Welttheater: 4. Akt, 32. Szene: Abud in Wilhelms Lager

Was zuletzt geschah: Die Gesellschaft um Domna und Danai haben sich in der Höhle getroffen und schlafen nun. Jenny hat Wilhelm in einem Olivenhain verlassen, nachdem sie sich nicht auf einen Weg einigen konnten (Bucht ioderKrankenhaus), weshalb Kairos sich verabschiedete. Nun schauen wir, wie es Abud, dem älteren Afrikaner, geht. Er hat sich voller Zorn von Wilhelm, Danai und Hawi getrennt,  weil er sich um seinen Lohn betrogen fühlt, und geht zurück in Wilhelms Lager, um zu holen, was ihm zusteht.

Abud:

Die Tür stand offen, so kam ich herein

viel Brauchbares scheint hier ja nicht mehr zu sein.

Mal sehn, was ich finde, als Ersatz für den Lohn

den der Boss mir nicht gab, und stattdessen nur Hohn.

 

So sind sie, die Weißen, so waren sie immer,

sind die Jungen jetzt besser, sind sie sogar schlimmer?

Sie dünken sich Herren, in uns sehn sie Sklaven,

Gehorchen wir ihnen, dann sind wir die Braven.

 

Ich aber bin frei, und ich habe Mut!

Ich nehm, was ich brauche, denn ich heiß Abud.

Auftritt Schurigel, der Angstmacher.

Schurigel:

Haha, ich lache, du hast keine Angst

und keine Herren, denen eifrig du dankst,

weil sie in Ruh dich lassen, anstatt dich zu jagen.

Du hast wohl vergessen, wer hier hat das Sagen?

 

Du kommst aus deinem verlausten Land

und möchtest nun dieses stecken in Brand!

 

Mein Freundchen, das klappt nicht, 

man jagt dich und schnappt dich

und sprich noch von Glück,

wenn man schickt dich zurück!

 

Du brichst hier ein und möchtest stehlen!

Dich wird die Kugel nicht verfehlen

die jeder Mann, der dich hier findet,

abfeuert oder auch dich bindet

 

und maltraitiert, so lang er mag,

die ganze Nacht und auch am Tag.

Er darf das, denn du bist ein Dieb,

den’s aus der Ferne zu uns trieb.

 

Er macht mit dir, ganz was er will

und du, mein Bürschchen, hältst schön still.

Du bist ne Laus, ne Ratte!

Dich packt man nicht in Watte!

Abud

Hast du endlich ausgesprochen?

Siehst mich auf Knien angekrochen?

Da kennst du schlecht Abud!

Abud bedeutet Mut!

 

Hau ab, Gespenst, hab keine Zeit

Hau ab und such nicht weit΄ren Streit!

Ich nehme nur, was rechtens mir gehört

Es tut mir leid, wenn dich das so verstört.

Schurigel:

Du wirst schon sehen, was du davon hast.

Ich seh dich schon am Galgen hängen fast.

Schurigel geht ab.

Abud:

Was nehm ich nun? Vielleicht dies Stück

aus Wellblech bringt mir etwas Glück.

Ist nicht viel wert, bringt nicht viel Geld.

Egal, ich nehms, weils mir gefällt.

Auftritt Diaphania

Diaphania

Was tust du hier und treibst du, junger Mann?

Wer gab das Recht dazu, durch wen und wann?

Abud

Das Recht? Das Recht gibt mir die Not.

Sie ist das allerhöchst Gebot.

Das Recht gibt mir auch, dass ich trug

den Wilhelm, ist das nicht genug?

Diaphania

Die Not gilt nicht als Rechtsgrundlage

und was du tatest, ist die Frage.

Du hast den Mann im Sumpf gelassen,

anstatt wie’s recht ist, aufzupassen

bis er aus eignen Kräften geht.

Das ist’s, was im Gesetze steht.

Abud:

Der Mann hat mich beschimpft!

Er hat mich verunglimpft!

Was er gesagt, das sei geschrieben

wie es in meinem Hirn geblieben:

„Beeil dich, Halunke, hier wird nicht verhandelt

jetzt mach schon voran, du schwarzes Gesicht!

Erst kommt ihr hierher und das Land wird verschandelt

dann wollt ihr noch Geld – doch bei mir holst du’s nicht.“

So sprach er und wollte, ich sollte ihn tragen!

Hast du vielleicht noch weitere Fragen?

Diaphania

Nein, danke, ich seh, der Mann ist selbst schuld

Du hattest mit ihm nicht wenig Geduld.

Der Lohn steht dir zu, denn du hast gegeben

und nimmst dir jetzt nur, was du nötig zum Leben.

So hab ich keine weitren Bedenken

Möge das Recht deine Schritte stets lenken.

Diaphania geht ab

Auftritt Hera

Wird fortgesetzt

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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6 Antworten zu Welttheater: 4. Akt, 32. Szene: Abud in Wilhelms Lager

  1. Gisela Benseler schreibt:

    Toll, wie Du Dich hier als Dichterin und Bühnengestalterin und Regisseurin einbringst, Gerda! Es bleibt spannend.🙋

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  2. Mitzi Irsaj schreibt:

    Ist Abud im Recht? Interessant wie ich beim Lesen schwanke. Verstehe mal den einen, dann den anderen. Verstehe beide und sehe zugleich das, was mir von beiden Seiten als falsch erscheint.
    Sehr sehr gut beleuchtet, Gerda.

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    • gkazakou schreibt:

      Danke, Mitzi, für deinen tollen Kommentar. Ich freu mich sehr, dass es so ankommt. Niemals ist man ja völlig im Recht, aber auch nicht völlig im Unrecht. Jeder hat einen Punkt und übersieht die Gesichtspunkte der anderen. Genau das ist der Grund, warum der diesjährige Heros in so viele Gestalten aufgesplittert ist. Sie müssen alle zu ihrem Recht kommen, selbst wenn man mehr mit dem einen oder anderen stärker identifiziert ist. Ob 17 Aspekte reichen, um die ganze Palette abzubilden? wohl kaum. aber immerhin kann jeder der Splitter etwas Wahrheitslicht auffangen und zurückspiegeln. Eine erfreuliche Woche dir!

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      • Mitzi Irsaj schreibt:

        Sehr wahrscheinlich reichen sie nicht, die 17 Aspekte. Aber wirklich alles ab zu decken, kann auch nicht der Anspruch sein. In diesem Projekt steckt so unglaublich viel, dass ich es fest vorhabe, es am Ende noch einmal ganz zu lesen. Ich bin gespannt wie es dann wirken wird.

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  3. gkazakou schreibt:

    Danke, Mitzi, wunderbar! diesen Vorsatz habe ich auch, denn sicher gibt es ein paar Ungereimtheiten. Vielleicht kann ich es dann als Monatsheftchen oder so drucken.

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