Da kann man nun nichts machen: Myriade setzte mit ihrer Fotografie von einem Findling einen Impuls, der allerlei Gedichte und Geschichten anstieß. Und nun läuft der Impuls weiter wie beim Billard die Kugel und hat auch mich wieder erwischt. Mit einer Reminiszenz. Lots Weib erstarrte zu einer Salzsäule, als sie zurückschaute auf Sodom und Gomorra. Dieser Vorgang inspirierte mich zu einer Zeichnung: „Gesteinsausblühung“ nannte ich sie: Lebendiges verwandelte sich in Salzsäulen.
Da war zunächst eine sanfte florale Erscheinung, ein „weich emporwachendes Pflanzliches, das die große Leinwand freudig einnahm“.
Nach allerlei Wandlungen: „wo vorher Pflanzliches aus dem Zentrum erwuchs, ist nun eine Leere, umgeben von Felsstrukturen, die eng und steil emporragen und herabstürzen.“
„Ein wenig drehte und wendete ich das Bild noch, … betonte die Leere im Zentrum, indem ich sie mit Blau ausfüllte. Und nun wars eine versteinerte Familie: Vater, Mutter und Kind. Nicht viel anders als Lots Weib, das sich umschaute und zu Stein erstarrte, als sie sah, wie Sodom und Gomorra versanken – so dachte ich und las die Geschichte nach.
Da fand ich, dass Sodom wohlhabend und üppig war, doch seine Einwohner lebten nicht gottgefällig. „..Sodom (ist) vor allem ein Symbol für Fremdenfeindlichkeit und den Bruch der Gastfreundschaft, … auch für Hochmut und Geiz.“ (Wikipedia). Bei der Salzsäule, zu der Lots Weib erstarrte, handelt es sich „möglicherweise um … eine Gesteinsausblühung nahe Gebel Usdum südlich des Toten Meeres“.
Und was hatte ich getan? ich zeichnete Weiches, Wachsendes, ließ es dann erstarren zu einer harten Felsformation.
Doch zurück zu Myriades Foto, das einen Findling zeigt, der wie eine versteinerte Menschengruppe aussieht. Ein liebendes Paar – so ist die häufigste Assoziation. Aber auch Paar mit Kind, Mutter und Kind. Immer traurig, peinigend, da erstarrt ist, was einmal lebendig war. Und ich dachte: Ob sich wohl heilen und wieder beleben lässt, was zu Stein erstarrte?

Lots Weib – Wiederbelebung. Digitale Bearbeitung
Es ist eine Freude die Vielfalt der Reaktionen zu sehen, jede für sich oder auch im Zusammenhang.
Myriade hat ja schon in ihrem Text den Übergang vom Leben in die Versteinerung gezeigt. Den Vorgang von dir gezeichnet zu sehen, sogar als Entwicklung einer Zeichnung, rundet das Gesamte ab. Und dass du hier die biblische Geschichte heranziehst, verwundert mich allenfalls in sofern, als es erst jetzt geschieht, dass jemand darauf kommt.
Von organischen zu kristallinen Formen („Salz“) wandelt sich dein Strich. Und wieder zurück, du löst/ erlöst die Frau wieder. Dein Happy Ending (😉).
Sie erscheint zwischen den Felsen aber so winzig, als würdest du nicht wagen, an dem heiligen Buch herumzukorrigieren. Oder ist es das Kind, das du ins Leben zurückholst, da es ebenfalls zum Teil der versteinerten Gruppe geworden war?
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herzlichen Dank, Ule, dass du dich so liebevoll über meine Verwandlungszeichnungen beugst. Zu deiner Bemerkung über die Winzigkeit der wieder lebendig gewordenen Frau: ich meine, das Lebendige geht immer aus dem Winzigen hervor, denn es will ja wachsen und sich entwickeln. Es ernährt sich dabei aus dem Toten (dem Mineralischen). Das hat Beuys mit seinen Eichen und Basaltsäulen in Kassel anschaulich machen wollen: winzige Eichensetzlinge neben großen Basaltsäulen waren es zuerst. Die Kasselaner meuterten, weil sie Angst hatten, ihre Autos daran kaputtzufahren. Heute sind es gewaltige Eichen neben Steinen, die nicht größer als ein gewöhnlicher Kilometerstein zu sein scheinen. Das Verhältnis der beiden Elemente ist vollkommen verändert. Denn das Lebendige wächst schnell, das Tote zerfällt langsam, aber stetig.
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Das Beuys-Zitat hatte ich nicht gesehen. Ja, das passt.
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Jetzt bin ich neugierig: Welches Beuys-Zitat hast du (nicht) gesehen?
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Das Lebendige neben dem Steinernen, das du gezeichnet hast, als Parallele zu der Kasseler Installation.
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aha, Zitat im übertragenen Sinn. Ich dachte schon, du hättest eines meiner Selbst-Zitate für ein Beuys-Zitat gehalten
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Spannend die Verwandlung von pflanzlich weich zur Versteinerung, zur Auflösung ins Weiche zurück, Jahrmillionen werden sichtbar, wenn ich mal die Geschichte dahinter weglasse. Und wenn ich den ganzen Prozess beiseite lasse, dann favorisiere ich die erste Zeichnung.
Liebe Grüße
Ulli
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Danke, Ulli. Ja, das Lebendige der ersten Zeichnung lässt sich nur schwer durch einen solchen Verwandlungsprozess retten. Aber irgendwann kannst du die erste auch als letzte Zeichnung sehen.
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3Phasen: Pflanzlich emporblühendes(1), Erstarrtes(2), und(3) neues Leben zieht in das Erstarrte ein. Sehr schön und ausdrucksvoll alles. Daß wieder neues Leben einzieht, hat mich vor allem überrascht und erfreut, Gerda.
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Danke, Gisela, für deine schöne Resonnanz.
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Ich schließe mich Ule an: „Lots Weib“ ist ja tatsächlich eine Assoziation zu dem Stein, von der es verwundert, dass sie noch niemand hatte. Ich hatte sie auch nicht und habe es auch noch nie verstanden, warum die arme Frau, die doch zu den wenigen geretteten „Gerechten“ zählte so hart bestraft wurde, weil sie zurückblickte.
Deine Wiederbelegung der Versteinerten finde ich aber äußerst erfreulich und originell. Wie der Stein sich öffnet und die lebendige Frau enthält. Gerne würde ich ja auch die Zeichnung sehen, die der Bearbeitung zugrunde liegt.
Nochmals vielen Dank für deine inspirierten und inspirierenden Beiträge, Gerda
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Herzlichen Dank, Myriade! Es ist eine Freude, wie diese Impulswerkstatt funktioniert.
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Das finde ich auch 🙂
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