Erstarrte Form.

Joachim Schlichting fragte im Kommentar zur vorgestrigen Zeichnung:  „Warum faszinieren uns vertrocknende Blätter? Gezeichnet noch mehr als fotografiert. Sehen wir darin mehr als es ist: ein Zerfall in anorganische Bestandteile?“

Ich freute mich über diese Frage, denn nun konnte ich doch einmal erklären, was mich an dem Thema grad fasziniert: Die Form, die sie sterbend annehmen. Sie rollen sich ein und erstarren. Das gelbe Blatt rollte sich vollkommen ein, das grüne blieb auf halbem Weg stehen und das rötlich-grüne bog nur die Ränder auf und erstarrte in dieser Gebärde. Die Blätter sind nun Skulpturen, sehr leicht und fest trotz ihrer anscheinenden Fragilität.

Hier eine Bearbeitung, die die Bewegung des Einfaltens verdeutlicht.

Als ich sie gestern Nacht zeichnete, setzte ich eine Muschel dazu, denn mir schien fast, das gelbe Blatt (zwei Mal gezeichnet) ahme eine Muschelform nach. Die Muschel wurde durch das lebende Tier abgeschieden, daher ist ihre Form perfekt. Das Blatt aber stirbt, ihm fehlt die formende Kraft, und so kann es sich nur zusammenziehen und einrollen gemäß den im Leben gebildeten Strukturen.  Ich setzte dann noch einen Zapfen dazu. Die einst perfekte Form, die wie die der Muschel der Fibunacci-Spirale folgt, ist nun aufgebochen und kaum noch erkenntlich. Sie ist im Aufblättern erstarrt und hart geworden.

Hier noch mal zwei Bearbeitungen, die die „Skelette“ der Objekte hervorheben.

 

 

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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12 Antworten zu Erstarrte Form.

  1. Susanne Haun schreibt:

    Mir gefällt besonders die letzte Version deiner Zeichnung, das fragile kommt dort besonders zur Geltung.

    Gefällt 2 Personen

  2. puzzleblume schreibt:

    Mir scheint, indem Augenblick des Wasserverlustes bekommt unsere Wahrnehmung über die Augen zum einen weniger irritierende kleine Lichtreflexe zu verarbeiten und zum anderen durch das Austrocknen auch sonst verknappte, vereinfachte Strukturen. Die Zeichnung ahmt diese eliminierenden Prozesse ohnehin schon nach, und Zeichnungen von trockenen Blättern können der menschlichen Wahrnehmung aufgrund der strengeren Farb- und Lichtunterschiede der natürlichen Vorlage noch stärker abstrahiert-eindeutige Abbildungen anbieten.

    Gefällt 1 Person

    • gkazakou schreibt:

      danke! stimmt schon, es finden auch in der Natur Abstraktionsprozesse statt. Und die können in der Zeichnung herausgearbeitet werden. Insofern ist es leichter, von Leben entbößte Strukturen zu zeichnen als Lebensvolles. Irritierend finde ich die Lichtreflexe an lebendigen Blättern freilich nicht. 🙂

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  3. kunstschaffende schreibt:

    Das letzte bearbeitete gefällt mir sehr gut!👏👏👏👏👌👍

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    • gkazakou schreibt:

      Danke Babsi. Ich bin immer erstaunt zu sehen, was in einer Zeichnung steckt und hervorgezaubert wird, wenn ich Filter benutze und die Farben verändere, Die Zeichnung verändere ich ja nicht.

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  4. Ulli schreibt:

    Es sind die Skelette, die am längsten bleiben, bei den Blättern, wie bei den Wirbeltieren, bei anderen bleibt dann das Gehäuse, das ist das was mich gerade beschäftigt (habe ich so noch nie drüber nachgedacht) – Knochenund die Gehäuse von Schnecken und Muscheln haben einen hohen Kalkanteil, aber was haben nun Blätterskelette? Nachdenklich guck …
    Ich mag die erste Fotobearbeitung sehr, sie ist so wunderbar weich, wie das Herbstlicht.

    Gefällt 1 Person

  5. www.wortbehagen.de.index.php schreibt:

    Die erste Bearbeitung zeigt das sich so unterschiedlich Verändernde sehr gut. Daß es solche Unterschiede gibt, war mir bisher gar nicht bewußt. Auf Deiner feinen Zeichnung ist es gut zu sehen, das Einrollen, von beiden Seiten, das dann in dieser Starre verharrt, das totale Zusammenrollen, ein bissel so wie eine dicke lose gerollte Zigarre und dann das Blatt, das die Muschelform nachahmt. Und in aller Vergänglichkeit immer wieder diese wundersame Schönheit in der Natur. Ich bin fasziniert.

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  6. gkazakou schreibt:

    danke Bruni. Genauso wie ein Tabakblatt, daran dachte ich auch, diese Hüllblätter der Zigarren. Ja, und das eine Blatt ahmt doch wirklich die Muschelform nach, ich freu mich, dass du das auch siehst. Hab eine gute Nacht!

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