Welttheater, 3. Akt, 14. Szene: Dea ex machina*

Was zuletzt geschah: Die durch den Einbruch entstandene Situation entspannt sich: Danai und Clara bringen Kräuter und Beeren für einen Salat, Jenny und Wilhelm haben weggeworfene Konserven gefunden, Domna lädt erneut zur Tafel. Da betritt die Göttin Hera die Szene.

(*Im antiken Theater war der „Deus ex machina„ein Gott, der per Maschine  von Oben auf die Bühne herabgesenkt wurde. Ihn brauchte man, wenn die Menschen ihre tragischen Verwicklungen nicht selbst lösen konnten.).

Hera

Ich sehe, ihr Lieben, ihr habt den Satz schon verstanden:

Nur wer sich selber behilft, dem hilft auch der Gott.

Denn wahrlich, so ist es. Fast immer sind Mittel vorhanden,

die sieht kaum ein Mensch, der befangen im täglichen Trott.

 

Erst wenn er geplagt durch unerwünschte Verluste

vertrieben vielleicht vom Haus, dem Hof und dem Feld

und nun nicht mehr brauchen kann das, was er wusste

und ihm auch das Tauschmittel  fehlt, ich meine das Geld:

 

Dann erst wird er findig und denkt und erlernt neue Sachen

dann liest er die Spuren der Tiere, dann schaut er genau,

dann studiert er geduldig die Menschen und auch fremde Sprachen

dann sagt auch die Frau nicht: ‚ich bin ja nur eine Frau…

 

wie soll ich mich denn ohne Mann am Leben erhalten?

Ich brauche den tüchtigen Mann, der sorgt für mich und die Speisen‘.

Die Not, sie ändert die Regeln, die gestern noch galten.

Not macht erfinderisch, sagen die Alten und Weisen.

 

So deckt denn den Tisch geschwind mit dem, was ihr brachtet.

Ich gehe derweil und schaffe herbei auch das Meine.

Das Eure ist wert und in keinem Falle verachtet.

Doch auch ein Gott will geben und spenden das Seine.

 

Hera geht ab. Alle bewegen sich, um einen Beitrag zum Frühstück zu leisten.

Jenny:

Hier ist eine Dose mit Würstchen, sehr lecker

Wilhelm:

und hier eine Dose mit Brot, fast so wie vom Bäcker

Jenny:

Ich hab noch ne Schachtel mit Kuchen gefunden

Wilhelm

Ich fand ein paar Biere, im Wald beim Erkunden.

Danai:

Lieb Clara, zeig her, welche Beeren du hast?

Die schwarzen sind prima, der Salat dazu passt!

Clara (zu Trud)

Ich habe auch gelbe Würzelchen hier

die kannst du haben, die schenke ich dir.

Trud

Wie heißt denn die Wurzel, und ist sie bekömmlich?

Clara:

Ich glaub, die ist gut, wie sie heißt weiß ich nich.

Frag lieber Danai, die kennt alle Sachen

ob sie gut sind oder Bauchschmerzen machen.

Jenny:

Ich fand diesen Käse und  hoffe doch sehr

dass er nicht zu alt ist, sonst schmeckt er nicht mehr!

 

Domna

Soll der Käse etwas taugen,
hab er nicht 10 000 Augen
wie einst Argus. Auch nicht klein,
breit und dick, so soll er sein!
Kein Methusalem an Jahren
werd er durch zu langes Sparen;
nein, der Büßrin reich an Thränen
soll er gleichen, Magdalenen.
Habakuk einst kochte Brei,
breiig nicht der Käse sei!
Was man liest von Lazarus,
gelte auch vom caseus:
Dort hört man’s im Klageton,
hier als Ruhm: »er stinket schon«.*

(*Martin Luther, 1483 – 1546)

Hera erscheint wieder, mit ihr herein kommen zwei Schwarzafrikaner, die einen Korb mit Obst schleppen.

Hera:

Ich könnte euch, als die Gottheit, die ich bin

mit Nektar laben, und herrlichem Gebäck

Doch frag ich euch, wo wäre der Gewinn?

Was hätte solche Wohltat denn als Zweck?

 

Ihr würdet statt zu handeln nur noch beten

und würdet Gott verfluchen, wenn die Speise fehlt.

Ich zeigte euch das Hacken, Säen, Jäten

Damit euch niemals mehr der Hunger quält.

 

Doch ihr vergaßt die alte Kunst und dachtet

dass es viel leichter sei, die Erde zu berauben,

die Menschen auch, die ihr zu Sklaven machtet!

Der Gott, so dachtet ihr, der würd es euch erlauben,

 

wenn ihr nur kräftig für ihn opfern tätet,

von dem, was ihr geraubt, nen Anteil gebt,

von dem Getreide, das ihr selbst nicht sätet

und von dem Gold, für das ihr lebt und strebt.

 

Ich weiß, dass mancher hier im Raume

selbst Opfer ist und an den Rand gespült.

Doch folgt auch er dem wundersamen Traume

wie man als reicher Mensch sich fühlt.

 

Auch er, verhärtet gegen Mensch und Tier,

denkt nur, wie er den eignen Bauch befriedet

wie er bei Pommes, Wurst und Bier

den großen Coup und Pläne schmiedet

 

um dereinst selbst, frei von Moral,

zu prassen als Adept von Baal.

An die beiden Schwarzen gewendet:

O ja, euch mein ich auch, so gut wie alle andern

Ihr risst euch von der Heimaterde los

ihr wart entschlossen, weit zu wandern

ihr setztet euch in Ängsten auf ein Floß…

 

Warum? Weil ihr euch selbst belogen,

dass Reichtum euch und Luxus winkt.

Ihr habt die Lügen aufgesogen,

die mancher Werber euch da singt.

 

Die Mütter ließet ihr zu Haus

sie mögen darben, mögen schrein.

Ihr träumtet süß von Saus und Braus.

Erwacht, seid ihr nun ganz allein

 

im Wald, verängstigt und erbärmlich

verstecktet euch, und raubtet Brot

von Menschen, die doch selber ärmlich

und heimgesucht von eigner Not.

 

So setzt nun meinen Korb hier nieder

und hockt euch zu den andern hin.

und raubt und stehlt mir ja nicht wieder!

Sonst, ja, zerbrech ich euch die Glieder

So wahr ich eine Göttin bin!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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5 Antworten zu Welttheater, 3. Akt, 14. Szene: Dea ex machina*

  1. Gisela Benseler schreibt:

    Ein Welttheater voller Ideen…. Götter und Menschen, Wesen aller Art, Konflikte, die gelöst werden… Gerda, das wird sicher gut ankommen bei den meisten. 🍀🙏❄️♥️😊

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  2. Gisela Benseler schreibt:

    Das ist mir klar, Gerda.

    Like

  3. Anonymous schreibt:

    Ja, es kommt gut an 🙂

    Gefällt 1 Person

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