Tagebuch der Lustbarkeiten: Erkundung

Ich mag es nicht bei den „Unlustbarkeiten“ der Prozessionsraupen belassen, denn der heutige Tag hat viel wirklich Schönes gebracht. Es reichte, dass wir uns auf die Socken machten, den nahegelegenen Stadtwald aufsuchten, von dort durch Löcher in Umzäunungen stiegen, weite verwilderte Naturlandschaften durchstreiften und schließlich in einer mir unbekannten Wohngegend landeten … Wir: mein zu einem Kurz-Besuch hier weilender Sohn und ich.

Die Mandelbäume stehen in voller Blüte, der Himmel ist knallblau und die beiden von uns aus sichtbaren Gebirge – Pendeli und Parnitha – zeigen Spuren von Schnee.

Im „Syngrou“ (Stadtwald, benannt nach seinem Stifter) wurde tüchtig aufgeräumt: Vertrocknete Bäume wurden beschnitten, verwildertes Unterholz an einigen Strecken, die besonders brandgefährdet sind, beseitigt. Sogar eine Übersichtstafel wurde aufgestellt, damit man sich nicht verirrt. Manchen gefällt dieser Ordnungseifer nicht, es gab Proteste deswegen. Immerhin gibt es nun auch neue, funktionierende Anschlüsse für die Feuerwehr, und ein riesiges Wasserresevoir gibt es auch. Die „Wurzelmännchen“ aka Weinreben sind noch da, ihr Feld stabil eingezäunt.

Wir verlassen das ummauerte Gelände des Syngrou an der entgegengesetzten Seite durch eine Lücke in der Mauer und gelangen in eine elegante Neubaugegend: Die durch Kameras gesicherten Grundstücke mit Häusern, die die Hand bekannter Architekten verraten, haben Sicht auf diesen Wald, was die Grundstückspreise natürlich mächtig beflügelt.

Wenig später hört die Bebauung auf, es gibt nichts mehr als eine leere Erschließungsstraße und einen Drahtzaun vor einem weitläufigen bewaldeten Gelände. Wenn du genau hinschaust, erkennst du in der Ferne die beschneiten Gipfel des Pentelikon.

Natürlich gibt es im Zaun ein Loch, groß genug, um hindurchzusteigen, und auch einen Trampelpfad, der von hier aus ins Waldgelände hinunterführt. Ein Raubvogel kreist darüber, später sehe ich einen zweiten. Unterwegs treffen wir eine Schildkröte, die haarscharf am menschlichen Schuh vorbeimarschiert auf ein uns nicht bekanntes Ziel zu.

In eine Gruppe riesenhafter Pinien hat jemand ein abenteuerliches Baumhaus gezimmert. Das ist die einzige Bebauung weit und breit.

Der Pfad führt an der anderen Seite des Geländes erneut durch ein Loch im Zaun raus auf einen schön gepflasterten und mit Laternen geschmückten Weg. So ist das Leben hier: voller Überraschungen. Ein Weg, der im Nichts beginnt und endet. Niemand scheint diesen Weg zu benutzen, außer den Anrainern, die hier ihre teuren Häuser auf teilweise riesige Grundstücke gestellt haben.

Die Grundstücke sind natürlich durch alle möglichen Schickanen vor Einbrechern gesichert. Müssen sie auch, denn hier riecht es nach viel Geld.

Gleich danach ist wieder Wildnis angesagt, die gelegentlich durch provisorische Erschließungsstraßen zu Häusern führen. Über den Trockenbach führt ein Brückchen.

Und dann ist es nur noch eine Viertelstunde bis nach Hause…. Mein Schrittezähler meint, dass wir 5,5 km zurückgelegt haben.

 

 

 

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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12 Antworten zu Tagebuch der Lustbarkeiten: Erkundung

  1. Alexander Carmele schreibt:

    Schöne Impressionen. Insbesondere die gelassene schildbewehrte Kröte, die ihres Weges geht. Da können die Raupen tatsächlich einpacken. Viele Grüße!

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  2. Mitzi Irsaj schreibt:

    Starke Kontraste. Die neuen Häuser sind schön. Mir gefallen die klaren Linien. Die Trampelpfade sind aber spannender.

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  3. Gisela Benseler schreibt:

    Wie abenteuerlich und schön für Euch Beide! Da freut man sich mit!😊💓🍀

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  4. Ein schöner Spaziergang, in der Gesellschaft Deines Sohnes. Ganz wundervoll muß das für Euch beide gewesen sein.

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  5. Wir waren mal vor langer Zeit in Portugal auf dem Grundstück eines Bekannten meines Mannes, da führten die Trampelpfade quer über das Grundstück. Da es nicht an die öffentliche Kanalisation angeschlossen war, hatte das Plumsklo nur eine Schilfmatte als Sichtschutz und Vorübergehende schauten manchmal um die Ecke. So was von peinlich!!!

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