Herbst. (Legebilder mit Susanne Hauns Schnipseln)

Noch ist er vor allem durch das veränderte Licht zu spüren – der Herbst. Wie beiläufig segelt das eine und andere Blatt zu Boden. Die Herbststürme haben noch nicht eingesetzt. Aber ich spüre es bereits -oder ist es eine Erinnerung? eine Erwartung? – dies Sich-Zusammenziehen und Loslassen, dies Verhärten und Zerbröseln, dies Davonflattern und zu Boden-Fallen, dies Sich-Einigeln und Das-Weite-Suchen. Die lebendig-organischen Gestalten verlieren den Zusammenhalt, zerlöchern, zerfasern, ringeln sich zusammen, erstarren zuerst an den Rändern.

Ich ziehe mich ins Atelier zurück und nehme zögernd die dort noch ausliegenden Schnipsel von Susanne Haun in die Hand. Herbstlich sind diese leicht verbogenen, mit Linien überzogenen, manchmal rot und golden aufflammenden Stücke Papier, in die Susanne ihr großes Blumenbild verwandelt hat. Ich schrieb darüber: „Zerrissenes neu zusammenfügen“. Das war im September, aber nun ist schon die Mitte des Oktober überschritten, und da fügt sich nicht mehr zusammen, was zerrissen ist.

Also färbe ich die weiße Unterlage mit Aquarellfarben ein und lege einen Schnitter, der selbst im Licht zerbröselt und verfliegt. Mit ihm verfliegen die Vögel. Nur zwei Schmetterlinge halten die Form: auch sie hat Susanne mir geschickt.

Soll ich es so lassen? Ich nehme einen blauen Stift und lasse die Linien auf den Schnipseln weiterlaufen, bis sie auf ein Hindernis stoßen oder sich mit anderen vereinigen können. Luftströme, Altweiberfäden, die Vögel entkommen, die Schmetterlinge verfangen sich.

 

Und nun? Es geht mit rotem und dann mit orange Stift weiter, die Vernetzung wird enger, der Schnitter, eben noch lustiger Herr des Geschehens, wird selbst eingefangen und schlägt nun brüllend und wüst tanzend Löcher ins Gespinst. Es stürmt.

Ein heftiges Ruckeln – und die beiden Ebenen lösen sich von einander: das Netz hier, die Gestalten, nun ein kläglicher Haufen Schnipsel (Materie), dort. Was war, ist nur mehr eine leere Form, eine Schablone, oder richtiger: eine Matrix.

Am Computer spiele ich dann noch ein bisschen, lege die leere Form und das ursprüngliche Legebild übereinander, färbe die geschlossenen Formen ein. Sie werden rot, sie werden braun und wollen sich schließlich doch wieder auflösen. So ist das im Herbst.

 

War es das? Nein, es geht weiter, immer geht es weiter. Diesmal lege ich Figuren auf einem zerknitterten Seidentuch mit Batikdruck aus. Eine hohe Gestalt hilft dem Schmetterling, die Öffnung ins Jenseits zu finden.  Was die andern tun, siehst du ja selbst.

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About gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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2 Responses to Herbst. (Legebilder mit Susanne Hauns Schnipseln)

  1. Schön in vielerlei Farben, Fäden und Gestalten, – aber etwas melancholisch stimmt das Ganze doch.
    bis auf den Schmetterling, der den Weg in eine neue Freiheit findet, heraus aus all den Verstrickungen.

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  2. Wenn ichb das Wort Batik vernehme, denke ich an eine gute Freundin, die mit uns unlängst ausstellte.
    Was sie einnahm, weiß ich nicht. Will auch nicht fragen.
    Bei meiner Freundin lästerte ich. Diese erzählte von einem Basar, in dem Rostblumen verkauft wurden. Die zu 1,50 gingen weg, die etwas grösseren für 2,50 nicht. Nicht. Nix.
    War zu teuer.

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