Kein Abendbrot. Die Tragödie eines Dicken. (abc-etüde)

Christianes Schreibeinladung zu den abc-etüden, mit Wörtern von Puzzleblume ist in die letzte Woche gegangen – Zeit für einen zweiten Anlauf auch von mir.

Diesmal gehts ums Abendbrot und darum, dass es echt gemein ist, ohne zu bleiben.

Die Nacht ist angebrochen, die Kerze entzündet, aber die Liebste hat das Abendbrot nicht aufgetischt. „Du bist zu dick“, sagt die Liebste. „Du weißt, was der Arzt sagt! Nach Sonnenuntergang gibts nichts mehr zu essen.“ 

„Aber ich bin hungrig“ krächzt der arme Mann. „Reicht es nicht, dass ich dick bin? Soll ich jetzt auch noch hungrig zu Bett gehen?“

Die Liebste erhört sein Jammern nicht, sie ist erbarmungslos. „Du weißt, was der Doktor gesagt hat“, wiederholt sie eins ums andere, und „Stell dich nicht so an“, und drohend „Wenn du nicht abnimmst, bin ich fort.“

Hungrig legt sich der arme Mann zur Ruh. Traurig ist er, wie ein gescholtenes Kind. So war die Mama auch. War er sich nicht auszeichnete, gabs nichts zum Abendbrot, dann musste er hungrig ins Bett gehen. Kein Keks, kein Küsschen, nichts.

Er weint ein bisschen und schläft dann ein. Und träumt. Was träumt er wohl? Er sieht sich selbst als armseligen Wicht mit Eselskopf, und vor ihm in der Luft tänzelt und schwebt sein schlankes Liebchen. Im Schnabel hält sie ein leckeres Würmlein, und er bettelt: „Bitte, bitte, meine Kleine, bitte, bitte!“ Er jappst und schnappt, aber zu fassen bekommt er nichts als die Luft.

Der Morgen kommt. Du meinst vielleicht, der arme Mann erwacht nun glücklicher und erleichtert um ein Pfund? Weit gefehlt!  Wund sind seine Augen, und er fühlt sich wie durch die Mangel gedreht. Wie soll er den Tag meistern? Jammernd ruft er nach der Liebsten.

Die ist nicht da, aber sie hat ihm die köstlichen Gewänder hingelegt und auch die Federkrone. Er legt sie an, doch hilft’s? Heimatlos fühlt sich der Arme, ausgeschlossen aus der Gemeinschaft der Essenden und Schlanken. Was helfen da die köstlichen Gewänder, was hilft die Krone, wenn der Magen durchhängt und das Gemüt auf dem Zahnfleisch geht?

 

300 Wörter

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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30 Antworten zu Kein Abendbrot. Die Tragödie eines Dicken. (abc-etüde)

  1. Gisela Benseler schreibt:

    Oh welch eine humorvolle Tragödie!🥺

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  2. puzzleblume schreibt:

    Machtspielchen, die über das Vorenthalten (von Essen oder Liebe) oder Hungernlassen ausgetragen werden – gut beschrieben.

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  3. m.mama schreibt:

    Oh, er tut mir wirklich leid, aber sie meint es ja gut mit ihm.

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    • gkazakou schreibt:

      Ja, natürlich. Doch der Mann ist ja nicht grundlos fett. Die Erziehungskur der Mutter hat ihn traumatisiert. Und die der Liebsten nimmt den Faden wieder auf. So wird kein Dicker abnehmen können.

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  4. anneeulia schreibt:

    Tja, die Frauen können,
    die Macht haben Sie.
    Der arme Mann.
    Die eine Frau verbietet ihrem Mann das Motorrad fahren die andere ihrem Mann das Essen vom Abendbrot.
    Nur weil SIE sich jeweils Sorgen um ihre Männer.😜
    So haben Frauen das Leben ihrer Männer im Griff.😉

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    • gkazakou schreibt:

      Es sind schon die Mütter, damit fängt es an. 😦

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      • anneeulia schreibt:

        Wer hat zu Hause die Hosen an?
        Und oft nicht nur da.
        🤣
        Das ist vererbt.
        Ich bin zumindest bei meinem jetzigen Partner nich nicht auf die Idee gekommen Ihm was zu verbieten.
        Trotz der Gesundheit und der Diabetes mit der ER sich plagt.
        Er müsste auch abnehmen,
        aber das ist seine Sache.
        Ich müsste auch auf ganz vieles verzichten,
        weiß das auch aber ER wurde mir das niemals verbieten irgendwas nicht zu essen.
        Das liegt doch in jedem seiner eigenen Verantwortung denke ich.🤔

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      • gkazakou schreibt:

        Ich finde wie du, man soll erwachsene Menschen nicht erziehen wollen. Und auch bei Kindern sollte man vermeiden, seine eigenen Vorstellungen von Gut und Richtig zur absoluten Norm zu machen.

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      • anneeulia schreibt:

        Keine Ahnung wie das bei Kindern geht,
        aber eines weiß ich sehr genau.
        Ich kann niemanden erziehen,
        der das nicht will.
        Das kann bei mir ja auch keiner.
        Ich kann doch auch keinen Alkoholiker vom Alk wegbekommen.
        Das muss ER schon selber tun.
        Mir selber wird immer von allen Vorgeworfen ich wäre nicht richtig selbstständig.
        In vielem ist das sicherlich richtig, aber ich glaube nicht das ich unselbstständig bin.

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  5. Christiane schreibt:

    Was für eine Ehe. Der Vergleich mit Mama passt. Armer Kerl.

    Kann es sein, dass du beim Überarbeiten „auszeichnen“ gestrichen hast? Kannst du es bitte wieder einbauen? 😉
    Und ich kann dich beruhigen, es ist nicht die letzte Woche, nächste Woche laufen die Märzwörter auch noch: jeweils bis zum ersten Sonntag im Monat.

    Abendgrüße! 😀

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  6. Anonymous schreibt:

    Es gibt nichts Schlimmeres, als hungrig zu Bett zu gehen. Doch: Liebesentzug. Die Kombi? Grausam. Er tut mir leid, der arme Kerl.

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  7. fundevogelnest schreibt:

    So traurig , dass er ihr nicht vermitteln kann, was es mit ihm macht…
    Ich hatte neulich ein Gespräch mit dem großen Fundevogel, sie sagte sie hätte echt eine schöne Kindheit bei mir gehabt, nur viel zu wenig Süßigkeiten, mir kam es immer viel zu viel vor und ohne Abendbrot ins Bett musste sie natürlich nie, sie durfte als vernachlässigtes Kind sogar nachts essen, aber halt keine Schokolade.
    DasGespräch hängt mir noch sehr nach.

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    • gkazakou schreibt:

      danke Natalie ! Merkwürdig, vergangene Nacht kam mich, als ich zu Bett ging, erstmals in meinem Leben der Drang an, ein Stück Schokolade im Mund zergehen zu lassen. Ich tat es heimlich, trotz bereits geputzter Zähne, mit grossem Genuss. Als ob die Schokolade etwas in mir beruhigte und freundlich stimmte, was in mir als Seelenschmerz wühlte. Und heute schreibst du vom Großen Fundevogel und Schokolade.

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  8. Verwandlerin schreibt:

    😅😅😅😅

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  9. bonanzamargot schreibt:

    o gott, da kriegt man(n) ja depressionen.

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  10. Werner Kastens schreibt:

    „Hungrig legt sich der arme Mann zur Ruh.“ Na, da MUSS man doch Mitleid entwickeln!!

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  11. Ach Mensch, warum hacken so viele auf den Dicken herum?

    Er sieht so wunderschön aus in seinen festlichen Gewändern…

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  12. oh weh und ach

    mein Kommi ist im spam gelandet…

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