Gestern abend regnete es, und so war vom Vollmond nichts zu entdecken. Stattdessen herrschte tiefe feuchte Finsternis.
Als wir bei der Universität von Kalamata ankamen, wo mein Mann einen Vortrag über sein neu erschienenes Buch halten würde, hatten wir noch etwas Zeit, und so schauten wir uns in dieser uns weitgehend unbekannten Stadtgegend um. Ein großes Sportfeld, eine trübselige Straße, ein Kiosk, der aber keine der gesuchten Zeitungen hatte.
Trübseligkeit hat ihre eigene Faszination, und so fotografierte ich: die Tavernen neben dem Sportfeld oder im Erdgeschoss der Wohnhäuser, die riesigen Eukalyptusbäume mit stark beschnittenem Gezweig, die witzigen gelben Sessel, auf denen offenbar nichtzahlende Zuschauer an Sportveranstaltungen teilnehmen können.
Rückt man den Dingen ein wenig näher und beginnt, sich für sie zu interessieren, zeigen sie ein anderes Gesicht. Die Orte beleben sich, sind nun mit Menschen gefüllt, die ihren Abend in ihrem Laden oder in der kommunikativen Atmosphäre von Tavernen verbringen. Ja, es ist dieselbe Straße, es sind teils dieselben Bilder, nur habe ich jetzt die Menschen herangezoomt.
Nach dem Vortrag fuhren wir in die „nördlichen Vororte“ von Kalamata, um unsererseits mit dem Dekan und zwei Kolleginnen in einer Taverne zu essen. In einem niedrigen durch den Kamin beheizten Raum saßen an langen Tischen ältere Männer, nur Männer, und sie sangen zur Musik eines dafür engagierten Gitaristen. Wir nahmen im Nebenraum Platz, aßen von den gut zubereiteten ländlichen Speisen, tranken von dem leicht harzigen Hauswein. Dann trat ich hinaus auf den Vorhof. Der Mond war hervorgekommen und schien durch eine Laube, die voll hing mit Luffa aegyptiatica, nicht so schmächtigen wie bei mir, sondern riesigen. Drunten lag die Stadt Kalamata, sie schien mir weit entfernt, und ich an einem magischen Ort gelandet.
Eine ältere Frau, eine selbstgedrehte Zigarette mit Mundstück rauchend, erklärte mir: Wasser brauchen sie (die Luffa), viel Wasser.
Verzaubert ging ich auf dem Vorplatz herum, bestaunte so manche Pflanze, fragte nach Namen. Sie wusste sie alle. „Und diese Pflanze?“ fragte ich und roch an einem Kraut. „Hilft gegen böse Geister“ meinte sie und fügte grinsend hinzu: „Riecht halt bisschen merkwürdig“. Schon hatte sie für uns drei Frauen – denn die Kolleginnen waren nun auch herausgekommen – drei Töpfchen mit Erde gefüllt und je ein Pflänzlein hineingesetzt. O ja, sie hatte alle Merkmale einer „weisen Frau“ aka Hexe.
Drinnen saßen noch immer einige Männer und sangen. Andere waren bereits gegangen. Mir gefiel die Art, wie sie sich verabschiedeten, liebevoll eine Schulter klopfend, einen Rücken tätschelnd, einen Arm berührend. Ältere Herren. Vermutlich treffen sie sich regelmäßig hier, um ein wenig zusammen zu sein und zu singen und Informationen auszutauschen und dann heimzugehen zu ihren Frauen, zur Familie.
Wie soll ich diese Lustbarkeit benennen? Sicher ist, dass sie mich durch und durch belebte und wärmte. Es braucht ja gar nicht viel, um sich lebendig zu fühlen.











Vielleicht gibt es ja auch solche schönen Gelegenheiten der Zusammenkünfte für Frauen?
Fragt Sonja
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Man müsste sie schaffen. Ich habe eine alte deutsche Freundin in Athen, die das übert viele Jahre hingekriegt hat. Ich versuche es auf meine Weise mit den Gruppentreffen (gemeinsames Zeichnen, Aufstellen, Hilfsaktionen etc), da sind es fast nur Frauen. Männer sind freilich nicht ausgeschlossen.
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Wie verwandelt ist die nächtliche Scene, als der Vollmond für Dich, liebe Gerda,so schön sichtbar wurde.
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Die Atmosphäre auf diesem Vorplatz mit den vielen Pflanzen in großen Kübeln war auch so schön, aber mit dem Vollmond wurde sie magisch.
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Danke, Gerda. 🌝
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Atmosphärisch schön sind deine Fotos mit oder ohne Menschen!!!
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Lieben Dank, Gerel!
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Das den arm berühren praktiziere ich auch gerne, es braucht nicht eine volle Umarmung.
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Ich wars
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Nach dem gemeinsamen zeichnen passiert es schon, dass ich den einen oder anderen sacht berühre.
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Ich finde das schön, es hat was Versicherndes, aber nichts Übergriffiges.
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Genau 🙂
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Ein ganz wundervoller Bericht über einen besonderen Abend, der mit einem sehr feinen Ereignis begann und sich dann weiter verzauberte, Gerda. Deine Fotos sind alle sehr schön, aber die drei kleinen Bilder mit der Gurke in der Mitte sind einfach genial. Eben wie verzaubert. Vielleicht war die alte Frau tatsächlich eine *Hexe* *lächel*
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freilich war sie eine Hexe – oder das, was man damals Hexen nannte, was aber in Wirklichkeit wissende Frauen waren.
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Ich weiß, liebe Gerda und vor dem Wissen hatte man Angst…
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