Tagebuch der Lustbarkeiten: Henry Moore’s Kunst betrachten

Heute fuhr ich wieder nach Athen rein, diesmal, um Werke von Henry Moore anzuschauen. Und es lohnte sich. Das villenartige Gebäude der Galerie Gagosian am Rande des Lykabettos ist im Inneren ein weißes schlichtes Gehäuse, das sich vortrefflich für den Ausstellung von Skulpturen eignet – bis zu einer mittleren Größe freilich nur. Eine riesige Skulptur hat man vor dem Eingang platziert. 

Skulpturen müssen genug Raum um sich haben, um zu wirken. Und dieser Raum sollte so gestaltet sein, dass das Auge nicht abgelenkt wird.

Die meisten Exponate waren verständlicherweise Kleinplastiken in Schaukästen, was ich weniger attraktiv finde.

In dieser Galerie empfinde ich die intime Atmosphäre als sehr angenehm. Man zahlt keinen Eintritt, aber Besucher gibt es trotz der hochrangigen Kunst kaum. Wunderbar still ist es, und man kann sich völlig frei bewegen.

Um Skulpturen richtig wahrzunehmen, ist es notwendig, dass man um sie herum gehen und sie aus verschiedenen Distanzen und Blickwinkeln betrachten kann. Diese wundervolle Sich-Zurücklehnende habe ich gleich fünf mal fotografiert.

Lebhaft musste ich an meine Freundin, die mexikanische Bildhauerin Helen Escobedo denken, die mir bei einem Besuch im Museum für Anthropologie in Mexiko-City den aztekischen Sich-Zurücklehnenden zeigte und mir erzählte, dass ihr Lehrer, Henry Moore, sich von diesem zu seiner Zurücklehnenden hat inspirieren lassen. (Leider kann ich das entsprechende Foto nicht finden).

Eine abstraktere Sich-Zurücklehnende war auch unter den Exponaten.

Eine ähnliche Skulptur habe ich mal als Pinselzeichnung kopiert.

Henry Moore

Die Zeichnungen Moores haben ihren eigenen Charme. Man fühlt darin seine Hand und seine Freude an weiblichen sich rundenden Formen, die er dann in seiner Plastik zurück ins Dreidimensionale übersetzt. 

Er zeichnete meistens mit weichem Bleistift und lockerer Hand.

Die Frauen, die Wolle aufrollen, hatten es mir besonders angetan. Hier benutzt er außer Bleistift auch Ölkreide und Wasserfarben.

Lange stand ich davor und ließ mich in die strudelnde Bewegung der Linien hineinziehen. Die Hände stehen still, die Wolle auch, aber die Bewegung des Aufrollens hat sich in die Poren der Frauengestalten eingenistet und spielt zwischen ihren Knien hin und her wie Wasser, das zwischen zwei Felsen sprudelt und ein Strömungsmuster bildet.

Auch die Zeichnung eines Gesichts, über das sich gelbe und weiße Bänder legen, die die Dreidimensionalität greifbar machen, interessierte mich.

 

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About gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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8 Responses to Tagebuch der Lustbarkeiten: Henry Moore’s Kunst betrachten

  1. Die Skulptur „Sich-Zurücklehnende“ irritiert mich. Diese Vermengung von Abstraktion und Realismus.

    Das Kind scheint völlig naturalistisch, dagegen große Teile der Mutter „abstrakt“, nur der schützende Unterarm ist realistisch.

    Vielleicht weiß ich zu wenig über Moore, das kann sein. Meine Sozialisation mit Plastiken setzt später an. Etwa mit Ypousteguy.

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  2. henry moores plastiken mag ich.

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  3. Faszinierend. Auch ich kann nicht mit jeder Plastik – oder auch der notwendigerweise einschränkenden fotografischen Wiedergabe – gleich viel anfangen. Aber der Schwung Moores ist zu spüren, der ja die Rundungen fortzusetzen scheint, ihnen genau das gibt, Raum. Womöglich ins Unendliche sich weitend.

    Was natürlich das kleine Bildformat hier anreigte, dass ich bei dem Kopf neben der abstrakteren Zurückgelehnten an Nofretete erinnert wurde.

    Gerade im Urlaub in Norddeutschland haben wir auch schon mehrfach kleine Museen oder temporäre Ausstellungen entdeckt, die auf Eintritt verzichteten und in fast beschaulich zu nennendem Rahmen kleine, wenig besuchte (das ist ein Riesenvorteil) Ausstellungen anboten.

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  4. Vielen Dank für die eindrucksvolle Führung durch eine eindrucksvolle Ausstellung. Henry Moores Werke kenne ich bislang nur von einzelnen Exponaten im öffentlichen Raum.

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  5. Ich kenne vor allem seinen Namen, sah bisher aber kaum eine Plastik von ihm.
    Die Rückenansicht mit dem Farn, der vielleicht darauf hindeuten soll, wie sehr wir Teil der Natur sind, mag ich sehr, liebe Gerda.

    Ist es Deine eigene Pinselzeichnung, die Du hier zeigst?
    Unter dem Bild steht Henry Moore, das verunsichert mich ein bissel.

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  6. Avatar von pflanzwas pflanzwas sagt:

    Die Zeichnungen gefallen mir gut. Besonders gelungen finde ich auch deine Aufnahmen, die die Figuren noch mal auf spannendere Weise wiedergeben. Es ist wie eine eigene Bildkomposition. Ich weiß nicht, ob mir die Figuren alleine gefallen würden, so, wie du sie im Raum aufgenommen hast, finde ich sie noch mal interessanter. Deine Pinselzeichnung gefällt mir ebenfalls gut und ist eine schöne Ergänzung zu den anderen Zeichnungen von Moore.

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