#inktober and #inktober2018.
Alles, scheint mir, ist zerbrechlich. Aber manches zeigt uns seine Zerbrechlichkeit deutlicher als seine robusteren Zeitgenossen.
Nehmen wir dies Bild: die runde Vase mit dem Stechapfel – wie zart und zerbrechlich wirkt sie angesichts der kräftigen Borke und der noch kräftigeren Palmstammschuppe.
Hier ist die Zeichnung gleich noch einmal in der originalen Fassung als Bleistiftzeichnung zu sehen, darunter der Nilgeist, zu dessen Füßen ein vertrocknetes Feigenkaktusblatt eine Fuhre höchst zerbrechlicher Muschel- und Schneckenschalen transportiert. Oder ist das filigrane Stück Borke auf der dritten Zeichnung etwa doch noch zerbrechlicher?
Am Ende ist es eine Frage der Behandlung: auch das Zarteste kann lange und sicher bestehen, während das anscheinend Robuste, wenn man unachtsam mit ihm umgeht, in Stücke springen kann.
Zur Vertiefung noch ein Gedicht, das uns im Französischunterricht nahe gebracht wurde:
Le vase brisé
Le vase où meurt cette verveine
D’un coup d’éventail fut fêlé ;
Le coup dut effleurer à peine :
Aucun bruit ne l’a révélé.
Mais la légère meurtrissure,
Mordant le cristal chaque jour,
D’une marche invisible et sûre
En a fait lentement le tour.
Son eau fraîche a fui goutte à goutte,
Le suc des fleurs s’est épuisé ;
Personne encore ne s’en doute ;
N’y touchez pas, il est brisé.
Souvent aussi la main qu’on aime,
Effleurant le coeur, le meurtrit ;
Puis le coeur se fend de lui-même,
La fleur de son amour périt ;
Toujours intact aux yeux du monde,
Il sent croître et pleurer tout bas
Sa blessure fine et profonde ;
Il est brisé, n’y touchez pas.
Meine etwas holprige Übersetzung:
Die angebrochene VaseDie Vase, in der dies Eisenkraut welkt,
wurde durch den Schlag eines Fächers verletzt,der Fächer hat sie kaum berührt:kein Laut hat den Riss begleitet.
Doch die leichte Wunde,die jeden Tag am Kristall nagt,hat in unsichtbarem, sicherem Gangseine Runde gemacht.Ihr frisches Wasser ist Tropfen um Tropfen herausgesickert
der Saft der Blumen hat sich erschöpft,noch ahnt es niemand:sie ist zerbrochen, berührt sie nicht.Oft ist es auch die Hand, die man liebt,die das Herz streift und es verletzt,wie von selbst entsteht im Herzen ein Riss,die Blüte seiner Liebe welkt.Intakt für das Auge der Welt,fühlt es tief in sich die feine tiefe
Wunde wachsen und weinen.Es ist zerbrochen, berührt es nicht.
Erstaunlich, was man zu deinen Schulzeiten als geeignete Literatur für Jugendliche betrachtete 🙂
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Ich hatte Französisch nur in der gymnasialen Oberstufe. Und unsere Lehrerin liebte solche Gedichte.
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Wie recht Du doch hast, liebe Gerda. Das Zerbrechliche, das lebenslang Kränkelnde lebt lange und der ach so robuste Partner stirbt zu aller Überraschung schon früh…
Es ist ein wundervolles, sehr einfühlsames Gedicht, das einen winzigen Riß beschreibt, der unbemerkt immer größer wird und am Ende fehlt den Blumen das lebensnotwendige Naß. Es ist durch den Riß hindurchgesickert und die darunterliegende Tischdecke mit der feinen Stickerei ist total durchnässt…
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Was für tiefe Zeilen!
Was für ein tiefes Thema und was für wundervolle Bilder dazu! Gedanken auch.
Die Palmschuppe, sie ist zerbrechlich, wie auch das Glas, alles ist eine Frage der Zeit, nicht wahr? Wasser höhlt Felsen, Wind biegt Bäume …
liebe Grüße, Ulli
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… der Zeit und vor allem der Einwirkungen, der Behandlung, denke ich.
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