Fragwürdige Lustbarkeiten: Wäldchen, Bach und Architektur

Heute ging ich bei strahlendem Wetter raus, eine Runde in der Nachbarschaft zu drehen, auf der Jagd nach fotografierbaren Lustbarkeiten. Das gelang mir nur in sehr bescheidenem Maße. Denn Schönes sah ich sehr wohl, es wurde aber ausgestochen von weniger Schönem und sogar Katastrophalem.

Wie zum Beispiel dem Sterben unseres Pinienwäldchens. Ja, die meisten der Bäume sind fast oder ganz tot. Die Pinienprozessionsraupen haben sich ausgetobt, haben den im überheißen Sommer des Vorjahrs angegriffenen Pinien den Garaus gemacht. Nun bedeckt zwar frühlingshaftes Grün – insbesondere der großblättrige Frauenmantel und die blühenden Malven – den kargen Boden, aber die Bäume, die armen Bäume…..

Entschlossen, mich nicht runterziehen zu lassen, wandere ich weiter und steuere schließlich einen Wasserlauf an: das Remma von Halandri. Wasser führt dieser Wildbach momentan nicht. Steil abbrechende Wände mit kräftigem Bewuchs rahmen ihn. Das weiße Flußgestein ruht still und harmlos unten am Grund. Seine Wildheit ist nach kräftigen Regenfällen gefürchtet, mit Schaudern denke ich, wie wir den 14-jährigen Sohn einer lieben Kollegin suchten, der hinausgegangen war, die plötzlich sich bildenden Sturzfluten zu fotografieren. Sein Leichnam wurde später draußen im Meer gefunden. Das ist nun vierzig Jahre her und immer als Bild präsent, wenn ich mich an diesem Wasserlauf aufhalte.

Die  Unberechenbarkeit des Baches hat sogar die sonst vor nichts zurückschreckenden illegalen Häuslebauer davon abgehalten, richtige Häuser an sein Ufer zu stellen. Nur allerlei Baracken und Behelfsbauten, durch die Möchtegern-Eigentümer eventuelle Eigentumsrechte geltend machen, belagern ihn.

In dem Maße, wie ich mich vom Bachlauf entferne, wird die Bebauung intensiver. Griechische Vororte entwickeln sich anarchisch: Man baut dort, wo man mit einigem Fug und Recht behaupten kann, Boden zu besitzen. Erst entstehen die Häuser, dann die dazugehörige Infrastruktur wie Straßen, Kanalisation, Gas-, Wasser-, Stromversorgung. Jedenfalls war es lange Zeit so, daher wechseln Prachtbauten mit verunkrauteten Leerstellen, liebevoll gestaltete Einfamilienhäuser mit mächtigen Wohnanlagen ab, und so manche Straße führt in eine Sackgasse.

Heute habe ich nur zwei neu entstandene Wohnanlagen fotografiert. Die eine ist noch nicht bezogen. Die Wohnungen sind sicher nicht schlecht, und vom Balkon hat man einen weiten Ausblick…. Das ist immerhin ein Vorteil gegenüber den kleinen Häuschen dazwischen, die im Schatten der Großen nun allen Glanz verloren haben.  Und die älteren Sieger in diesem Höhenwettlauf müssen nun hinnehmen, dass sie nicht mehr ins Weite, sondern auf eine Wand mit Balkonen blicken….

(Wegstrecke 6.5 km)

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Architektur, Fotografie, Katastrophe, Leben, Natur, Tagebuch der Lustbarkeiten, Umwelt abgelegt und mit , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

35 Antworten zu Fragwürdige Lustbarkeiten: Wäldchen, Bach und Architektur

  1. Schau mal Gerda, so kam ein Teil Deines Textes bei mir rüber!

    Gefällt 1 Person

  2. Das mit den Pinien ist echt sehr traurig! Und Deine Erinnerungen von vor 40 Jahren mit dem Sohn Deiner damaligen Kollegin einfach fürchterlich!
    Ja bei den Flut Katastrophen werden kleinste Rinnsäle zu Sturzbächen! Das ist Brand gefährlich! Fürchterlich!!!

    Gefällt 1 Person

    • gkazakou schreibt:

      Ja, man muss das wissen. Ein kleiner Fluss, eigentlich eher Bach, in Arkadien geht durch eine großartige Schlucht und ist sehr beliebt bei Wandergruppen. Da mein Mann daher stammt, bin ich oft durchgewandert. Einmal hat der Fluss eine ganze Gruppe mitgenommen, die hatten sogar einen Führer, sind alle ertrunken, es gibt dann kein Entkommen, weil die Hänge sehr steil sind. Unser Sandova hier ist auch so einer, tolle Schlucht, sehr eng, aber bevor ich da durch gehe, sehe ich mir sehr genau den Wetterbericht an. Es kann oben in den Bergen regnen und unten merkst du nichts davon, und plötzlich ist das Wasser da.

      Like

  3. Christiane schreibt:

    Update: Das ist ausschließlich die Darstellung auf dem Reader im Handy. Im Reader auf dem PC wie auch auf deiner Website ist es absolut okay.

    Like

  4. Myriade schreibt:

    Du bist also auch unter die Schrittzählerinnen gegangen 🙂
    Bei mir sieht der Beitrag ganz normal aus. Auf dem PC betrachtet , nicht mit einer app.

    Gefällt 1 Person

  5. evaannacarola schreibt:

    Trauriger Beitrag aber gut lesbar in App u PC.

    Like

  6. Pega Mund schreibt:

    es ist alles gut zu sehen u zu lesen (auf meinem handy, ohne jetpack), liebe gerda!

    eine gute nacht wünsche ich dir, einen seidenzarten traum, trotz alledem und alledem … herzlich: pega

    Gefällt 1 Person

  7. Gisela Benseler schreibt:

    Wo soll man da ansetzen, wo beginnen?

    Like

  8. Alles gut lesbar bei mir und auch auf dem Jetpack. Keinerlei Probleme

    Like

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..