Dora interviewt die Kandidaten (siebtes Interview, nochmal das Paar)

„Dora“, sage ich zu Dora, „ich finde, du solltest das Paar noch mal befragen. Eine Leserin meint, dass du vorschnell geurteilt hast. Du hast einfach einen schlechten Moment erwischt. Versuch es doch noch mal.“

Collage aus frühem Aquarell und Schnipselfiguren

„Na gut“, kräht Dora. „Eine zweite Chance sollen sie haben!“ Und weg ist sie. Schon bald ist sie zurück. „Dasselbe in Grün! Diesmal erwische ich sie vor der Kirche, vielleicht, denke ich, haben sie da mehr Lust auf Interviews. Ist aber nicht. Sie unterhalten sich über die Predigt und wohin sie nun zum Essen gehen wollen. Ich tanze um sie herum, ziehe sogar am Regenschirm der Frau, aber sie nimmt mich nicht zur Kenntnis. Als wäre ich Luft. Was soll ich nun tun?“

Ich weiß auch keinen Rat. „Machen wir einen Spaziergang ans Meer!“ schlage ich vor. „Beim Gehen fällt mir manchmal was ein.“

Und tatsächlich! Unten am Meer sehen wir die Dame herumspazieren – allein! 

Dora segelt hinab und positioniert sich vor ihr. „Guten Tag, liebe Dame. Wo ist denn ihr Paar-tner?“ Die Dame lächelt Dora an. „Der Dieter? Der ist da hinten bei den Felsen, er hat da ein paar hübsche Einschlüsse gefunden, die er fotografieren will.“- „Einschüsse?“ fragt Dora. Ach, Dora, deine Bildung ist leider immer noch bedauernswert unvollkommen! Jetzt lacht die Dame: „Nein, Kleines, zum Glück ist der Krieg hier fern. Es sind Einsch-l-üsse, Einschlüsse von Urtieren, die versteinert sind. Wie heißt du überhaupt und woher kommst du?“

Und so entspinnt sich ein lebhaftes Gespräch. Dora ist noch da, als der Mann wieder auftaucht. Jetzt wird die Dame ihm sicher alles verklickern, was sie zuvor mit Dora besprochen hat, denke ich, und er wird ihr und Dora zeigen, was er fotografiert hat. Also mache ich mich auf ein längeres Warten gefasst.

„Die sind richtig nett!“ kräht Dora, als sie sich wieder bei mir einfindet, und funkelt vor Vergnügen. „Die haben mich gefragt, wie ich heiße, woher ich komme, wo ich wohne, was ich esse, ob ich Katzen mag oder lieber Hunde, und noch tausend Sachen. Oder eigentlich hat mich die Frau gefragt, und dann hat sie mich ihrem Paartner vorgestellt, und er hat zugehört, obgleich er eigentlich lieber von seinen Steinen berichtet hätte, glaub ich, und an mir nicht so interessiert war.“

 

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Collage, Dora, Erziehung, Fotocollage, Leben, Legearbeiten, Malerei, Meine Kunst, Natur, Psyche, Zwischen Himmel und Meer abgelegt und mit , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

13 Antworten zu Dora interviewt die Kandidaten (siebtes Interview, nochmal das Paar)

  1. Gisela Benseler schreibt:

    Nun hat sich doch vieles zum Besseren gewendet, seitdem Dora mit der Frau allein sprechen konnte. Wie wunderschön ist die Meer-Kulisse!

    Gefällt 1 Person

  2. kopfundgestalt schreibt:

    Interessen sind oft sehr verschieden.
    Es ist auch nicht so, daß primär die Frau diejenige ist, die an anderen Menschen interessiert ist.

    Like

    • gkazakou schreibt:

      Natürlich nicht. Jeder Mensch ist verschieden, und so sind auch die Paarbeziehungen sehr verschieden. Nur eins ist wohl immer gleich: viel Aufmerksamkeit wird durch die innere Dynamik der Paarbeziehung gefesselt, und es bleibt weniger für die Außenwelt übrig.

      Gefällt 1 Person

      • kopfundgestalt schreibt:

        Exakt deswegen hatte ich ja das Paar gewählt. Es kann kaum die Lösung sein. Rückzug ins Private funktioniert angesichts der Probleme nicht.

        All deine Figuren haben ja ein Manko, sie schlittern alle mehr oder weniger an dem vorbei, was (großes Wort) heilsam wäre.

        Like

      • gkazakou schreibt:

        Danke, Lieber Gerhard. Jede der Figuren ist ein Teilaspekt, eingeschränkt und, wenn allein, sehr fehlerhaft. Drum kam die Idee auf, ein Team zu bilden. Auch das ist problematisch. Ich weiß wirklich noch nicht, wie ich weitermachen werde. Dora hat den Vorteil, dass sie einfach erfreulich ist. Die großen Themen greift sie gar nicht erst auf. Was wäre heilsam? Ich habe schon den einen und anderen Gedanken dazu. Aber es sind Wunschgedanken.

        Gefällt 1 Person

      • kopfundgestalt schreibt:

        Dora ist leicht zu begeistern, denke ich, die sieht die Fragezeichen hinter möglichen Lösungen weniger.
        Auch ein Team kann es nicht richten, denn auch sie führen Dinge im Gepäck, die bestimmte Aspekte ausser acht lassen.
        Es scheint fast unvermeidbar.
        Aber dann taucht plötzlich wieder ein Licht am Horizont auf, das lässt das Team dann mit Eifer wieder weiter werkeln.

        Like

      • gkazakou schreibt:

        Danke für deinen sehr passenden Kommentar, Gerhard. Ganz gut, finde ich, wenn mit Eifer weitergewerkelt werden kann und keine großen Einschnitte bevorstehen.

        Gefällt 1 Person

  3. Mitzi Irsaj schreibt:

    Die Frau wirkt gleich viel sympathischer. Ob diese Paar ein Team ist, lässt sich nicht sagen. Aber das Dora nun eine schönere Seite von ihm – oder seinen Teilen – sehen konnte, gefällt mir.
    Wunderschön das Meer.

    Like

    • gkazakou schreibt:

      Um zu verstehen, was es bedeutet, die Welt als Paar zu erleben, muss man es wohl selbst erlebt haben. Dora hat zu dem Thema aufgrund mangelnder Erfahrung wenig Zugang. Ich denke, auch Kinder haben oft ein Problem damit, wenn sich ihre Eltern streiten, lieben, eifersüchtig, gleichgültig sind, mit- und gegeneinander kämpfen, erziehen….und sie selbst außen vor bleiben, „als seien sie Luft“.

      Gefällt 1 Person

      • Mitzi Irsaj schreibt:

        Ein interessanter Gedanke…die Kinder. Da kau ich noch ein bisschen drauf rum, wobei ich schon jetzt nicke. Das was du schreibst erinnert mich an meine Kindheit.

        Like

      • gkazakou schreibt:

        Danke für deine Zustimmung, Mitzi. Sehr stark mit sich beschäftigte Paare – ob nun im Guten oder Schlimmen – sind für Kinder sicher nicht sehr förderlich. Ich selbst habe da keine Erfahrung (meine Mutter war verwitwet).

        Gefällt 1 Person

  4. Der Mann hätte lieber von seinen Versteinerungen erzählt… oja, aber er hörte doch geduldig zu und wer weiß, was er seine Frau später dann noch fragte…

    Like

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..