Was zuletzt geschah: Trud, die Fragende, stellt ihrer Art gemäß Fragen um des Fragens willen. Hera reagiert unwillig: Das Offensichtliche zu hinterfragen, sei wenig hilfreich. Hera und Trud verlassen die Szene, Jenny theKid verharrt unschlüssig. Domna wendet sich Danai zu. Sie rezitiert mit inniger Stimme ein Gedicht*.
Domna
„Bräunliche Haide im Sonnenduft,
Wandervögel in blauer Luft,
Und eine Welle, die weit vom Fluß
Sich in das träumende Land verirrt
Und nun im Sande verrinnen muß. –
Während der Zug vorüber schwirrt,
Prägt sich das seltsame Bildchen mir ein,
Um mich dann später heimlich zu fragen:
„Was bist du Andres, als solch eine Welle,
Die von des Ufers sicherer Schwelle
Ruhlose Sehnsucht ins Weite getragen?“*
Gleichst du nicht auch einer Welle
die das Schicksal fortriss von der Quelle
liebe Danai?
Es trug dich fort von deinem Land
und spülte dich an diesen Strand
ganz nahebei
Ein Strand, ein Volk, im irgendwo
du kennst es nicht, es scheint dir roh.
Es ruft: sei frei
Doch Freiheit ist ein leeres Wort
wenn feindlich dir der fremde Ort
wo es auch sei.
Danai:
Ich höre dich, Domna, Liebe,
doch glaub mir, wenn ich bliebe
in meiner Heimstatt, mit den Kindern
mit Schaf und Hund und bunten Rindern
ich wäre tot jetzt samt den andern
die es nicht schafften fortzuwandern.
In meinem Land gibt es nur Krieg und Hass
Nicht morgen, Morden, darauf ist Verlass.
Wir Frauen solln den Männern dienen
wie Sklaven gehorchen und nur ihnen.
Und wer sich wehrt, der wird gezwungen.
Schon meine Ahnin hat gesungen:
‚Die Freiheit ist kein leeres Wort
nicht hier, nicht dort, an keinem Ort‘.
Domna (nachdenklich)
Ich hör dir zu, denn wenig kenne ich die Welt
Ich weiß nicht recht, wie es um sie bestellt.
In dieser Ecke geht es friedlich zu
Zur Ruhe komme hier auch du.
Danei (froh und aufgeregt):
Schau Domna, auch die Göttin ist zurück
mir scheint, zum Guten neigt sich mein Geschick.
Sie rief herbei die klugen Geister der Natur
sehr mächtig, wenn auch winzig von Statur.
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Christiane hat mir erlaubt, in ihrer reichen Gedichtssammlung zu stöbern und mich zu bedienen. Es ist eine wunderbare Quelle der Inspiration. Danke, Christiane!
(Anna Ritter, Verirrte Welle, aus: Befreiung, 1900, Online-Quelle)
„Verirrte Welle“ von Anna Richter ist einfach wunderbar! Und was Du zeigst und schreibst, ist sehr dramatisch und spannend.
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Danke, Gisela, schön, dass es dir zusagt!
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Wann hat Anna Richter eigentlich gelebt? Es müßte schon länger her sein…
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1865 – 1921. Das Gedicht ist von 1900. Du findest alles Wissenswerte unter dem link ganz unten.
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Danke, Gerda.
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Nur zu, Gerda, nur zu. Ich freue mich, wenn ich dir mit den Gedichten behilflich sein kann 🧡👍
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Danke nochmals! Es ist ja auch gut für deine Gedichte 😉
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„Daß man „Heide“ damals noch mit „ai“ schrieb, ist mir neu.
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Mir auch, aber verständlich, um sie von den Heiden … zu unterscheiden.
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Ja, so gesehen….
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Die Szene zwischen Domnai und Danae ist sehr poetisch und berührend, Gerda. Wunderschön!💓
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🙂
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Domna und Danai
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Domna heißt eigentlich Herrin, gibt es im Griechischen, Russischen und sicher auch in anderen Sprachen. Δανάη ist griechisch, wird Danai ausgesprochen, kann man im Prinzip auch Danae schreiben.
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