Was zuletzt geschah: Hera brachte einen Korb und zwei Schwarzafrikaner mit – offenbar die Diebe. Sie lobt die Not, die erfinderisch macht und alte Tugenden wieder aufleben lässt. Insbesonder tadelt sie Menschen, die ernten wollen, ohne zu säen. Die Afrikaner ermahnt sie, das Stehlen zu lassen. Alle setzen sich um die Tafel. Alle?
Warum sitzen die beiden nicht mit uns im Kreis?
Gibt es einen Grund dafür, den ich nicht weiß?
Alle schauen fragend auf Jenny und Wilhelm
Clara:
Jenny, warum kommst du nicht her?
Bist du denn meine Freundin nicht mehr?
Hera:
Auch du, bester Wilhelm, setz dich in die Runde
Auf dass uns allen das Festessen munde.
Jenny (springt auf)
Ich komm nicht, ich setze mich nicht an den Tisch
mit solchen Typen, die rauben und andre bestehlen
Ehrlich, ich versteh’s nicht und find’s gar nicht komisch
Sind Männer, die andern durchschneiden die Kehlen!
Sie bringen dich um aus Spaß und aus Gier.
Die meide ich besser! Ich bin ja kein Held.
Nee, liebe Hera, das sage ich dir:
Du kennst dich nicht aus, wie heut ist die Welt!
Ich hass auch die Meinung, ich will da nicht lügen,
dass Not uns erzieht und wir gut daran täten
ganz wie die Alten die Felder zu pflügen
und ernteten nur, was wir selber auch säten.
Was ist das für ein blöder Stuss!
Werd ich es tun, wenn ich nicht muss?
Das Säen machen heut Maschinen
die kann ein jeder leicht bedienen
Das Ernten ist für solche Leute
die hier im Keller suchten Beute.
Wer hat schon Land? wer hat Geräte?
Und wenn ich selbst die Wiese mähte
und täglich macht den Rücken krumm
Ich bliebe arm, ich bliebe dumm.
Zu Essen kriegst du, hast du Knete
ansonsten heißt es: bete, bete.
Doch macht ihr nur, wie ihrs versteht.
Es ist nichts, was mich selbst angeht.
Wilhelm:
Ich denke wie Jenny, drum sitze ich hier
und teile das letzte Bierchen mit ihr.
Und esse die Würstchen, die, soll ich nun danken?
zu unserem Glück im Sumpf nicht versanken.
wo diese Bürschchen sie fallen gelassen
bevor sie sie selber konnten verprassen.
Ich weiß nicht, findet ihr das fair?
Mir selber sitzt es echt verquer
Ich hätte Lust, sie zu verdreschen.
die schwarzen Halunken da, die feschen!
Ich tu’s nicht jetzt, weil ich die Damen
die hierher in mein Lager kamen
nicht schrecken will, ich tu es später.
Statt Opfer bin ich lieber Täter!
– Pause –
In der Pause ist das zweite 3-Groschen-Finale zu hören: „Wovon lebt der Mensch“, Test: Bertold Brecht, Musik: Kurt Weill.
https://youtu.be/0gFyNCyaFNw
Wovon lebt der Mensch (Zweites Dreigroschenfinale)
´
In diesem Theaterstück lohnt es sich in der Pause genau zuzuhören.
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Danke, Mitzi. Ich denke, solche „Zwischenmusik“ kann als Kontrapunkt viel zum Verständnis des Textes beitragen. Witzig fand ich, dass Brechts Protagonistin wie meine Kleine Jenny heißt. Das war mir bei der Namenswahl nicht aufgefallen.
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Da habe ich einen kurzen Moment auch überlegt ob sich deine Jenny eingeschlichen hat. Ich hab Brecht nicht mehr parat gehabt.
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Mich hats gefreut. Den Namen habe ich von der Schweizer Schülerin übernommen, die mal bei den abc-Etüden mitgeschrieben hat.
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Nach diesem Zwischenspiel…,
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Es brach ab, vielleicht ein Zeichen für mich, das Kommende an mir vorbeirauschen zu lassen….
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ja … und meine tiefen und flachen, weiten und engen Gedanken ziehen ihre Bahn, verwirrt ob der Einfachheit und Klarheit und dem despektierlichen Widerstand, sich gegen das Offensichtliche zu verschließen, dass niemand alleine wirklich kann und helfen viel besser als stehlen ist. Danke für deine Worte und Erinnerung!
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Danke, Alexander. Das Offensichtliche ist selten das, was den Menschen einleuchtet.Es wird von den Emotionen verdunkelt.
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