Von Ameisen und Menschen II (abc-etüde, gereimt)

Am Ostermontag stand ich noch etwas verschlafen vor dem Bücherregal der Freundin, in deren Wohnung wir übernachten durften. Da fiel mir ein dicker Buchrücken auf, denn darauf stand das Wort „Ameisen“.

Ich zog das Buch heraus, legte es vor mir auf den Schreibtisch.

Blätterte ein wenig. Staunenswerte Zeichnungen gab es da, und Fotos gab es auch. Ich begann zu lesen und staunte immer mehr. „Die Entdeckung einer faszinierenden Welt“ versprach der Untertitel. Und das war wirklich nicht übertrieben. (unbezahlte Werbung)

Ich hatte keine Zeit, das ganze Buch zu studieren. Aber der Impuls war gesetzt, einen zweiten Beitrag für Christianes abc-etüden zu schreiben. Die Wörter dafür hat der „Schreibenblog“ spendiert. Sie lauten

Ameise – unmenschlich – quellen.

eigenes Foto

 

Von Ameisen und Menschen II.

Weißt du, wer die Herrscher auf Erden sind?

Der Mensch, so meinst du wohl, mein Kind.

 

Doch gibt’s daneben nen anderen Herrn

Den haben die Menschen nicht allzu gern

Das sind die klitzkleinen Ameisen

Du siehst sie erst, wenn sie an eben den Stellen

Auf denen du sitzt, plötzlich wimmelnd vorquellen

Und sich stürzen auf deine Leibspeisen.

 

Wie schaffen sie’s bloß, dass sie überall leben

Und niemals eroberte Räume aufgeben?

Sind wir nicht die Riesen und Zwerge sind sie?

Fast scheint’s mir unmenschlich, wie sie da marschieren

Und tapfer auch Mauern und Gräben passieren

Und immer vorangehn, ermatten sie nie?

 

Mag sein, sie ermatten, mag sein, dass sie sterben

Doch immer wird ihre Art sich vererben

Im Großen und Ganzen, zu dem sie gehören

Da wimmeln die Schwestern und bauen die Nester

Und hüten und schützen die Kleinen, mein Bester,

und wenn wir Menschen die Nester zerstören

 

Dann ziehen sie um, beginnen von vorn

Sie schaffen und bauen und schleppen das Korn

Und schleppen die Fliege und melken die Laus.

Die Königin nur, die muss überleben

Denn ohne würd’s keinen Nachwuchs mehr geben

Leer stünde der Hügel, und das Leben wär aus.

 

Die Ameisen erfanden ein soziales System

Das ist für die Vielen vielleicht unbequem

Dem Ganzen jedoch bringts Gewinn.

Heißt das nun, wir sollten den Ameisen gleichen

Mit vielen Arbeitern und wenigen Reichen,

Wo nur der Staat zählt und nie das „ich bin“?

 

Gemeinschaftlich handeln, das sollten wir auch

und uns nicht nur füllen den eigenen Bauch.

Doch Ameisen wolln wir nicht werden.

Ameisen sind ein andres Geschlecht

Ihr Kollektivismus ist artgerecht

und ist für sie nützlich auf Erden.

 

Der Mensch sei sozial, er sei gleich und doch frei.

Dafür wurd gekämpft und wir bleiben dabei

Wir wolln keine Ameisen werden.

296 Wörter

eigene Zeichnung

 

Avatar von Unbekannt

About gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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6 Responses to Von Ameisen und Menschen II (abc-etüde, gereimt)

  1. Avatar von wildgans wildgans sagt:

    Eigenes Foto, eigene Zeichnung und eigene Gedanken, genug und gut. Kein einfaches Thema, da sie zur Plage werden können!
    Dazu fällt mir Peter Lustig ein, der zeigte, wie man mit Streichholzschachteln und anderem Papier eine Straße für Ameisen baut mit einem Marmeladenklecks als Ziel…

    Gefällt 1 Person

  2. Avatar von Christiane Christiane sagt:

    Ich fand Ameisen schon immer faszinierend, wusste aber, dass man ihnen besser aus dem Weg geht, weil es einfach zu viele sind, wenn man ihnen in die Quere kommt.
    Bis ich eines Tages entdeckte, dass eine Ameisenstraße am Futternapf eines gewissen Fellträgers endete und ich in Wallung kommen musste … 😉
    Danke dir für die Etüde, ich mag wieder mal dein Gereimtes sehr.
    Nachtgrüße 🍵🥱😴

    Gefällt 2 Personen

  3. „Sozial, gleich und frei“ – stimmt das? Jedenfalls wollen wir Menschen keine Ameisen sein, werden aber oft wie solche angesehen und behandelt.
    Was wir heute aber haben, ist weder das eine noch das andere: Kein funktionierendes Staatsgefüge, aber auch kein Mit- und Nebeneinander freier Geister.
    Aber alle wollen wir gleiche Rechte haben und jedenfalls besser behandelt werden als Ameisen.
    So prosaisch klingt das schwerfällig. In lyrischer Form wirkt es leichter.😊🌿

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  4. Avatar von Unbekannt Anonymous sagt:

    Ich mag sie lieber aus der Ferne, bewundere aber, wie fleißig sie sich ihre Welt erschaffen❣️

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  5. Pingback: Wenn Wörter Türen öffnen - Gabriella Rauber

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