Was zuletzt geschah: Jenny lässt sich im Austausch gegen eine Jacke überreden, Abud mittels einer Leiter aus dem Keller von Wilhelms Lager zu befreien. Dort lassen wir sie jetzt und wenden uns dem Besitzer des Lagers, Wilhelm, zu. Der liegt, erst von seinen drei Begleitern (Danai, Abud, Hawi), dann auch von Jenny verlassen, mit kaputtem Bein im Olivenhain. Dort besuchte ihn Isolde-Hedonie, um ihm klarzumachen, dass sie ein Gebilde seiner Begierde, eine Illusion ist (hier).
Um sie real zu erringen, müsse er im wirklichen Leben das Lieben üben.
Zuallererst komm wieder auf die Beine
und wenn du lieben willst, lieb erst das Kleine,
lass es ins Herz, und fühle wie es leuchtet
und deine harte Innenschicht befeuchtet.
Gib dich ihm hin, und nähre seine Glut
und freu dich dran, und nähre nicht die Wut
wenn andre dir mit Liebe nicht begegnen.
Beginne, jede Liebestat zu segnen.
Verbinde dich mit dem, was um dich ist
denn nur im andern fühlst du, wer du bist.
So lernst du leben, lernst du selbst zu sein
im liebend Wechselspiel, nicht mehr allein.
Jetzt muss ich gehn, verflossen ist die Nacht
die mich im Mondeslicht zu dir gebracht.
Gewinn mich neu in frischer Tageshelle
indem du sprudeln lässt der Liebe Quelle.
So sprach Isolde, entschwand und ließ Wilhelm zurück, der erschöpft einschlief.
Hera und die Spirits treten auf.
Hera
Nun helft, meine Kleinen, den Mann zu bewahren,
der hier in dem Hain ohne Hilfe geblieben.
Er stürzte herab, denn er war nicht erfahren
in Dingen des Herzens, er weiß nichts vom Lieben.
Doch ist er nicht schlecht, sonst wär er verloren,
nun helft ihm, so dass er wieder geboren.
Ho:
Hoho, ei do! ne grüne Wiese!
Ro:
Ich schicke ihm ne leichte Brise!
Lu:
Lass mich das tun, ist mein Metier
Wa:
Ich mach aus Blumen ihm nen Tee!
Ma:
Mama mia welche Lust!
Schaut, jetzt regt sich seine Brust!
Ro-Ho im Duett:
Ein Windchen wehe, zu kühlen die Stirn
Lu-Wa im Duett
So wird auch gekühlt dahinter das Hirn
Ma:
Ich lasse sein Herzchen von Neuem ihm schlagen
es sollen ihn keine Herzschmerzen mehr plagen.
Lu-Ho-Ro-Wa-Ma im Chor:
Er richtet sich auf, er wird langsam wach
er ist noch benommen, weiß nicht wo er ist
Er schaut auf das Bein, das er sich zerbrach,
ihm kommt die Erinnerung an einen Zwist.
Hera
Nun reicht es, ihr Lieben, ich danke euch sehr
die Lebenskraft habt ihr ihm wiedergeschenkt.
Für ihren Gebrauch gibts keine Gewähr.
Ob er nun begreift oder wieder verdrängt.
Da ist er ganz frei, er muss es selber rausfinden
von seiner Willensfreiheit kann niemand ihn entbinden.
Hera und die Spirits verschwinden.
Auftritt Tschinn, der Macher
Tschinn:
Ich bin der Macher, mein Name ist Tschinn
ich suche den Kairos, wo ist der bloß hin?
Er zeigt mir die Chanc‘ und bei meinem Geschick
gelingt mir der Coup dann, mit ein wenig Glück.
O hoppla, was ist das, ein Mann liegt im Gras!
Was soll das bedeuten? Ich geb besser Gas,
Vielleicht ist er hilflos, vielleicht schon gestorben,
dann wäre mein ganzer Tag mir verdorben.
Ich müsste ihm helfen, vielleicht gar vermelden
dass hier liegt ein Toter, ich spiel nicht den Helden.
Ich hab nix gesehen, ich misch mich nicht ein,
das brächte nur Ärger, und das muss nicht sein.
Wilhelm (richtet sich auf)
He Kumpel, ich bitt dich, geh nicht so vorbei
ich brauch deine Hilfe, mein Bein ist entzwei!
Tschinn
Du hast was gebrochen? Das tut mir sehr leid
doch habe ich grade so gar keine Zeit.
Ich suche Kairos, wo steckt nur das Vieh?
er war mir gehorsam, entwischte mir nie.
Wilhelm
Den kenn ich, er trug mich am Abend hierher
doch dann ging er weg, er wollte nicht mehr.
Tschinn
Ja sag, wohin ist er gegangen?
ich muss ihn finden und einfangen.
Wilhelm
Wohin? Das weiß ich nicht. Ich würds dir sonst verraten.
Du nennst den Macher dich, wie stehts mit deinen Taten?
Brauchst du ein Vieh, um Taten zu vollbringen?
Tut es die eigne Kraft denn nicht vor allen Dingen?
Tschinn
Kraft habe ich schon. Doch was nutzt die Kraft
wenn sie nicht zugleich auch Gewinn mir verschafft?
Kannst du mich bezahlen, dann helfe ich dir
Ansonsten bleibe vom Halse mir.
Wilhelm
So einer bist du? dann darfst du verschwinden.
Ich werde woanders wohl Hilfe noch finden.
Tschinn
Das ist mir auch lieber, mein Herr und Gebieter.
Ich bin nun mal nicht der gute Samariter.
Der Macher geht ab.
Zwischen den Bäumen erscheinen Abud und Jenny
wird fortgesetzt.
Oh Gerda, ich las erst den Anfang und bin begeistert von dieser Wende: Zuerst Isoldes aufrichtende, wegweisende Worte, dann der Auftritt von Hera mit dem Reigen der Spirits!
Das erinnert mich sehr an den Anfang von Goethes Faust II, auch in Rhythmus und Sprache und natürlich dem guten Geist dahinter. 💓🌷🦋🍀
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Es soll eine Anspielung auf Faust II sein, aber Rhythmus und Sprache sind bei mir doch – übrigens nicht nur aus Unvermögen, sondern auch aus Absicht – viel banaler.
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Ich finde es nach wie vor ähnlich. ☺️
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🙂
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Und natürlich bin ich begeistert von dem Wandel des Bühnenbildes und nun von den Spirits.
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Und wieder spricht Hera so weise Worte, bevor sie die Spirits verabschiedet.
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Danke, Gisela!
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☺️
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Wie gut, daß nun Abud und Jenny erscheinen, nachdem Tschinn sich gerade zeigte und verschwand.
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Diese Lösung schwebte mir schon vor… Es bleibt jedoch spannend, da alle die Freiheit haben, sich so oder so zu entscheiden.
Jedenfalls ist dies eine echte neue gute Gelegenheit (Kairos), alte Schuld oder Versäumnisse auszugleichen, wiedergutzumachen, auch für Wilhelm.
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Das stimmt, eine gute Gelegenheit ist es. Ich bin gespannt, ob sie (wie sie) sie ergreifen. So mancher hatte eine gute Gelegenheit, sich zu versöhnen, und ließ sie ungenutzt verstreichen. (Ich hatte gestern eine entsprechende Aufstellung mit einer Frau, die mit ihrer Schwester verfeindet ist. Die Lösung lag offen da, aber sie konnte sie nicht nehmen.)
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So geht es oft. Wie viele gute Gelegenheiten ließen wir ungenutzt verstreichen, und das können wir auch in der gegenwärtigen Politik beobachten, die uns ja gleichsam – im Vergröserungsglas – den eigenen „Spiegel“ vorhält.
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die Politik als unser eigenes Verhalten im Vergrößerungsglas zu betrachten, ist ein Gedanke, der mir sehr einleuchtet.
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Ja, das denke ich manchmal. Und so wird uns ja gleichsam der Spiegel vorgehalten, um es auch im Kleinen zu bemerken und daran zu „arbeiten“, damit sich auf der „großen Bühne“ auch etwas ändern kann.
Aber was heißt „große Bühne“? Was im Kleinen geschieht, ist möglicherweise das Größere.(?)
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