
Eine düstere, pompöse Fassade im neugothischen Stil, etwas angeschwärzt ich weiß nicht von welchen Feuern, vielleicht auch nur von den Abgasen der Autos und Kamine. Auf dem breiten umlaufenden Sims drei männliche Figuren: Sensenmann, Batman und Superman. Vor den blinden Fenstern die Inschrift „Give blood!“. Es ist das erste Foto deiner „Impulswerkstatt“, liebe Myriade, und Zeit, mir etwas dazu einfallen zu lassen.
Was sind das für Mächte, die sich da hinstellen und mein Blut fordern? In gewisser Weise sind sie eine moderne Variante von „Ritter, Tod und Teufel“.

Collage aus Dürers Kupferstich und meinem Foto,
Den Tod erkennt man normalerweise am Totenschädel, dem Gerippe und der Sense, mit der er die Menschen unterschiedslos niedermäht. Er kann in verschiedenen Verkleidungen antreten.
Die Mexikaner haben daraus eine richtige Kunst gemacht. Ich bewunderte einige verkleidete Gerippe bei meinem Besuch in Mexiko-Stadt, an Tagen, als man die Todin (la muerte) feierte.


Der Wiener Tod auf dem Sims ist dagegen ein recht simpler in Europa heimischer Kapuzenmann. Er verbirgt seine knöcherne Gestalt in einem weiten dunklen Mantel und hält die Sichel dezent und wie prüfend vor die Augen: ist sie auch scharf genug geschliffen? Dieser Tod möchte nicht erkannt werden, er bevorzugt die heimliche Aktion, so als wäre Tod etwas Unschickliches geworden. Und das ist er ja auch: Nicht mehr tanzt er nackt und vergnügt durch die Straßen wie einst im Mittelalter, als die Pest umging, vielmehr hat er sich in Krankenhäuser und Sterbekliniken zurückgezogen, um fern der Aufmerksamkeit der umtriebigen Welt sein trauriges Handwerk auszuüben. Alle wissen vom Tod, aber niemand will ihn wahrhaben.

Der Tod, nach Dürer.
Und wer sind die beiden anderen Gestalten? Ich bin kein Experte der aus den USA importierten Comic-Helden, aber mir scheint der zweite der Batman – der Fledermausmann also – zu sein, von dem man sagt, er stelle mit oft brutalsten Mitteln Gerechtigkeit her, indem er Verbrecher ihre „verdiente Strafe“ angedeihen lässt. Er ist Richter und Henker in einer Person – was bei vielen, besonders aber in der US-Kultur als erstrebenswert gilt. Wenn man’s genau bedenkt, gleicht er dem Teufel. Denn ist nicht auch der Teufel Richter und Henker zugleich und hat sein Vergnügen daran, Bösewichter im ewigen Feuer zu braten?
Der Dritte namens Superman ist ein Muskelpaket und Helfer der Bedrückten, eine primitiv-sportliche Abart von Nietzsches Übermensch. Auch er gehört unbedingt zur US-Kultur, die sich über den ganzen Erdball verbreitete. Zuvor hatte eine andere Version des „Übermenschen“ schon den deutschen Geist infiziert. In dem lesenswerten Wikipedia-Artikel zum Stichwort „Übermensch“ stieß ich auf ein Zitat aus Fontanes Roman „Der Stechlin“ (1897): „Jetzt hat man statt des wirklichen Menschen den sogenannten Übermenschen etabliert; eigentlich gibt es aber bloß noch Untermenschen, und mitunter sind es gerade die, die man durchaus zu einem ‚Über‘ machen will….“
Der Superman ähnelt dem mittelalterlichen Ritter, nur dass er übermenschliche Kräfte besitzt und daher kaum gefordert ist, wenn er den Guten zu Hilfe eilt und die Bösen zusammenschlägt. Kinder lieben diese Figur, denn sie hilft ihnen, ihre kindlichen Allmachtsfantasien auszuleben, auch oder gerade weil sie in Wirklichkeit ohnmächtig sind. Die US-Kultur ist, so meine ich, durch und durch kindlich, doch zugleich mit Mitteln ausgestattet, die ihre omnipotenten Fantasien höchst gefährlich für die Welt machen.
Und die Moral von der Geschicht?
Den Tod verdrängen hilft dir nicht!
Sei stark und mutig, doch kein Held
und glaub nicht, dass die ganze Welt
auf dich gewartet, damit endlich
das Recht regiert. Ist zwar verständlich
dass man das Böse nicht goutiert,
doch schnell zum Bösen der mutierst
der über andere Menschen richtet.
Nun aber Schluss! Genug gedichtet!

So ein ganz typischer Gerda-Artikel ist das: weit ausholend und vielfältig illustriert. Danke schön. Näher interessieren würde mich noch die Überlegung, dass die US-amerikanische Kultur gerne Richter und Henker in einer Person sieht ?
Das Haus steht übrigens in Dublin und beherbergt eine große Blutspendezentrale
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O, danke: Dublin! Ja, das passt auch irgendwie besser als Wien. Das mit dem Richter und Henker: damit meinte ich eine Politik, die festlegt, wer der Täter ist (Achse des Bösen) und ihn dann auch sogleich bombardiert. Beispiel Serbien, Irak, Afganistan, Libyen, Yemen…
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Ach so …..
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