es daran? Gerhard, falls du hier mitliest: welche WP-Version benutzt du?
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Du kannst keine „alte Version“ behalten haben, liebe Gerda, wordpress.com updatet automatisch, darauf haben wir keinen Einfluss – oder was genau meinst du? Was du vielleicht noch hast, ist den alten Editor, und DEN verwende ich auch, bis er abgeschafft wird.
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Ich benutze leiderjetzt die neue.
Im Urlaub in fuerte hatte ich mal einen Artikel mit dem Handy bearbeitet und komme daher jetzt aus dem block- Editor nicht mehr raus.
Es geht einigermaßen, aber der alte Editor war besser.
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ja, den editor meinte ich.
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Eine sehr schöne Moritat, mir fehlt nur noch der Leierkastenspieler in gelegter Form 🙂
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du bist unersättlich, liebe Myriade. Nachher soll ich auch noch dazu singen 😉
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Jaaaa, das kann ich mir gut vorstellen, mit schaurig mahnender, monotoner Stimme 🙂
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mit heiser-krächzender würde mir leicht fallen.
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Das passt auch zum Thema 🙂
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Chapeau!
🌺🌺🌺 C’est absolument génial, chère Gerda 🌺🌺🌺
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Danke, Bettina 🙂
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Grossartig.
Ich schliesse mich der Vorstellung an, dass hier der typisch „brechtische“ Gesangsvortrag gut passen würde.
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und der Haifisch der hat Zähne…. ?
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Vor Kanonen gelockt wurde niemand, mein Onkel musste zur Front nach Russland und wusste in seinem heimaturlaub, das er nicht überleben könne. Drei Wochen lebte er noch…
Diese Einschätzung erzählte er meinem zukünftigen Vater.
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Im ersten Weltkrieg gab es anfangs noch Kriegsbegeisterung, die Freiwilligen strömten in Massen an die Front. Im 2.Weltkrieg waren die meisten schon klüger, und gingen nur, weil sie mussten. im dritten braucht niemand mehr zu gehen – da gibts zwar noch Berufssoldaten, aber vor allem Elektroniker, Biogenetiker, Physiker, Chemiker, Strategen, Geheimdienste, Medienmacher, Finanzhäuser etc, die den Krieg gegen Zivilgesellschaften aus sicherer Entfernung, sozusagen vom Home Office aus führen. Im vierten Weltkkrieg ziehen die Menschen dann wieder mit Steinen und Keulen aufeinander los.
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Das muß ich für mich nochmal prüfen, ob das tatsächlich im 1. Weltkrieg so war. Man HATTE da doch damals auch Kriegserfahrung, es gab ja keine Zeiten ohne Krieg, mit all den Verheerungen auch in der Zivilbevölkerung.
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DAS war so, Gerhard. Nicht anders!
Es war gruselig, dad alles nachzulesen und zu wissen, wieviele Dichter und Denker, Maler da schon weggestorben sind. Die Übriggebliebenen hatten nicht mehr alle Glieder. Mal verloren sie nur ein Bein und manche auch zwei. Und so viele abegrissene und abgetrennte Arme fehlten den Heimkehrenden und waren sie scheinbar unversehrt, dann hatte doch die Seele für immer Schaden genommen.
Sie waren das Kanonenfutter und Freiwillige fanden sich unter den Intellektuellen für den 2. dann nicht mehr und wenn doch, dann wußten sie sehr schnell, wie sehr man sie vera… hatte.
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Sicher gab es nicht nur Begeisterte, aber die gab es eben auch, und sogar in Scharen, sowohl in Deutschland und Österreich als auch auf der Seite der Allierten. Leider waren auch sehr interessante Maler und Dichter des Expressionismus darunter, die das erste Kriegsjahr nicht überlebten oder seelisch gebrochen zurückkamen. .
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MEIN Onkel WAR Maler und Musiker. Er war vermutlich der interessannteste Sproß.
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ja, Gerda, und August Macke z-B. fiel schon in den ersten Monaten…
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Wie wahr!
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Pingback: Schreibeinladung für die Textwochen 17.18.20 | Wortspende von Myriade | Irgendwas ist immer
Eigentlich ist die neue Zeit schon da und am Wirken, nur nicht durch die, die sie propagieren und instrumentalisieren, um selbst zu profitieren . „Wann wir schreiten Seit an Seit und die alten Lieder singen, fühlen wir: Es muß gelingen. Mit uns zieht die neue Zeit.“ Mit den Singenden gehe ich gern mit und hoffe, daß wir mithelfen, daß die Neue Zeit kommen kann, von einem Ideal geleitet. Ich glaube, daß das gelingen kann, aber ganz anders, als die Organisaroren der „Neuen Zeit“ es erhoffen.
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Da würde der Hermann Claudius sich im Grabe umdrehen, wenn er die Entwicklung (nicht nur der Sozialdemokratie) hätte mit erleben können bis in unsere heutiger Zeit!
Liebe Gerda, wieder einmal treffend auf den Punkt gebracht, dass die Strukturen sich über die Jahrtausende nicht geändert haben. Besonders verfestigt wurden sie ja, als die Kirchen vor gut 2.000 Jahren mächtig mitgeholfen haben, sie zu verfestigen. Die Zementierung von Gut und Böse, von untrennbar verbundener Allianz von Macht und geistiger Erpressung und das stete Hineintröpfeln in unsere Hirne, dass nur wer Opfer bringt, ein guter Bürger ist und nur wer heute alles gibt, dann morgen in einem fiktiven Nachher „belohnt“ werden wird.
Hinzu kommen die systematischen Ablenkungen durch Konsum, äußere Feinde (jetzt müssen wir zusammenstehen).
Es wird noch vieler tausender Schritte bedürfen (oder einiger weniger Katastrophen?), bis sich wirklich etwas ändert.
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Wann ist sie denn bloß, diese neue Zeit?
Die Zeit, in der wir wissen, JA, SO MUSS ES SEIN, NUR SO KANN GERECHTES UND GUTES GELINGEN.
Bisher ging Neues immer wieder in Kämpfen drauf und nie war es für alle Zeiten richtig und gut.
Vermutlich können wir Menschen das gar nicht schaffen.
Wie gut hast Du es auf die wichtigen Punkte gebracht, liebe Gerda. Ich wäre froh, könnte ich es auch nur ansatzsweise wie Du. Aber ich fühle das Falsche und erkenne Deine feine Ironie und kann Deinen Sarkasmus so gut verstehen.
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