Dora zum AchtzehntenSiebten: Montag war Fototermin (Menschenfotos)

„Warum hast du eigentlich den Beitrag über unseren Besuch an Wassos Schmuckstand nicht gepostet?“, fragt mich Dora. „Weil“, antworte ich und suche nach den passenden Worten, „weil man Menschen ohne deren ausdrückliche Einwilligung nicht fotografieren darf.“ – „Aber du hast doch welche fotografiert, oder?“ – „Hm, ja. Ich konnte nicht widerstehen.“ – „Wenn du sie schon fotografiert hast, kannst du sie doch auch zeigen, oder?“ – „Das ist es eben, Dora, das darf man nicht. Und das finde ich jammerschade – wenngleich ich es natürlich auch verstehe. Nicht jeder möchte sich in den Seiten meines Blogs wiederfinden.“

Dora denkt nach. „Du hast doch schon manchmal Leute hier gezeigt“, meint sie schließlich. „Und ich habe ihnen mein Gesicht geliehen. Mach es doch wieder so! Mein Gesicht kannst du gern zeigen.“ -„Danke, Dora, das ist lieb von dir. Es hat aber keinen Sinn. Denn dann sieht man ja die Gesichter nicht, auf die es mir ankommt. Ich fand es so interessant, die jungen Frauen zu beobachten, wie sie hingebungsvoll den Schmuck betrachteten und alles um sich herum vergaßen. Es war so ein Glanz in ihren Gesichtern, dabei sind die Schmucksachen, die Wasso verkauft, ja nicht viel mehr als geschmackvoller Tineff. Ich musste immerzu an die Szene im „Faust“ denken, wo Gretchen ein Schmuckstück bewundert, das Mephisto ihr zugeschanzt hat, damit sie Faust lieb gewinnt und ihm zuerst  ihre Unschuld, dann Mutter und Bruder und schließlich sogar ihr Kind opfert.“

„He! Was ist denn das für Gruselkram?“  – „Och, eine berühmte alte Geschichte ist das. Wenn du willst, erzähl ich sie dir. Sie handelt von einem Wissenschaftler, der alt und total unzufrieden ist, weil er mit all seiner Wissenschaft nichts Wesentliches erkannt hat. Da kommt der Teufel, der ihm das volle Leben verspricht. Faust – so heißt der Gelehrte – unterschreibt einen Pakt mit dem Teufel. Das „volle Leben“ besteht dann darin, dass sich Faust in die erstbeste Jungfrau verliebt, die ihm über den Weg läuft: ein armes unerfahrenes Ding und schon über vierzehn Jahr, weshalb er nichts dabei findet, sie mit geklautem Schmuck zu verführen.“

„Ein ziemlicher Schuft, oder?“ fragt Dora und runzelt die Stirn. „Ja, schon“, gebe ich zu. „Jedenfalls ist das arme Mädchen von dem kostbaren Schmuck wie geblendet. Es fühlt sich ganz bedeutungslos, aber mit dem Schmuck um den Hals…. Also daran musste ich denken, als ich die jungen Frauen an Wassos Schmuckstand sah, wie sie die einfachen Ohrringe, die Ketten, Anhänger, Ringe und Armbänder betrachteten und sich vorstellten, wie sie damit wohl aussehen würden. So wie Gretchen, als sie ausruft:

Nach Golde drängt,
Am Golde hängt
Doch alles. Ach wir Armen!

Besonders eine machte mir Eindruck. Eine Hübsche, noch nicht vierzehn, steht da mit ihrer Mutter, betrachtet süß lächelnd einen klitzekleinen Ring, und ihre noch junge Mutter steht dabei, ihr Gesicht zeigt Skepsis. …. Also, ich zeige das Foto einfach.“

„Ich denke, das darf man nicht?“ – „Stimmt schon. Eine Ausnahme, sie sind so hübsch und sie sehen es ja nicht, ….“ – „Ich weiß nicht. Lass es. Zeig lieber mich, dann kriegst du keinen Ärger.“Ich seufze. „Ich liebe es, Menschen zu fotografieren. Aber Menschen ohne Gesicht? Was für ein Blödsinn!“  – „Ohne Gesicht? Hab ich etwa keins?“ protestiert Dora. „Ja, doch, natürlich, kleine Dora. Und dankeschön, dass du es mir ausgeliehen hast.“

Zufrieden bin ich nicht. Und so grummele ich: „Das  nächste Mal fotografiere ich doch lieber Katzen! Die haben kein Mitspracherecht.“

 

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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8 Antworten zu Dora zum AchtzehntenSiebten: Montag war Fototermin (Menschenfotos)

  1. Gisela Benseler schreibt:

    Das erste Photo ist noch „unschuldig“, das zweite hätte ich hier nicht gezeigt. Sind es dieselben 2 Frauen?

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  2. *lach*, das nächste Mal Katzen… ok
    Tja, manchmal muß man sich sehr zurückhalten und es wäre doch soooo wundervoll gewesen, seine Freude zu teilen

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  3. Mitzi Irsaj schreibt:

    Das mit den Menschen auf Fotos ist so eine Sache. Katzen sind ungefährlicher und nicht minder hübsch…aber die Mimik von Menschen ist schon interessant.

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    • gkazakou schreibt:

      Ich finde Menschenfotos immer noch am interessantesten und bedeure es sehr, dass wir diese Möglichkeit nun aus Datenschutzgründen nicht mehr haben. Wenn ich denke, dass wir für die Behörden und für die Unternehmen längst Gesichter haben, frage ich mich, was es da eigentlich noch zu schützen gibt.

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