Als meine Mutter einst ihren Enkel in Karlsruhe besuchte, orientierte sie sich an Engeln. Wie das? fragte der Enkel verblüfft, denn er hatte sie nie bemerkt, die Engel, dort oben auf den Dächern der Stadt, in der er studiert hatte und nun immer noch lebt, behütet von Engeln, deren Anwesenheit ihm bis dahin nicht bewusst war.
Eine geniale Engelmalerin ist Susanne Haun. Ihr letzter Engel hält ein Stundenglas. An Susanne musste ich auf meiner Andalusienreise oft denken, wenn ich vor einem der vielen Engel stand. Wie würde sie sie mit ihrer immer geschmeidigen, manchmal ins Groteske gehenden Linie auf Papier bannen?
Engelshaar nun auch bei Joachim Schlichting nebst der Ermahnung, nicht zu viele Dinge „links liegen zu lassen“. „Wenn man sie kennENGELernt hat, wird einem klar, was so alles noch zwischen, über, unter, neben, auf, in, vor und hinter den Dingen haust und west….“
Also will ich sie nicht gänzlich links liegen lassen und jedenfalls ein paar der vielen Engel zeigen, die mir auf meiner Reise begegneten. Die schönsten standen in der Krypta der großen Kathedrale von Cadiz, wo man der berühmten Toten der Stadt gedenkt.
Der berühmteste Tote ist der Komponist Manuel de Falla, der sein Leben freilich, weit von seiner Heimatstadt entfernt, in Argentinien beendete, als die Furien des Krieges Europa heimsuchten (Falla: Nächte in spanischen Gärten ∙ hr-Sinfonieorchester ∙ Javier Perianes ∙ Orozco-Estrada). Ihm wurden keine Engel an die Seite gestellt, sondern nur ein Kreuz zu Häupten.
Die Engel stehen dort in Vitrinen, so als wären nicht sie die Beschützenden, sondern die Beschützenswerten. Die fehlenden Gliedmaßen geben ihnen eine fast tragische Note.
Ist es so traurig um unsere Engel bestellt, dass wir sie schützen müssen, damit ihnen nichts Schlimmes zustößt? Der schön bemalte Schnitz-Engel in der Kathedrale von Sevilla ist trotz seiner weiblichen Anmut von einer so vitalen Robustheit, dass es mir um ihn weniger Angst ist.
Wie Schwestern der jungen Menschenfrauen zeigen sich die hölzernen Engel gern, so dass die beliebte Anredeform „mein Engel“ gar nicht so weit hergeholt erscheint …….
doch gibt es natürlich auch Engel, die eine größere Würde ausstrahlen und sich ihrer überirdischen Rolle bewusst sind. Warum sich dieser an die Brust greift? Ich vermute, es ist ein Musikengel, dem sein Instrument abhanden gekommen ist. Es gäbe freilich viele weitere Gründe, warum sich die Engel an die Brust greifen, etwa um ihr Herz zu beruhigen angesichts der Schandtaten der Menschen.
Auf unserer Reise fühlte ich uns von den beschwingten, gefiederten Himmlischen allzeit behütet, und unsere unbeschädigte Heimkehr zeigt ja, dass sie immer noch verlässlich für uns da sind. Wir sollten ihnen aber auch Schutz gewähren, denn sie gehören wie ihre Verwandten, die kleinen und großen Vögel, inzwischen zu den gefährdeten Arten. Dabei brauchen wir sie mehr denn je.


Love all these angels.
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Thank you!
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Sei und bleibe auch Du behütet, Gerda.
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Danke, Gisela!
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Liebe Gerda,
ein sehr schöner Beitrag! August 2021 hat mich ein Engel beschützt und ich wusste gleich wer es war, denn ich hätte bei diesem Unfall sterben können. Ich habe seine/ihre Hilfe so real gespürt, soetwas ist mir nie zuvor passiert!
Schutzengel hatte ich immer, da ich als Kind viele Unfälle hatte, die ich immer überlebte.
Je älter ich werde desto näher bin ich Gott und den Engeln nicht jedoch der Kirche!
Die Spanier sind strenge Katholiken und dieser Prunk in den Kirchen und Kathedralen generell, auch bei uns hat mich immer abgestoßen! Wobei die Architektur und Kunst mich immer fasziniert hat! Ich gehe jedoch ungern hinein, weil ich extreme Beklemmungen bekomme! Da Spaniens Geschichte eben vom Katholizismus extrem geprägt ist, gehört es eben bei einer solchen Reise dazu! Die Kunst darin eben auch!
Liebe Grüße Babsi
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Liebe Babsi, als erstes: ja, ich erinnere mich an deinen Unfall, und auch ich spürte damals deinen Schutzengel, der dich vor schlimmerem rettete. Was Kirche und Kunst angetrifft: Die Kirche, insbesondere die katholische, hat sehr viel Unheil über die Menschen gebracht, aber sie war auch der größte Mäzen der Künstler, und daher ist es, wenn man die Kunst der früheren Epochen anschauen will, nicht möglich, an den Kirchen vorbeizugehen. Ich interessiere mich auch sehr für die Architektur, und wo ließen sich solche Formen sonst noch finden, die man in den Kirchen sieht?
Bei allem. was mich persönlich von der Kirche trennt (ich gehöre keiner an), muss ich doch einräumen, dass sie eine der wenigen Institutionen ist, die den Menschen noch etwas Glanz und Trost im Leben und ein würdevolles Begräbnis am Lebensende bietet. Diese Hochzeiter – was täten sie ohne die Kirche? Eine standesamtliche Heirat ist banal. Kurzum, die Kirche hat schon ihre Bedeutung, auch heute, und auch für Menschen, die sich nicht mit ihr verbunden fühlen. Es ist ein wenig wie mit den Königshäusern, da fühlen sich auch viele Menschen angesprochen, aber reale Macht haben sie zum Glück nicht mehr.
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In der griechischen Mythologie gibt es neun Engel der Künste, dabei handelt es sich um die olympischen Musen -> https://www.mythologie-antike.com/t118-musen-die-neun-olympischen-musen-sind-die-schutzgottinnen-der-kunste
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Also, dieMusen zuden Engeln zu rechnen, halte ich für gewagt. Aber tatsächlich kannten auch die alten Griechen Engel. Schau mal hier: https://gerdakazakou.com/2018/11/01/gefluegelte-unter-uns/
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Die Musen können auch fliegen: „Die Musen konnten dem Pyreneus jedoch entkommen, indem sie ihm davongeflogen sind….“ -> https://www.mythologie-antike.com/t1047-pyreneus-mythologie-wollte-den-musen-gewalt-antun
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ja, sicher. Alle Götter können fliegen, und die meisten göttlichen Wesen auch. Sind sie deshalb Engel? Flügel haben sie jedenfalls keine.
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Wie will man denn ohne Flügel fliegen? Ich zähle die Musen zu den Engeln, weil sie fliegen können.
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Ach Engel sind mit Vögeln verwandt ? 🙂
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Nicht? 🙂 Ich dachte, das wäre klar: beide sind Luftwesen, haben Fügel, zwei Beine, sind gefiedert und können fliegen, auch lieben beide die Musik. Was braucht es noch mehr, um Verwandschaft nachzuweisen? DNA-Proben?
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🙂
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Ja, ja, ich bin ganz deiner Meinung 🙂 🙂
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Danke für diesen schönen Engelsbeitrag und dass du an mich gedacht hast, liebe Gerda.
Ja, im Moment erscheinen mir die Engel als ein Thema, an das ich mich wieder einmal abarbeiten möchte. Angesichts der Weltlage erschien mir gerade der Engel mit dem Stundenglas passend.
Ganz doll liebe Grüße von Susanne
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Wohl wahr, der Sand im Stundenglas rinnt gleichförmig und ruhig. Engelsgeduld. Aber der Mensch hat keine Geduld, er schneidet dem anderen den Lebensfaden durch, zertrümmert das Stundenglas und meint, selbst davonzukommen.
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Gut gesprochen, Gerda. Neid und Hass scheinen zurzeit die Welt zu regieren.
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