Wegwarte (Fotos und Dichtung)

Auf dem Weg ans Meer komme ich an einer unschönen Stelle vorbei.

Ein paar Meter weiter stehen die überquellenen Müllcontainer herum, und der Wind nimmt das eine und andere Stück Unrat mit, das dann im Drahtzaun am Wegesrand hängen bleibt. Normalerweise wechsele ich daher die Straßenseite, um den Müll zu vermeiden.

Heute aber möchte ich auf der schattigen Seite der Straße bleiben, denn es ist zwar noch recht früh am Morgen, aber schon sehr heiß. Und so sehe ich die Wegwarte in voller morgendlicher Blüte und vergesse, was es rundum an Unschönem gibt.

Zauberhafte  Wegwarte!  Seit altersher eine Heilpflanze, hat sie auch in Mythen und Märchen verdiente Würdigung gefunden. Sie half den Verliebten, die Angebeteten für sich zu gewinnen, sie machte im Kampf unverwundbar, sie inspirierte Dichter, inbesondere die sehnsuchtsvoll-romantischen, die immer nach der „blauen Blume“ suchen.  Dass die Gedichte nicht von Erfüllung, sondern von traurigem Verlust und vergeblichem Warten sprechen, mag am dürftigen Umfeld liegen, in dem diese Wächterinnen der Wege mit Vorliebe wurzeln und blühen.

Wegewarte

Es steht eine Blume,
Wo der Wind weht den Staub,
Blau ist ihre Blüte,
Aber grau ist ihr Laub.

Ich stand an dem Wege,
Hielt auf meine Hand,
Du hast deine Augen
Von mir abgewandt.

Jetzt stehst du am Wege,
Da wehet der Wind,
Deine Augen, die blauen,
Vom Staub sind sie blind.

Da stehst du und wartest,
Daß ich komme daher,
Wegewarte, Wegewarte,
Du blühst ja nicht mehr. 

(Hermann Löns)

Die Wegwarte

Mit nackten Füßchen am Wegesrand,
Die Augen still ins Weite gewandt,
Saht ihr bei Ginster und Heide
Das Mädchen im blauen Kleide?

Der Weg wird stille, der Weg wird leer.
So kommt denn heute das Glück nicht mehr?
Die Sonne geht rötlich nieder,
Ihr starren im Wind die Glieder.

– Das Glück kommt nicht in mein armes Haus,
drum stell’ ich mich hier an den Weg heraus;
und kommt es zu Pferde, zu Fuße,
ich tret’ ihm entgegen mit Gruße.

Es ziehen der Wanderer mancherlei
zu Pferd, zu Fuß, zu Wagen vorbei.
– Habt ihr das Glück nicht gesehen?
Die lassen sie lachend stehen.

Der Regen klatscht ihr ins Angesicht,
Sie steht noch immer, sie merkt es nicht:
– Vielleicht ist es schon gekommen,
– Hat die andere Strasse genommen

Die Füßchen wurzeln am Boden ein
Zur Blume wurde der Augen Schein.
Sie fühlt’s und fühlt’s wie im Traume,
Sie wartet am Wegessaume.

(Isolde Kurz)

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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11 Antworten zu Wegwarte (Fotos und Dichtung)

  1. Gisela Benseler schreibt:

    Wunderbar alles! Das würde ich gern übernehmen. Aber vielleicht steht der Wegwarte diese einmalige Stellung bei Dir doch besser, inmitten von Staub, Müll und Hitze, auf kargem Boden?
    Da kommt sie so wunderbar zur Geltung! Und nicht weit sind Felsen und Meer und viele Träume und Klänge und Poesie.

    Gefällt 1 Person

  2. Random Randomsen schreibt:

    Feine Hommage an diese wundervolle Blume, die uns auf trostlosesten Wegen mit zauberhafter Schönheit aufwartet. 🙂

    Gefällt 2 Personen

  3. Die alte Tagträumerin schreibt:

    Wie schön, von meiner Kindheitslieblingsblume zu hören und zu sehen! Der Clou, ich trinke zur
    Zeit Kaffee aus ihren Wurzeln…abends…

    Gefällt 1 Person

  4. Werner schreibt:

    Ihr Name sagt es ja schon , sie sorgt an Wegen die oft auch vernachlässigt sind , immer Futter für Insekten . Zudem wurde sie schon von Hildegard vom Bingen als Heilpflanze geschätzt. Ihr reicht schon karger Boden um dort zu gedeihen. Ein sehr schöner Beitrag von dir liebe Gerda.
    Ich wünsche dir ein frohes Pfingstfest.
    Werner

    Gefällt 1 Person

  5. hanneweb schreibt:

    Diese so hübsche himmelblaue Wegwarte wächst auch bei uns auf oftmals karkem Boden und ich mag diese Blume auch deshalb ganz besonders gerne!
    Liebe Grüße und hab ein schönes Wochenende ☀️🍀

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  6. Ihr Name war mir bekannt, gesehen habe ich sie oft, aber ich dachte nie über sie nach, dabei ist sie schön wie der junge Tag. Danke, daß Du sie uns ins Gedächtnis rufst, liebe Gerda.

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