Es ist Nachmittag und heiß. Das Tageslicht dringt milde durch das Zimmerpflanzengrün. Vor mir auf dem Tisch liegen gelbe Wachskerzen. Anstatt Siesta zu halten, kann ich ja auch mal ausprobieren, wie sich das Kerzenlicht fotografieren lässt. Ich mache drei Fotos:
Das dritte Foto mache ich im Selfie-Modus, weil ich sehen will, ob sich ein Widerschein in meinem Gesicht zeigt wie bei dem berühmten Bild des Jungen mit der Kerze, das Theotokopoulos (el Greco) 1571 als junger Mann in Rom malte und damit seine Meisterschaft bewies.

Abb. bei Wikipedia
Nein, auf meinem Gesicht zeigt sich kein Widerschein, es ist wohl auch zu hell dafür. Doch wirken die Flamme und der umgebende Schein anders als bei den beiden Normal-Fotos. Die Flamme ist weniger konturiert und strahlt bis in die Höhe der Zimmerdecke aus – also etwa so, wie man Flammen mit zusammengekniffenen Augen sieht. Der Umriss der Kerze hat sich verbreitert.
Woran liegt das? Liegt es am Selfie-Modus oder vielleicht doch nur am Hintergrund und dem Einfluss des Tageslichts? Ich mache eine Probe aufs Exempel und fotografiere gleich noch mal, aber nun umgekehrt: die ersten beiden im Selfie-Modus und nur das dritte normal.
Die Bildausschnitte sind natürlich nicht genau dieselben, aber die Richtung stimmt. Im mittleren Bild sieht man, dass die Flamme weniger konturiert ist und stärker abstrahlt. Auch fällt auf, dass die Helligkeitswerte im Selfie-Modus höher sind: man sieht im zweiten Foto (im Vergleich mit dem zweiten Foto der ersten Reihe) allerlei Eulen, Spiegelungen etc im Regal, wo sich beim Normalfoto nur eine dunkle Masse zeigt.
Und wozu ist das Ganze nun gut? Nun, erstens weiß ich jetzt, warum mir die Selfies immer so bekloppt vorkommen, denn sie verzerren offenbar in die Breite und leuchten das Objekt stärker aus. Zweitens aber – und wichtiger für mich, hat mir dieser Versuch ein paar schöne Lichtbilder und diese und jene neue Idee eingebracht. (Anklicken, dann siehst du größer).
Ein sehr interessantes Experiment und du hast recht, dass Selfies nicht nur wegen der falschen Darstellung einfach nur bekloppt sind, weshalb ich auch nie welche mache. 😉
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Danke, Hanne. Ich mag solch kleinen Experimente, auch wenn sie natürlich nicht wirklich beweiskräftig sind
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Die letzten 3 Ausschnitte nebeneinander beeindrucken am stärksten, wirken alle 3 schön.
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Danke, Gisela.
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Ein spannender Prozess! Auch mich sprechen die letzten 3 am meisten an. Die Kerze wird immer mehr zur Flamme und entmaterialisiert sich. Ein Augenschmaus!
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Danke Petra! Verbrennen ist ja tatsächlich Entmaterialisierung … :).
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Ich hoffe, du genießt Rom 🌹
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Das hoffe ich auch, Myriade, zumal ich mir Nachrichtensperre verhängen werde. Ob es damit klappt? Grade dreht sich mir wieder der Magen um.
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Zeitweilige Nachrichtensperre ist sehr zu empfehlen.
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Immer wieder interessante Experimente!
Gruß von einer Betrachtenden
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Die Maler hatten natürlich größere Freiheit als man mit einem Fotoapparat hat. Sie konnten die Leuchtkraft der Kerze auf den Gesichtern so malen, wie sie sie empfunden haben. Sehr eindrucksvoll auch die Bilder dazu von Georges de la Tour.
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Ein interessantes Experiment. Die drei Flammen nebeneinander sind wunderschön geworden.
Beim dritten Bild, dem rechten, hab ich fast das Gefühl, ich sehe ein Gemälde an.
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