Noch ein Versuch zu den Wörtern, die Bernd uns gespendet hat. Danke, Christiane, für deine treue Begleitung!
Diesmal habe ich eine den Wörtern eher angemessene Ernsthaftigkeit gesucht. Zur Hilfe kamen mir die Handstudien, die ich derzeit mache. Die für die Etüde ausgewählte Zeichung ist von heute, ich nenne sie „Flügelhände“ (eine digital bearbeitete Zeichnung).

„Flügelhände“, blauer Kugelschreiber, schwarzer Tintenstift, digital bearbeitet, gedreht. 2019-11-23
Den Unbehausten
„Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr…“
So murmelte die unbehauste Alte,
sie kannte das Gedicht, ach war das lange her
sie ahnte damals nicht dass es ihr galte.
Von Unbehausheit schien sie weit entfernt
Und Schwermut kannten nur die andern
Sie hatte nur den leichten Weg gelernt
Und die Natur, die liebte sie beim Wandern.
Sie naschte, was der Wald ihr brachte
Und haschte nach dem Licht, das leise
Durch Blätterdächer fiel und lachte
Und fühlte sich sehr leicht und weise.
Doch dann kam alles anders als gedacht
Sie blieb allein in ihrem Hause hocken
Seit ER ihr starb, hat sie nicht mehr gelacht
Und ließ sich selten noch nach draußen locken.
Bis dann auch dieses Haus ihr ward genommen
Weil alles Geld schon längst vertrunken war
Seither ist sie sehr weit herumgekommen
Doch war die Welt nicht mehr so wunderbar.
Die Nacht war kalt, der Morgen graut verdrießlich
Die Decke ist vom Grase feucht und schwer
Die Füße, wund vom Laufen schließlich
Sie weigern sich, sie wollen nun nicht mehr.
„Schwermütig, ach“, so seufzt die Alte wieder,
„schien mir das Lied, doch ahnt ich damals nicht
dass was sie sagen, diese alten Lieder
sich irgendwann ins eigne Leben flicht.“
Sie seufzt sehr tief und reibt sich ihre Augen
Die rot vom Alter und von Kälte sind
Besonders viel die Augen nicht mehr taugen
Doch immerhin sind sie nicht blind.
Sie schaut herum, sucht Stock und Tuch zusammen
Und schüttelt welkes Laub vom Haar
Und von dem Mantel und mit klammen
Händen rafft sie, was von der Habe übrig war.
Und schaut hinauf zum Himmel, der sich rötet
Im Morgenlichte wehen Wolken hin wie Hände
Im Walde knackt ein Ast, und eine Amsel flötet
Ach wenn das Morgenlicht doch niemals schwände!

„Flügelhände“, blauer Kugelschreiber, schwarzer Tintenstift, digital bearbeitet. 2019-11-23
Was soll man da noch sagen … bravo klatschen meine Hände.
Gefällt mirGefällt 3 Personen
🙂 danke, Lu Finbar!
Gefällt mirGefällt 1 Person
🌟🌟🌟
Gefällt mirGefällt 1 Person
Wunderbar! Es gibt har keine Worte mehr dafür, liebe Gerda! So ein Loslassen, so ein Freiwerden, so ein Fliegen gleichsam! So weich und rein und schön und liebevoll verstehend…, und nun diese
Farben dazu. Ich kann dies alles jetzt nur aus der Ferne bewundern. Gerade versuchte ich ,eine Deiner Hand-Zeichnungen , ohne Worte, hier zwischen die täglichen Sätze einzuschieben, was
leider mißlang und erst so bleiben muß bis zu Martins Rückkehr vom urlaub. Ja, so kann es kommen, wenn man/frau zu ungeduldig ist… Bitte denke es Dir schön!!🌹🌞🍃✋
Gefällt mirGefällt 1 Person
Liebe Gisela, danke. Dass es bei dir wieder nicht funktioniert, wollte ich dir schon sagen. Kommt Zeit, kommt Rat. Von Herzen, Gerda
Gefällt mirGefällt mir
Sind das eigentlich 2 Zeichnungen? Oder nur eine, einwenig verändert?
Gefällt mirGefällt 1 Person
Es ist zweimal dieselbe Zeichnung, einmal steht sie auf dem Kopf. Ich hab’s drunter geschrieben.
Gefällt mirGefällt mir
Ich mache mal wieder meinen Kotau vor Dir, liebe Gerda. Berührend traurig und eben nicht nur Dichtung sondern auch Realität.
Gefällt mirGefällt 2 Personen
Danke schön, Karin!
Gefällt mirGefällt 1 Person
Wieder mal ganz groß
Gefällt mirGefällt 2 Personen
Herzlichen Dank 😊
Gefällt mirGefällt mir
Viele von uns verloren früh den Lieben.
Den meisten ist zwar noch ein Dach geblieben.
Doch Unbehaustheit kann auch psychisch sein.
Dann ist man zwar bedacht. Aber allein.
Versucht vergebens, das, was war, zu haschen,
neu einzukaufen oder reinzuwaschen.
Schwermütig merkt man, dass die Zukunft schwindet,
wenn man dann nicht mehr sucht und nichts mehr findet.
Gefällt mirGefällt 5 Personen
Deine gereimte Antwort kann Christiane gleich als weitere Etüde mitzählen, Elke. Du sagst es: Viele der Menschen, die unbehaust sind, haben den Verlust eines Menschen nicht verkraften können. Zum Glück verlieren nicht alle ihr Dach über dem Kopf.
Gefällt mirGefällt 3 Personen
Ja, so kann es gehen, niemand weiß im Voraus wie er/sie auf einen Schicksalsschlag reagieren wird, auch wenn du und ich wissen, dass man sein Leben immer in den Händen hält …
Vielleicht erinnert man sich gerade dann nicht daran.
Ansonsten schließe ich mich hier dem Applaus für deine Etüde sehr gerne an.
Gefällt mirGefällt 4 Personen
Ja, sicher, Ulli, wir denken zwar, wir hätten unsere Reaktionen einigermaßen in der Hand – aber wetten würde ich nicht drauf. Zum Glück schaffen die meisten die Kurve und gehen nicht zu Grunde.
Gefällt mirGefällt 2 Personen
Dein Text ist großartig und sehr berührend und beeindruckend, liebe Gerda, aber er macht mich traurig, weil ich ihn so leicht nachvollziehen kann. 😢
Liebe Grüße
Christiane, die bei „treu“ immer an „Hund“ denken muss 😉
Gefällt mirGefällt 3 Personen
Ach, Christiane, auch Menschen können treu sein. Ob das immer gut für sie ist? Es ehrt sie auf jeden Fall.
Gefällt mirGefällt 3 Personen
Oh ja, das Unbehaustsein als Grundgefühl unserer Zeit oder vielleicht des Menschseins überhaupt? …
Und doch gibt es Geborgenheit und Hoffnung …
Ein wunderbares, melancholisch-schönes Kleinod in Wort und Bild, liebe Gerda!
Gefällt mirGefällt 3 Personen
Danke Marion. Es war wohl immer schwierig. und immer gab es auch Geborgenheit und Hoffnung.
Gefällt mirGefällt 2 Personen
wünsche dir Gesundheit und wenn nötig gute Besserung, Klaus
Gefällt mirGefällt 1 Person
Wie wundervoll hast Du den Unbehausten ein Denkmal gesetzt, liebe Gerda.
Es gibt so viele Gründe, warum ein Menschen plötzlich kein Dach mehr über dem Kopf haben kann und der Verlust eines geliebten Menschen wirft schnell aus der Bahn. Auch ehemals gefestigte Menschen trifft es. Ist die Seele verletzt, kann so vieles geschehen.
Das Morgenlicht bedeutet Hoffnung, Deine Flügelhände rahmen wunderschön und dezent Deine Zeilen ein.
Gefällt mirGefällt 2 Personen
danke, Bruni. Niemand weiß, ob er oder sie einen schweren Schicksalsschlag heil übersteht. Es gibt da die Geschichte von Hiob, der alles verlor und am Ende in Lumpen dasaß, verlassen von allen Freunden, nur den Glauben (an wen? an sich selbst?) verlor er nicht….Deshalb konnte er sein Leben neu beginnen.
Gefällt mirGefällt 1 Person
ja, die berühmteste Geschichte…
Er hatte diese Hoffnung, wie sie Gläubige haben können. Kommt einem Hoffnung abhanden, siegt sie Schwärze… Aber es kann sich ändern.
Gefällt mirGefällt mir
Pingback: Fazit Textwochen 47.48.19, willkommen Adventüden! | Irgendwas ist immer