Seit der letzten Zwischenbilanz sind erneut 12 Tage vergangen. Doch auf meiner kleinen Weltbühne ist nichts geschehen. Ich brauchte eine Pause, um nachzudenken. um welche Art von Drama es sich eigentlich handelt.
Anfangs habe ich die Figuren des Theaters als Typen erdacht. Typen sind einseitig. Im Typus ist der Charakter festgeschrieben, unwandelbar, man kann sich darauf verlassen, dass er handelt, wie es in ihm angelegt ist. Der Geizhals ist geizig, der Nachdenkliche nachdenklich, der Kindliche kindlich.
Menschen sind keine Typen, aber auch sie leiden unter Einseitigkeiten. Um die Einseitigkeiten zu überwinden, braucht es Bewegung, Brüche, Kehrtwendungen, Entwicklungen, Wandlungen. Den meisten von uns gelingt es nicht, unsere Einseitigkeiten zu überwinden. Beim Typus ist das Ziel erreicht, wenn er sein Gegenteil mitenthält.
In meinem Welttheater kann man zusehen, wie die erdachten einseitigen Typen aufbrechen und an Breite und Tiefe gewinnen. Die deutlichste Entwicklung haben bisher zwei Figuren durchgemacht: die „Hilfesuchende“ Danai und der „Überlebenskünstler“ Wilhelm.
Danai ist eine „Hilfesuchende“, aber trägt einen großen Wissensfundus und viel Weisheit in sich. So gelingt es ihr, indem sie sich entfaltet, gleichzeitig die beiden Pole der extremen Hilflosigkeit und der unbedingten Helferin zu berühren. Das ist kein Spagat, sondern eine harmonische Erweiterung ihrer Wesensanlage, die im Begriff Hilfe-Helfen ihr Zentrum hat.
Wilhelm, der „Überlebenskünstler“, ist angelegt als einsamer Wolf, den nichts umbringt, der sein Leben kontrolliert und der sich allen Herausforderungen gewachsen fühlt. Als er dem „Hasen“ (Sinnbild der Hedonie) nachjagt, stürzt er und erleidet einen völligen Kontrollverlust. Seine Träume „übermannen“ ihn. Die Entwicklung trifft ihn innerlich schlecht vorbereitet, er versteht kaum den Charakter der neuen Herausforderung, die sich vielleicht als „Hingabe“ bezeichnen ließe (Kontrolle des Lebens vs Hingabe an das Leben). Die Sehnsucht nach der „Geliebten“ wird ihn voranbringen müssen, um seine Einseitigkeit zu überwinden.
Ich habe also für den Fortgang des Dramas eine Art Parameter gefunden: Welches sind die unterdrückten bzw nicht offensichtlichen Eigenschaften des Typus, die, wenn sie in Erscheinung treten, die Einseitigkeit des Typus überwinden. Welcher Ereignisse bedarf es, damit sich der Typus erweitert und dadurch seine besonderen Qualitäten ins Gesamtspiel einzubringen vermag?
Erweiterung bedeutet keinesfalls, dass sich am Ende alle Typen gleichen! Die Saubohne, die ich grad beobachte, bleibt über alle Wandlungen hinweg eine Saubohne und wird keine Sonnenblume, und Wilhelm bleibt Wilhelm und wird nicht zu Danai.
Jeder Typus kreist um eine ihm eigene Lebensfrage, und er erweitert sich, indem er den ganzen Kreis dieser für ihn typischen Frage abschreitet: Hilflosigkeit-Helfen ist es bei Danai, Kontrolle-Hingabe bei Wilhelm. Soviel habe ich nun verstanden.
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Und wie lässt sich das nun auf andere Typen anwenden?
Die letzte Szene, „Feuer“ überschrieben, endet mit einer Warnung Danais an Abud: Du musst deine Wut mäßigen, sonst geht die Welt in Flammen auf. Abud ist als Typus im Opfer-Täter-Spektrum angelegt. Die unterdrückte Glut (Wut) des Opfers kann leicht in die offene Flamme des Täters umschlagen, und der unkontrollierte Wutausbruch kann ihn leicht erneut zum Opfer machen. Hier ginge es darum, Abud beizustehen, dass er aus der Opfer-Täter-Matrix aussteigt und seinen Eigen-Wert entdeckt. Welches das ist, muss sich erst noch herausstellen.
Ich bin gespannt wie sich das Theater und auch (oder ganz besonders) wie sich die Charaktere entwickeln werden.
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Ich auch! Ich hoffe, es gelingt mir, sie sich sinnvoll entfalten zu lassen.
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Ich dachte gerade an das Enneagramm, oder eigentlich jede Typenlehre, die auch die Schattenseite immer mit einbezieht. Gerade erlebe ich live so ein Theater, daher lese ich bei dir nicht wirklich alles mit, in jeder Gruppe die ich bisher kenne, sind die Regeln für irgendwen zu eng, Machtstrukturen bilden sich, und werden gesprengt.
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Danke für den Hinweis aufs Enneagramm, das ich kenne, aber grad nicht auf dem Schirm hatte.
„Machtstrukturen bilden sich“ in jeder Gruppe, zumindest ist das die Trndenz jeder Gruppe. Das Sprengen solcher Strukturen ist sehr mühsam.
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Der Satz: (frei für mich übersetzt) „Die Saubohne bleibt eine Saubohne, auch wenn sie sich erweitert“ ☺ hat mich sehr erfreut, denn mir scheint, es gibt viele Menschen, die Angst vor der Erweiterung haben, Angst davor nicht mehr sie selbst zu sein, wenn sie sich verändern und neugierig andere (Denk-) Welten besuchen. Wir sind aber doch alle Böhnchen eines gesamten großen Theaters und Gott will uns in all den Facetten, mit all unseren Erfahrungen und nicht Gleichheit.
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Nicht nur Gott will das, ich will das auch. 😉
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😄
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Normen wollen uns ja in Beständigkeit einfrieren und somit als „Pfründe“ sichern.
Wer eigenständig und selbstbestimmt sein will, muss immer etwas „Kämpfer“ sein, denke ich, und strategisch denken und handeln wie die „Großen“.
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