Der 12-Tage-Rhythmus, in dem ich die Zwischenbilanzen schreibe, helfen mir, die sich zerfasernden Stränge des dramatischen Geschehens zusammenzuhalten und zusammenzuflechten.
Die erste Zwischenbilanz schrieb ich am 12. Januar. Dort findest du auch ein Personenverzeichnis und eine Revue, „wie alles begann“: Die „blinde Poetin“ (Domna), Ende 2022 zur wichtigsten Repräsentantin des Jahres 2023 gewählt, ist der spiritus rector dieses „Welttheaters“. Mithilfe von Eichendorffs „Wünschelrute“ (Zauberwort) findet Domna das Leitmotiv des Stücks: „Geben und Nehmen im Ausgleich“. Es ist das große Gesetz der Natur. Inwieweit es auch zum Gesetz der Menschen werden kann, wird sich wohl erst noch zeigen müssen.
2.-4. Zwischenbilanzen zeigen Variationen des zentralen Themas von Geben und Nehmen auf.
In der fünften Zwischenbilanz vom 1. März mache ich mir Gedanken über meine Figuren: Sind sie feste Typen oder entwicklungsfähig wie reale Menschen? Ich untersuche das Thema anhand der „Hilfesuchenden“ Danai und dem „Überlebenskünstler“ Wilhelm: Danai wird zur „Helfenden“ und Wilhelm zum „Hilflosen“, der fürs Überleben auf die Hilfe anderer angewiesen ist. Sein tieferes Thema aber ist Kontrolle vs Hingabe.
In der sechste Zwischenbilanz vom 13. März schaue ich auf die Entwicklungsmöglichkeiten von Tschinn dem Macher, von Kind Clara, von Jenny theKid und der Fragenden Trud. Inhaltlich geht es vor allem um die Beziehung der Lebenden zu den Toten.
Wie ging es seither weiter?
Wir haben es mit vier Handlungssträngen zu tun:
a) Streit zwischen Wilhelm und Abud, in dem sie ihre rassistischen bzw vom Kolonialismus geprägten Vorurteile aktivieren. Beide wollen nehmen, ohne zu geben. Daher bleiben sie allein.
b) Danai wird zur Beschützerin und Lehrerin oder auch Ersatzmutter für den kleinen Hawi. (Danai hat auf der Flucht ihr eigenes Kind verloren). Die beiden entdecken eine gemeinsame Heimat, trotz verschiedener Muttersprachen.
c) Die Gruppe um Domna ist unentschlossen, wo sie nächtigen wollen. So ergreift Jenny die „Gelegenheit“ (Kairos) und setzt sich ab. Sie will zu Wilhelm, der ihr als „Überlebenskünstler“ sympathisch ist. Vielleicht sucht sie eine Art „Ersatzvater“ in ihm. Als sie ihn findet, ist er hilflos und „verrückt“, denn er will zu der halluzinierten Isolde (Hedonie) in die Bucht, anstatt, wie Jenny vorschlägt, ins Krankenhaus, um sein Bein zu heilen. Als sie sieht, dass ihr Hilfsangebot ins Leere läuft, lässt sie ihn innerlich los: „Tu was du willst, was geht es mich an“. Aber sie lässt ihn nicht im Stich.
d) Domna, Trud und Clara suchen Danais Höhle, um dort zu übernachten, doch kennen sie den Weg nicht. Die sonst so nutzlose Trud macht sich für das müde Kind Clara zum Pferdchen. Die blinde Domna vernimmt den dadurch ausgelösten Klang und erkennt so den Weg zur Höhle. In der Höhle nächtigen Schafe, bewacht von Hunden, die sich freundlich gegenüber den freundlich Eintretenden verhalten. Die Aktive ist in dieser Szene die immer-fragende-Trud, die sich zur das-Kind-tragenden-Trud wandelt und dadurch eine harmonische Entwicklung anstößt.
Schön, wie Du die vielfältigen Handlungsstränge immer wieder – rückblickend – zusammenfaßt und dadurch Dir und uns die Übersicht erleichterst. Das Hauptmotiv heißt: der harmonische Ausgleich von Nehmen und Geben, ein tragendes Schöpfungsgesetz. Wo es eingehalten wird, entwickelt es sich gut. Wo zuerst ans Nehmen gedacht wird ohne zu geben, geht es nicht gut.
LikeLike
Danke für dein genaues Lesen und Mitgehen, liebe Gisela.
LikeLike
Ja, das tu ich doch gern, Gerda.☺️
LikeLike
Wie sich einzelne Figuren wandeln, zeigst Du hier überzeugend: Danai wird von der Hilfesuchenden zur Helfenden, Wilhelm vom Sammler zum Hilflosen. Und Trud wird von der „Immer-Fragenden“ zur „Das-Kind-Tragenden“. ☺️
LikeLike
Auch für mich als Leser sind die Zwischenbilanzen hilfreich. Zum Erinnern, aber auch um das Geschehen Revue passieren zu lassen.
LikeLike
Lieben Dank, Mitzi. Ich denke, dass es in der Form des Blogs schwierig ist, Handlungen zu verfolgen. Drum scheinen mir solche Übersichten notwendig zu sein.
LikeGefällt 1 Person
Früher trug ich manchmal mein Haar in einen „Französischen Zopf“ geflochten, deine Handlungsstränge erinnerten mich eben daran: Genauso glänzend und vielfältig verflochten!
LikeLike