Was zuletzt geschah: Hera hat ihren Monolog über die wahre Version der Danaidengeschichte beendet. Jenny protestiert heftig und verkündet ihre Lebensdevise: sie will nicht für „weibliche“ Arbeiten eingespannt werden, sondern frei sein.
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Moment mal, Hera,
willst du uns etwa erzählen
wie gut das Dienen sei?
Solln wir uns weiter quälen?
Ich selbst bin lieber frei!
Trud, die Fragende, hat ihrerseits etliche Grundsatz- und Detailfragen. Hören wir sie selbst:
Trud:
Bist du sicher, hohe Göttin, dass die Frauen besser sind
als die Männer, nur weil sie im Bauch ein Kind
tragen können, Männer nicht?
Führen nicht auch Frauen Kriege?
Neigen Fraun nicht auch zur Lüge
Führen andre hinters Licht?
Bist du sicher, dass die Zahl
der Frauen wirklich fünfzig war?
Vielleicht warns zehn, die diese Qual
erdulden mussten Jahr um Jahr?
Wo stehts geschrieben, gibts Beweise
dass die Männer sie entehrt?
Oder machten sie die Reise
Weil die Heimat nichts mehr wert?
Viele Fragen bleiben offen
viel Geschwätz und wenig Sinn
Weils so ist, bleibt nur zu hoffen
dass ich selbst im Irrtum bin.
Hera zieht sich langsam zurück, Trud rutscht auf den Knien hinter ihr her, immer weiter ihre Fragen murmelnd.
Trud
Stets muss man die Quellen kennen
Wer was sagte und warum
Muss auch stets die Namen nennen
Und vom Ereignis das Datum.
Hera
Das ist das Schlimme dieser Zeit
Dass niemand glaubt, was er vor Augen
Und selbst wenn laut die Wahrheit schreit
Fragt ihr, was die Beweise taugen.
Und so geschieht, was offenbar
Schon längst den Menschen, die gescheit.
Die andern spalten Haar um Haar,
Zum Handeln sind sie nicht bereit.
Hera und Trud gehen ab.
Was für herrliche Dialoge. Ich mochte besonders:
„Viele Fragen bleiben offen
viel Geschwätz und wenig Sinn
Weils so ist, bleibt nur zu hoffen
dass ich selbst im Irrtum bin.“
Da habe ich mich gefreut und geschmunzelt. Der Irrtum wird als öffnendes Moment, als Aha-Erlebnis unterschätzt. Zu oft verschließt die Erwartung meine Augen – ich mag es, wenn ich mich irre. Es ist eine stete Hoffnung und Fröhlichkeit darin.
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Danke sehr, Alexander, für diesen Kommentar, der zur rechten Zeit kommt. Denn ich bin ein wenig verunsichert, ob ich dieses Format durchhalten kann, oder ob es beim Leser als „viel Geschwätz und wenig Sinn“ ankommt. Die gereimte Form braucht eigentlich viel mehr Zeit und Geduld, als die meinsten Leser heute haben. Und so neige auch ich zu Abkürzungen, um nicht zu überfordern. Ein Korrektiv suche ich im Kommentarstrang und nun auch vermehrt in den kleinen überleitenden Texten.
Ich bleibe jedenfalls dran. Es ist für mich spannend, von Tag zu Tag das Werden meines eigenen Textes mitzuerleben. Ich weiß tatsächlich kaum, was in der nächsten Szene passieren wird. Die Figuren bringen mich jedesmal weiter.
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Mir gefällt der Text außerordentlich. Er bringt eine Saite in mir zum Schwingen, die nur noch selten schwingt, ein Episch-Fröhlich-Ergiebiges 🙂
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Das tut mir nun sehr gut, lieber Alexander, denn ich fühle es, seit ich den Blog mache, als meine Aufgabe, schwierige, auch umkämpfte Themen in fröhlicher Manier umzuwälzen und nahezubringen. Dem diente meine Schnipselwelt von Anfang an. Und auch Dora entstand aus diesem Grunde.
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