Dora schmollt. Als ich es bemerke, nähere ich mich ihr und frage vorsichtig an: „Was ist los, meine Liebe?“ – „Was ist los, meine Liebe?“ äfft sie mich nach und verzieht das Gesicht. „Was mit dir los ist, wüsste ich gern! Erst schmeißt du mein gestriges Geschenk in den Papierkorb…“ – „Moment, Dora“, protestiere ich, „das war kein Geschenk, und dass ich es zurückgegeben habe, hat gar nichts mit dir zu tun.“ – „Na, meinetwegen. Aber geärgert hat es mich doch! Und heute schenke ich dir das beste Wetter, und was weißt du damit anzufangen?“ –
„Nun aber mal langsam, Dora! Wir waren doch am Strand, um den Drachen steigen zu lassen, wie es sich für den heutigen Tag gehört, und wir haben auch Langana (Spezialbrot für den Reinen Montag) und Käse und Dolmaden (Reis in Weinblättern) besorgt und wie alle anderen auch haben wir am Strand in der Sonne gelegen und Tsipouro (Trebenschnaps) getrunken und … “ – „Ja, ja, ja, weiß ich ja alles! Und anstatt euch zu freuen, habt ihr gemeckert, dass kein Wind ging und die Drachen nicht steigen wollten und dass der Krämer keinen Taramosalat (Fischrogencreme) mehr hatte.“
Jetzt übertreibt Dora aber. Wir haben nicht gemeckert, nur festgestellt, wie die Dinge halt sind. Ich glaube, sie selbst war enttäuscht, dass sie keinen Wind herbeizaubern konnte, um ihrerseits mit einem Drachen zu fliegen. Nur einer schaffte es kurze Zeit in den Himmel, und Dora war nicht schnell genug aufgesprungen. Dabei hatte sie wirklich nur einen winzigen Schluck Tsipouro probiert.
Aber dieser winzige Schluck war für Dora offenbar zu viel. Ihre gute Laune ist dahin, und sie beginnt erneut ihr Lamento: „Und kaum warst du zu Hause, hast du wieder deine Nase ins Internet gesteckt, um alle Scheußlichkeiten der Welt zu beschnüffeln, wie eine Schmeißfliege zieht es dich zu jedem Mist, dabei könntest du ja auch mal……“ – „Ja, bitte, was könnte ich auch mal, liebe Dora? Ich tu es doch! Ich freu mich an den Blumen, an den Katzen, an den Kindern und Lämmern und sogar an manchen Hunden und Erwachsenen. Ich freu mich an all deinen wunderbaren Gaben. Aber leider gibt es auch Dinge zwischen Himmel und Erde, von denen ich nicht absehen kann. Ich muss meine Nase reinstecken, wie du so prächtig formulierst, sie beschnüffeln und den Gestank ertragen, der mir entgegenströmt. So sind wir Menschen nun mal gemacht. Das Leid des einen lässt uns nicht kalt, und die Untaten des anderen erhitzen unser Gemüt, auch wenn wir nicht selbst betoffen sind. Wie ist es denn bei euch und eurer Art? Seid ihr vollkommen gleichgültig?“
So gings eine Weile, aber nun sind wir quitt. Und ich kann getrost in die Stadt fahren, um noch ein bisschen nachzufeiern. „Hast du Lust mitzukommen?“ rufe ich, schon für die Ausfahrt gestiefelt und gespornt. „Aber klar!“ kräht Dora vergnügt. Und los geht΄s!
Allen hier Mitlesenden wünschen wir einen fröhlichen Start in die Woche!
Das wünsche ich euch beiden auch. 😃 Schön, dass ihr am Ende euren Disput beilegen konntet. Aber beipflichten muss ich Dora dennoch: Ich stecke auch die meiste Zeit die Nase ins Internet und lese all die schrecklichen Geschehnisse, eben ganz wie die Schmeißfliege.
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Ja, ich habe mir auch vorgenommen, in dieser Woche mal KEINE Schmeißfliege zu sein…fast hätte es geklappt. Danke für den offenen Türspalt, so kann uns Euer Disput zum Nachdenken bringen.
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„Gestiefelt und gespornt“, Dora hält sich an Deinem Fußschatten fest.🥳 Und wie sie fliegen kann! Ich glaube es fast…🧐
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Doras Geschenk, das unbeachtete, würde mich nun doch interessieren… oder habe ich was überlesen?
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Lieber Friedrich, ich hae es hier (aus guten Gründen) rausgenommen. Du hast nichts verpasst.
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und am Ende des montäglichen Beitrages ein wirklich originelles Foto von Dora, die auf deinem Fußschatten reitet 🙂
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