Gestern zeigte ich den unschuldigen Trick, was geschieht, wenn man ein Bild auf den Kopf stellt. Irgendwo auf diesen Blogseiten habe ich auch mal erwähnt, welches das Aha-Erlebnis war, das den Startschuss für die abstrakte Malerei lieferte: Wassili Kandinsky kam heim in sein Atelier und fand dort ein wunderschönes Werk vor, das herrlich von der tief stehenden Sonne beschienen wurde. Er war bezaubert. Nun, es war sein eigenes Werk, auf dem Kopf stehend. Er hatte es nicht erkannt. Befreit von dem Zwang des Dargestellten konnten sich Formen und Farben frei entfalten.
Dies vorweg, denn heute drehe ich noch einmal ein Bild um. Diesmal aber nicht nur mechanisch, sondern auch inhaltlich, stimmungsmäßig – kurzum, in vielen Hinsichten.
Dies nannte ich „Hafenbild“. Die für mich eher ungewöhnlichen lebhaften Rot- und Blautöne, das Ineinandergreifen geometrischer und frei sich ausbreitender Flächen gefiel mir. Über dem Bild lag ein heiteres Licht. Oha, sagte ich, das Bild hat was!
Doch wie es mir oft ergeht: Eines Tages mochte ich es nicht mehr. Meine Seelenstimmung war einen andere, und ich übermalte es. In der zweiten Phase sah es dann so aus.
O weh! wo war das heitere Licht geblieben, das optimistische lebensvolle diesseitige Rot? Alles war ins seelentiefe Blau gefallen.
Ließ ich das Bild nun in Ruhe? Nein. Noch waren seine Möglichkeiten nicht ausgelotet. Eines Tages stellte ich es auf den Kopf und fand nun, dass dieser verschwiegene Ort an einer steilen Küste lag. Vor die Häuserzeile schoben sich Boote, Schiffe, deren Masten und wirres Takelwerk sich gegen die Lichter der Stadt abhoben. Auf einem Berghang und auf einem hellen Stück der Küste hielt sich noch ein wenig Sonnenlicht, während der Rest in bläuliche Schatten sank.
Fast, dachte ich, könnte es so bleiben. Noch ein wenig Verdichtung, eine kleine Beruhigung des Wassers. Die Masten weniger ragend, gemildert die Schärfen im sinkenden Tag, heller die Steilküste. Grau das Wasser, das keine Spiegelungen mehr aufnimmt.
Um die Komposition zu überprüfen, drehte ich das Bild noch einmal um. Da überkam mich das Bedürfnis, die Häusermassen (vormals Schiffe) stärker zusammenzufassen und ihnen mehr architektonische Substanz zu geben: sie wurden zu 3-dimensionale Kuben. Das Licht verließ den Himmel und leuchtete jetzt nur noch auf einer Fassade und auf dem Gewässer, in dem die Spiegelungen mit der Häuserfront dunkel zusammenflossen. Eine Linie im Vordergrund wurde zum Umriss eines Bootes.
Stiller Frieden und ein leichtes Frösteln vor dem Einbruch der Nacht. Verlassen liegt der Kahn. Das fröhlich lärmende tageshelle „Hafenbild“ hat sich in mehreren malerischen Schritten zum geheimnisvollen Abendbild gewandelt. Wie es ja auch in der Wirklichkeit geschieht, wenn der Tag geht.
Nun Gute Nacht. Möge morgen wieder das helle Tageslicht herrschen, uns zur Freude.
Interessante Metamorphosen !
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Dem letzten Satz ist nichts hinzuzufügen.
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🙂
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Einfach genial! Was werden kann, wenn man sich einlässt.
Wobei mir jede Phase gefällt!
👏👌
Eine gute Nacht!
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Großartig, wie sich da die Stimmung verändert hat.
Das Experiment, das Bild einfach umzudrehen und damit Möglichkeiten der Veränderung zu schaffen, ist voll geglückt.
Ich habe mal ein Paris-Bild gemalt in Acryl, was mir nicht gefiel. Es stand ewig in der Ecke herum und wirkte nicht fertig, leblos irgendwie.
Nach zwei Jahren drehte ich es zwar nicht um, änderte aber die Farben, malte alles dunkler, blauer … und plötzlich hatte ich ein Nachtbild. Es war fertig geworden – und es lebte.
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man muss den Mut haben, seine eigenen Bilder weiter zu bearbeiten und notfalls kaputt zu malen (was mir nicht selten passiert). Wenn es wie bei deinem Bild zum gewünschten Ergebnis führt, fühlt man sich bestätigt, und ist beim nächsten Mal mutiger.
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Ganz genau. Bei meinem Paris-Bild war das so, dass es mir sowieso nicht gefiel – ich wollte es nicht an der Wand haben. Bei deinem schönen Vorher-Bild mit den Rottönen (das ja in sich sehr schön war, sehr stimmig), braucht es viel mehr Mut zur Veränderung.
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alles enthalten, das Rot, – wenn auch nicht mehr sichtbar- nichts verloren, es zeigt sich nur in anderer Form, diesseits und jenseits – alles Eins. Eine feine Lektion, danke
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ein feiner Kommentar! es stimmt, das Rot bleibt erhalten, ist nun untergründig wirksam.Danke Marie!
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oh, oh, da gerate ich aber sehr in eine enge Zwickmühle, liebe Gerda.
Ich sah Bild Nr. 1 und freute mich über
das heitere Licht, Dein optimistisches lebensvolles diesseitiges Rot und schon stellst Du meine errötete Freude auf den Kopf, weil Du um Längen mutiger wars als ich, wenn ich so etwas je gekonnt hätte…
Ich hätte gezaudert und laaaange überlegt und dann vielleicht meine Pinsel zur Seite gelegt *schmunzel*
Ok, ich ging Deinen Weg mit Dir, sehr gespannt, was Du noch zeigen würdest
und stellte fest, ich vermisste das heitere Rot nicht, denn ein gar zu seliges Blau hatte es wundervoll überboten.
Aber nun wird die Zwickmühle enger und enger und ich gestehe, ich kann mich nicht entscheiden, was ich (natürlich völlig subjektiv und nie anders gesehen) am angenehmsten empifnde.
Nur eines weiß ich genau, Herr Kandinsky hatte völlig recht und Du eilst ihm nach – wenn auch mit ganz anderen Schritten, weiblicheren?
Einen schönen guten Morgen, liebe Gerda
Bruni, noch mit leisen Nachwehen eines miesen Infektes
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welches Bild ist denn am heilsamsten in Zeiten eines miesen Infekts? Oder sind sie da wertneutral?
Was die Zwickmühlen anbetrifft, so muss man damit leben 😉
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tja, ich glaube tatsächlich, liebe Gerda, nachdem ich sie mir alle immer wieder angesehen und mich immer wieder umentschieden habe, es ist das, was Du am Ende gelassen hast.
Lächelnde Abendgrüße von Bruni
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Hat dies auf haluise rebloggt.
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grandios, fünf Bilder und doch nur eins, sollte ich wählen, würde ich mich für Bild 3 und 5 entscheiden …
liebe Grüsse
Ulli
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Herzlichen Dank für dein Votum, liebe Ulli. Ich kann das nachvollziehen. Liebe Grüße! Gerda
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Mir gefallen die Bilder, ich bin halt „old fashioned“ (lach).
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alle miteinander?
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Bild 1 am Besten
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danke für dein Votum, kormoranflug!
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