Welttheater, Akt 3, Szene 15: Streit und Schlichtung

Was zuletzt geschah: Jenny weigert sich, mit den „Dieben“ an einem Tisch zu sitzen, und hält auch nichts von Heras Lebenskonzept des Säens und Erntens. Sie „kennt die Welt“, die roh ist. Wilhelm pflichtet ihr bei und will die Diebe verprügeln.

Danai:

Was wisst ihr denn von diesen beiden,

dass ihr sie rechnet zu den Heiden?

Haben sie wirklich was verbrochen?

Habt ihr mit ihnen schon gesprochen?

Vielleicht sind sie ganz ohne Schuld?

Fragt sie doch erst und habt Geduld!

Trud

Ist er ein Christ? Was er wohl glaubt?

Clara (zu ihrem Nachbarn):

He du, wie heißt du überhaupt?

Hawi (der jüngere):

Ich bin der Hawi, und der heißt Abud.

Wir kommen von weit, wo alles kaputt.

Abud (der ältere)

Wir hungrig und müde und schlafen im Wald

wir haben kein Decke, und nachts ist es kalt.

Ganz nett diese Dame, die sagt, wir willkommen.

wir auch ein Frühstück von euch hier bekommen.

Wir freuen und kommen und müssen nun hören

die Kleine dort und der Mann sich dran stören.

Sie sagen, wir Diebe, wir rauben und morden

wir sind weil wir schwarz sind ganz übele Horden.

Wir hungrig, jawohl, wir suchen was essen.-

Wir finden Konserven im Gras, wohl vergessen.

Da kommen die beiden und wir laufen weg

und Konserven bei fallen runter in Dreck.

Wilhelm:

Du willst uns erzählen, dass du es nicht warst?

Ich rat dir, dass du dir Ausreden sparst.

Ich kenn euch doch alle, ihr lügt wie gedruckt

das habt von den Schiebern ihr euch abgeguckt.

Jenny

Klar wart ihr hier drin, auch eure Kollegen

Ihr lungert im Wald, in der Schlucht und an Wegen

Ihr wartet, bis jemand sein Lager verlässt

dann pfeift ihr und los! Man kennt ja den Rest.

 

Hawi (weinerlich)

Nicht wahr! Der Hawi tut niemand beklauen

Wer klaut der wird von der Mama verhauen.

Abud

Komm Hawi wir gehn. Hier glaubt uns doch keiner.

Sie sehn uns als Tiere. Nun komm schon, mein Kleiner.

Domna:

Ich hörte sehr vieles,  es macht mich betrübt.

Ich wollte so sehr, dass einander ihr liebt.

Doch es scheint, dass die Liebe noch recht lange Zeit

die Schlacht verliert gegen Misstraun und Neid.

 

Ich bitt euch, ihr beiden, bleibt hier, dass wir lernen

wie ihr dort gelebt in den Ländern, den fernen,

und was euch geschah, warum ihr geflohn

Wer war deine Mama, von wem bist du Sohn?

Ich kann euch nicht sehen, doch fühl ich dein Leid

Bleibt hier und erzählt, wir haben ja Zeit.

 

In unsrer Runde seid willkommen

Hawi, Abud, in diesem Raum.

Du, Jenny, bist noch sehr beklommen

Ihr seid euch fremd, ihr kennt euch kaum.

 

Du, Wilhelm, tu, was Gott befohlen:

dem Fremdling öffne deine Tür

dass er sich von der Fahrt erholen

und essen kann, er dankt dafür.

Hera:

So war es schon immer, so muss es auch sein:

Der Mensch braucht Gesellschaft, wer isst gern allein?

Wenn sich der Hausherr freut der Gäste

Wird auch ein einfach Mahl zum Feste.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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9 Antworten zu Welttheater, Akt 3, Szene 15: Streit und Schlichtung

  1. Gisela Benseler schreibt:

    Das ist ja wieder eine tolle Wendung. Danke, Gerda.

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  2. Das gefällt mir sehr! Ich muss immer allein essen…

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    • gkazakou schreibt:

      Lade dir Leute ein! Epikur, der Begründer der „hedonistischen“ Lehre (4. Jh vor Chr.) schwor sich, niemals allein zu essen. Immer sorgte er dafür, dass noch andere an seinem Tisch saßen. Er war kein reicher, aber ein gastlicher Mann.

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      • An meinen Tisch würden höchstens 2 Personen passen! In meiner Ein-Raum-Bude ist nicht viel Platz. Darum trifft sich die Familie immer bei den anderen. – Meine Rente reicht auch gerade so für mich. Mehr als die Hälfte davon geht für Miete und das Drumherum drauf… Bin froh, wenn meine Unterwäsche noch´ne Weile hält und ich nix neu kaufen muss!

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      • gkazakou schreibt:

        Ich kann mir schon vorstellen, liebe Momfilou, dass es nicht einfach ist. Doch Raum ist auch in der kleinsten Hütte, und zu Essen können die Besucher ja mitbringen. Das macht man hier immer so. In Deutschland ist das freilich nicht so ohne weiteres möglich, fürchte ich. Es ist eine Kultur der Einsamkeit.

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  3. Wie schön, wenn sich am Ende alle vertragen und keiner den andern mehr haut…

    So schnell kommt einer unter Verdacht und kann sich kaum dagegen wehren

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    • gkazakou schreibt:

      Ja, wenn er den falschen Namen und die falsche Farbe hat, passiert es ihm fast automatisch, in Verdacht zu geraten. Hier sprachen auch die Umstände gegen die beiden.

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