Impulswerkstatt: Die Maske

Dies ist ein Beitrag zu Myriades Impulswerkstatt.


Masken: ein Thema, das mich, liebe Myriade, ein Leben lang schon beschäftigt und fasziniert. Die von dir gezeigte Maske ist von einer Art, die mich zutiefst erschreckt. Sie macht einen Menschen gesichtslos – als Strafmaßnahme. Er darf nicht mehr er selbst sein. Aus den leeren Höhlen der Schandmaske starren die verängstigten Augen einer Frau. Sie möchte schreien, sich verständlich machen, aber ihr Mund wurde ihr verschlossen. Sie ist dem Spott und den Misshandlungen ihrer Mitmenschen ausgeliefert.

Da lobe ich mir die Theatermasken, hinter denen menschliche Schauspieler zu Göttern werden.

Eine kleine Revue zu dem, was ich schon mal zu Masken gezeigt habe, soll mir das spannende Thema anwärmen. Auf geht’s!

Dies Bild von abgelegten Masken habe ich vor Jahren gemalt, mit Pigmenten und Kleister auf Leinwand, mit aufgeklebten Pappen und Netz.

Wo immer eine Ausstellung mit Masken angekündigt wird, versuche ich hinzugehen, so wie hier in Kalamata, als traditionelle afrikanische Masken aus einer privaten Sammlung gezeigt wurden.

Einige Masken haben wir auch in unserem Haushalt integriert – so wie diese Eulenmaske, die ich gelegentlich in Stillleben integrierte und zeichnete.

Einmal sah ich an einer Mauer mit Graffitis gegen die illegale Mülldeponie im Waldgebiet ein tottrauriges zorniges Kind mit einer grinsenden Maske. Das konnte ich nicht mehr vergessen.

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Die Maske ist das, was wir der Welt zeigen. Da bleibt alles unter der Kontrolle der Gesetze, die die Menschen unter sich ausgemacht haben: dies ist erlaubt, jenes verboten. Unterhalb dieser Kommunikation zwischen Masken läuft manchmal eine viel lebendigere, spontanere Form der Verständigung ab: das blicken sich die „inneren Kinder“ an und verstehen sich auf Anhieb.

Alle Kulturen haben Masken hervorgebracht. In vielen rituellen Zusammenhängen ist sie unentbehrlich. Warum? Was zeichnet sie aus? Das fragte ich mich, als ich im Museum für Zeitgenössische Kunst Athen, im Rahmen der vorletzten Dokumenta, die Masken eines Kwakwaka’wakw-Künstlers aus British Columbia, im Westen Kanadas betrachtete.

Beau Dick hieß er, lebte von 1955 bis zum März 2017. Damals schrieb ich: „Es bedarf schon eines genaueren Hinschauens, um diese Maskenwelt in der zeitgenössischen Kunst zu verorten. Beau Dick dekonstruiert die Welt seiner Ahnen nicht, sondern er überformt sie, macht sie geradezu global. Er lässt sich beeinflussen durch älteste und gegenwärtigste Ausdrucksweisen, seien es die Noh-Masken der Japaner oder die kommerziellen Halloween-Masken in den USA, die afrikanischen Tiermasken oder die Masken expressionistischer Künstler des 20. Jahrhunderts. Sucht er das Verbindende in all diesen Gebilden? Aber was ist das Verbindende? …Der Künstler hat, so scheint mir, etwas wie die Maske geschaffen, die befreit ist von den speziellen orts- und zeitgebundenen Inhalten. Die Maske an sich.

Genau das ist aber auch ihre Schwäche. Denn es fehlt seinen Masken das, was eine Maske von einem anderen Kunstgegenstand unterscheidet:  Magie, Beschwörung, Transzendenz. Beau Dicks Masken wirken auf mich wie leere Formeln, die nichts mehr beschwören. Sie sind eindrucksvoll, aber nicht „faszinierend“ (Faszination bedeutet Behexung, Verzauberung).

Sein, was man nicht ist. Sich verstecken, verbergen. Sich mit einem anderen Wesen identifizieren: einer Eule, einer Schlange… Das sind Wünsche eines jeden, und man kann sie in der Kunsttherapie sehr schön nutzen.

Herrscher brauchen Masken, das ist klar. Sie können nicht mit ihrem normalen, banalen Gesicht unter die Menge treten, denn dann würde niemand auf die Idee kommen, sie als Herrscher anzuerkennen. Das dachte ich, als ich die Tarot-Karte des „Herrschers“ kreierte. Doch wie müssen die Masken sein? Furchteinflößend, rätselhaft, bieder? Es kommt wohl auf die Umstände und das Publikum an, selche Maske den größten Erfolg verspricht.

 

Mir persönlich liegt die Clownsmaske am meisten. Allerdings setze ich mir ungern eine Maske auf, lieber male ich sie mir direkt aufs Gesicht, so wie hier, wo ich in einem „Doppelgesicht“ mich ohne und mit Maske zeige.

 

 

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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17 Antworten zu Impulswerkstatt: Die Maske

  1. alphachamber schreibt:

    sehr interessant und faszinierend!

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  2. Myriade schreibt:

    Ein wunderbarer Artikel, liebe Gerda, quer durch die Welten der Masken. Die Legearbeit mit den inneren Kindern, die miteinander in Verbindung treten, finde ich besonders ansprechend sowohl von der Idee als auch von der Ausführung her. Dein „Doppelportrait“ mit nacktem und maskenhaft geschminktem Gesicht ist auch sehr stark, vor allem wenn man den Clown als zutiefst traurigen Spaßmacher interpretiert.
    Mit deinem Materialbild kann ich auch sehr viel anfangen, beim Thema Materialbilder bin ich gerade selbst und habe die Elemente deines Bilds genau studiert.
    Herzlichen Dank dafür, dass du diesen vielseitigen Artikel der Impulswerkstatt gewidmet hast !

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    • gkazakou schreibt:

      Ich freu mich, Myriade, dass er dir zusagt. Was die materialien anbetrifft: ich habe vor allem mit Wellpappe, aber auch mit anderen Papieren experimentiert, das Plastiknetz auf diesem Bild war eine Ausnahme. Da ich keine fertigen Farben, sondern lose Pigmente benutze, die ich mit Kleister binde, ist der Kleister zum Verkleben immer zur Hand.
      Gelungene Materialbilder kannst du +brigens auch bei „Afrikafrau“ sehen, sie benutzt auch Metallteile und vieles anderes.

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      • Myriade schreibt:

        Ja, den Blog kenne ich auch, da werden die unglaublichsten Materialien verwendet.
        Ich habe bis jetzt mit einem Papierkleber gearbeitet, mit Malgel und mit Acrylbinder obwohl ich ja meistens mit Gouache male, aber ich habe gerade erst begonnen mit Materialien zu experimentieren und mir scheint, da ist einiges drin …

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  3. Die Maske als Strafmaßnahme empfinde ich als Entsetzen pur.
    Masken scheinen wichtig zu sein für die Menschen.
    Was kann man dahinter alles verbergen.
    Ein wahres Ich?
    Ein Ich, das sich zu gerne verwandelt? In ein anderes Ich?

    Es kann aber auch einfach eine lustige Maskerade sein, als wäre man ein Clown…

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  4. lachmitmaren schreibt:

    „Sein, was man nicht ist, sich verstecken, verbergen … das sind Wünsche eines jeden …“ schreibst du. Da muss ich widersprechen! ICH halte Masken insgesamt (und in jeder Form) für eine schlechte Idee. [Selbst im Theater sehe ICH lieber die echten Gesichter.]
    Zu sich zu stehen, sich zu zeigen, maskenlos und auch gerne ungeschminkt. DAS finde ich wichtig, dass Menschen sich das viel mehr trauen!!
    Im Spiel mal etwas anderes auszuprobieren, okay; aber die meisten Menschen tragen längst permanent Masken, verstecken sich; versuchen den Schein zu erwecken, etwas zu sein, was sie nicht sind, weil sie Angst haben, ohne Maske nicht zu gefallen.

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    • gkazakou schreibt:

      Danke für deinen Kommentar, liebe Maren. Ich versteh dich schon, in persönlichen Beziehungen mag ich Masken auch nicht, und ungeschminkte Gesichter finde ich viel schöner. Das ändert aber nichts daran, dass es „Wünsche eines Jeden“ sind, sich hinter Masken zu verbergen und zu scheinen, was er nicht ist.

      Und das ist auch gut so. Die antrainierten Masken der Höflichkeit und des scheinbaren Mitgefühls machen das Zusammenleben der Menschen möglich. Maskenloses Miteinander – dass jeder seinen wahren Charakter und seine wahren Gefühle zur Schau stellt – wäre unerträglich, bzw nur dann von Vorteil, wäre der Mensch „edel, hülfreich und gut!“

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      • lachmitmaren schreibt:

        Nein, das sehe ich nicht so. Was nutzen antrainierte „Masken“, antrainierte Verhaltensweisen, wenn sie nicht ECHT sind? Dann verurteilt jemand zwar Diskriminierung von LGBT, weil das „antrainiert“ wurde, hat aber im Inneren dennoch Vorbehalte. Und diskriminiert offen dann eben andere … ..
        Mein Ansatz ist da eher zu schauen, woher kommt diese „Diskriminierungssucht“ und da anzusetzen … (vgl auch meinen aktuellen Beitrag). Liebe Grüße an dich!

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      • gkazakou schreibt:

        Danke, liebe Maren, für dein Kommentieren. Natürlich wäre es besser, wenn … wäre. Nun habe ich aber kaum die Möglichkeit, das Denken und Fühlen meiner Mitmenschen zu beeinflussen. Ich bin, so scheint mir, sehr sehr viel pessimistischer als du, was die „Erziehung des Menschen“ betrifft.

        Wenn ich nur die Wahl zwischen zivilisiertem maskiertem und offenem brutalem Verhalten habe, ziehe ich ersteres unbedingt vor. Nehmen wir den Antisemitismus, der in vielen Menschen lebt. Solange sie ihn nicht offen äußern und höflich bleiben, ziehe ich das der Ausdrucksweise der SA-Schläger vor. Oder nehmen wir die Ablehnung von Ausländern: Besser ist, die Xenophoben behalten ihre Gefühle für sich, anstatt sie auszuleben.
        Damit die Menschen einigermaßen zivilisiert bleiben, ist es wichtig, dass ein Ideal im öffentlichen Diskurs aufrecht erhalten wird, damit sich der Antisemit oder Homophobe u.a. nicht traut – genau da ist nun aber das Hauptproblem momentan: Sie fühlen sich als die schweigende Mehrheit (sind es wohl auch) und fangen an laut zu werden. Warum? Weil der Anpassungsdruck zu hoch und die Herausforderungen zu viele sind. Da müssen sie sich Luft machen.
        Ich gebe dir daher Recht, dass ein nicht geäußertes Ressentiment an anderer Stelle als Gewalt hervorbrechen kann – daher finde ich wichtig, dass abweichende Ansichten (aber bitte auf zivilisierte Weise) geäußert werden können, ohne dass sogleich der große Hammer fällt.

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      • lachmitmaren schreibt:

        Vielleicht sind aber auch Gewalt, Diskriminierung und Ressentiments einst „antrainiert“ worden?! Ich bin nämlich nicht der Meinung, dass all das dem Menschen „natürlicherweise“ innewohnt. Ganz im Gegenteil! Insofern ist MEIN Ansatz weniger Erziehung, sondern mehr zurück zum Herzen!!!

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      • gkazakou schreibt:

        Ich weiß nicht, liebe Maren, wie der Mensch „von Natur aus“ ist. Es gibt ja keine Menschen, an denen ich es studieren könnte, denn alle sind wir erzogen, direkt oder indirekt, durch Menschen und Verhältnisse, in denen wir aufwuchsen. Was ich freilich auch glaube, ist, dass der Mensch eine eingeborene Sehnsucht nach Güte hat, die er selbst gern erlebt hätte, aber selten erlebt. Wer sie erlebt hat, der kann sich wohl auch seinen Mitmenschen in Wohlwollen und „mit dem Herzen“ zuwenden.
        Der Mensch hat auch eine eingeborene Sehnsucht nach Bedeutung, nach Außenwirkung und Anerkennung durch die Gruppe. Da greifen dann stark die jeweiligen kulturellen Prägungen, greift die direkte Erziehung, greift das Vorbild ein: was macht einen bedeutenden Menschen aus? Wenn er ein mächtiger Krieger ist? Wenn er ein guter Liebhaber ist? Wenn er viele Frauen aufreißt? Wenn er andere beherrscht? Wenn er großes Mitgefühl für Leidende zeigt? Es ist ein dauernder Kampf, welches Menschenbild sich durchsetzt und welche Menschen daher als „bedeutend“ angesehen werden – wobei das in unterschiedlichen Gruppenkontexten eben sehr verschieden sein kann, während es ein übergreifend wirkendes Wertesystem gibt, das durch die Wirtschaftsverhältnisse geprägt wird. (Kapitalismus = Konkurrenz etc)

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      • lachmitmaren schreibt:

        Ja, der Mensch hat eine eingeborene Sehnsucht nach Güte. Nach Liebe. Auch nach Anerkennung seiner / ihrer persönlichen Fähigkeiten, des jeweils eigenen Beitrags für andere.

        „Bedeutender“ als andere sein zu wollen, ist allerdings sehr schädlich, Und eine solche „Sehnsucht“ würde ich tatsächlich gerne „wegerziehen“… .

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      • gkazakou schreibt:

        Auf einen Idealzustand könnten wir uns vielleicht schnell einigen, liebe Maren. Der kann als Leitschnur wirken, sollte aber nicht dazu dienen, heutige Zustände schwarz zu malen. Früher waren „Behinderungen“ weit weniger zu ertragen als heute, niemand fand etwas dabei, den „Krüppel“, „Zwerg“, „Schwachsinnigen“ etc in der Kuriositätenschau auftreten zu lassen und zu verspotten. Heute darf das in unseren Breiten niemand mehr straflos tun. Dass es als erstrebenswerter gilt, schön, jung, gesund zu sein, ist selbstverständlich und wird sich nie ändern. Das einzige, was zu erreichen ist, ist, dass auch Menschen, die dem jeweiligen Ideal nicht entsprechen, respektiert oder jedenfalls nicht ausgeschlossen werden vom Wettkampf und Zugang zu den gesellschaftlichen Errungenschaften erhalten. (Übrigens, in Griechenland ist selbstverständlich dafür gesorgt, das Bewegungsbehinderte, Alte, Kranke am Wahlvorgang teilnehmen können).
        Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit sind die drei Ideale, die mit der französischen Revolution ausgerufen wurden und als Leitmotiv weiterhin Geltung beanspruchen, auch wenn wir in allen Bereichen weit davon entfernt sind, sie zu erreichen.
        Gleichheit sollte es vor dem Gesetz geben, sonst nicht. Jeder nach seinem Vermögen und Talent wäre mein Ideal, dazu Brüderlichkeit, so dass es ein Zusammenwirken der verschiedensten Menschen bei gleichzeitiger Konkurrenzlosigkeit im Wirtschafts- und Sozialleben gäbe. Und Freiheit als hohes Gut, selbst zu bestimmen, was ich im Leben zu erreichen versuche und mit wem. In kleinen selbstgeschaffenen Sozialgefügen können wir üben, dem Ideal näher zu kommen.

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      • lachmitmaren schreibt:

        Ich hoffe ja immer noch, etwas mehr zu erreichen … 😉💕

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      • gkazakou schreibt:

        Nun….

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