Lustvoll ist es zu beobachten, wie die Natur Kunstwerke schafft. Lustvoll ist es auch, dem menschlichen Künstler zuzuschauen, der sich abmüht, Eigenes zu schaffen. Gestern sah ich Natur zu, wie sie Menschenkunst umgestaltet.
Ich stehe, inmitten von wilder Natur, vor einer mit einem Riegel verschlossenen Kirchentür. Es nieselt, der Regen nimmt zu. Ein Unterstand wäre grad recht. Mit der Hand lässt sich der Riegel nicht öffnen, wohl aber mit einem der Steine, die griffbereit am Boden liegen. Ich betrete den Raum. Die Kirche ist recht alt und recht hoch, das Licht spärlich.
Ich versuche vergeblich, das einzige blinde Fenster mit eisernem Rahmen zu öffnen. Doch auch im Dämmerlicht erkenne ich Spuren von Fresken an den Wänden, die von Moos und Flechten überwuchert sind. Kunst-Natur-Kunst ist hier am Entstehen.
An manchen Stellen hat die Flechte fast die gesamte Wandfläche erobert, an anderen ist sie noch am Beginn ihrer künstlerischen Entfaltung.
Mir gefallen die Ergebnisse am meisten, wo sich natürliche und menschliche Erschaffung die Waage halten. Vielleicht ist es bei dir anders? Vielleicht möchtest du die Fresken von Moos und Flechten befreien, sie in ihrem alten Glanz wieder herstellen und die Kirche gegen Feuchtigkeit und Verfall schützen? Oder vielleicht bist du ganz im Gegenteil eine von denen, die sich wünschen, alles Menschenwerk ginge wieder auf im Naturgeschehen, und von den Menschen bliebe nichts als ein paar unlesbare Spuren?
Tiefsinnigen Fragen zu einem wunderschönen Kunst-Natur-Kunstwerk!
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Da hast du einen wunderbaren Ort im Zeitensumpf entdeckt, gern würde ich da mitfühlen und den Duft des Alters und des Vergehens spüren…
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