Genug ausgeruht, es geht weiter mit dem gestrigen Galeriebummel. Noch sind wir in der Ersi-Galerie und betrachten „Spuren“, ein Titel, der zum vierten Aussteller kaum passt, der auch sonst aus der Reihe fällt: Dimitris Hiotopoulos, Jahrgang 1963 und also deutlich jünger, in Athen geboren, in Athen lebend, von Beruf eigentlich Chirurg, aber schon früh auch mit der Malerei befasst. Er ist ein „Kind“ der Galerie und durfte sich daher wohl zu den drei Großen gesellen, die ich gestern vorstellte. Seinen Ansatz könnte man als „konkrete Kunst“ bezeichnen: Muster ohne inhaltlichen Bezug. Seine Bilder ähneln Teppichen, akribisch aus bunten Bändern gewebt. Die sichere Hand und das systematische Vorgehen eines guten Chirurgen, der Gewebefasern mit dem Mikroskop sieht und abbildet – so dachte ich beim Betrachten.
Die Galerie, so erzählte ich gestern, liegt am steilen Hang des Lykabettos, und so kommt es, dass man ins Untergeschoss hinabsteigt und zugleich auf einer anderen Erdgeschoss-Ebene landet, die nach hinten raus sichtbar wird. Ich hatte großen Gefallen daran, zumal ein nach alten Büchern duftender schmaler Raum zur Glastür und nach draußen führt. Über den Büchern schön gerahmte Bilder, darunter Sitzmöbel, Vitrinen mit feinen Kunstwerken, und im Hof verregnete Gartenmöbel, überragt von den hohen Fassaden der Nachbarhäuser.
Mit einem letzten Blick auf eine rote Figur von Giorgos Lappas verabschiede ich mich von der „Ersi“ – und weiter gehts.
Der Besuch in der Galerie Astrolabos war ein „blind date“, keine Ahnung hatten wir, was uns dort erwartete. Diese Galerie ist großräumig: sie umfasst einen zum Kaufen kleiner bunter Kunstwerke anregenden Verkaufsraum und, einen Stock tiefer, eine große mehrteilige Ausstellungsfläche. Zwei Frauen zeigen hier ihre Werke.
Eleni Sidiropoulou, Jahrgang 1947, in Thessaloniki gebürtig, mit Verbindungen nach Holland, wo sie Bildhauerei studierte und auch ihre ersten Ausstellungen machte, nennt ihre Arbeiten sehr passend „Träumereien in Rhythmen der Geometrie“. Beeindruckt von der Formschönheit und der Präzision ihrer Arbeiten, die trotz ihrer geometrischen Strenge nicht starr wirken, wandle ich durch die Ausstellung. Gezähmte Totems, denke ich bei den geheimnisvollen Formen auf hohen Ständern – Totems, die keine Geister beschwören, sondern zum Spielen einladen wie die „Wiege“ (No 1), die an feinen Schnüren zwischen wohlgefügten Stangen hängt und beweglich ist. Sicher, es könnte auch ein Fallbeil sein…. Oder das Röckchen auf Foto No 3, zweites von links, das so lustig am hohen Mast flattert – hm, was hat es damit auf sich?
In starkem Kontrast zu diesen sorgsam gefügten skulpturalen Werken stehen die Bilder der anderen hier ausstellenden Künstlerin: Ariadne Vitastali, die 1991-1998 in Paris studierte und vor allem in Griechenland ausstellt, daneben aber auch an internationalen Gruppenausstellungen beteiligt ist. Ihre Ausstellung nennt sie „Rückkehr zu den glücklichen Tagen“ – wobei der Ausdruck „happy days“ durchaus ironisch zu verstehen ist. Der Mensch bildet fast stets das Zentrum ihrer bunten, oft mit Collagen durchsetzten Bilderwelt, doch anders als in traditionellen Portraits gehen die Farben durch die menschliche Gestalt hindurch, überschatten sie, überwuchern sie beinahe wie das Brausen und Getöse einer Großstadt, in der sich der einzelne verliert und nach Idolen hascht, die ihm durchs Show-Business angeboten werden. Die Gesamtwirkung auf mich war ein wenig Retro, 70er Jahre, Blütezeit von Rock und Pop, nun verbraucht und nur noch als schwache Reminiszenz und Revivel zu haben.
Zu weiterem reichten unsere Kräfte nicht. Wir verabschiedeten uns vom Kunstausflug im weitläufigen Gartenlokal des Byzantinischen Museums, mit einem schmackhaften Omelett, Roka-Salat und einem Gläschen Weißwein der Sorte Moschofilaro. Und natürlich, zum Abschluss des Unternehmens, mit einem Kaffee.
Dankeschön für’s Präsentieren dieser interessanten Werke, liebe Gerda.
Manchmal meinte ich gar einen Vasarely zu sichten. Lächel. Und dann war’s wohl doch eine Fata Morgana…
Herzliche Grüße vom Lu
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Danke Lu! ja, diese frühen Modernen haben so ziemlich alle Kunstrichtungen angestoßen und auch gleich auf Rekordhöhe gebracht. Alles Spätere erscheint wie eine schlechtere Kopie.
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Manchmal kann es einem tatsächlich so vorkommen.
Herzliche Abendgrüße vom Lu
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Diese Art gewebte Teppiche, haben mich besonders angezogen, sind diese gemalt , sieht aus wie
diverse Papierstreifen, aber für sehr sehr anziehend, besten Dank für deine Präsentation, dar ich mir eine Kopie von den “ Teppichbildern “ von Dimitrios……auf meinen PC speichern Gerda???
Faszinieren mich……
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Bin wacker mitmarschiert durch diese feinen Kunstwelten – beinahe in einen Kulturrausch geraten, besonders bei diesen Stoffstreifenbildern und dem Bücherraum…DANKE.
Gruß von Sonja
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Der Bücherraum – ja, da dachte ich an dich,Sonja, und fotografierte ihn. Den schönen Büchergeruch konnte ich leider nicht draufkriegen. Ich freu mich,dass auch du die Streifenbilder magst.
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Aber ja, sicher darfst du das,liebe Afrikafrau! (Wenn du ein Foto verwendest, bitte den Namen des Künstlers angeben. Die Fotos sind von mir, da gibt es kein Problem). Du hast recht, es gibt Ähnlichkeiten mit deinen textilen Arbeiten. Diese sind freilich gemalt.
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Ich bleibe mehr an den Werken von Ariadne Vitastali hängen und weiß auch nicht genau was du damit meinst, dass ihr Stil „verbraucht“ sei – die Frage dahinter für mich ist, wieviel Immerneues ist möglich? Und was heißt neu und alt und wo ist ihre Verbindung?
Eleni Sidiropoulou ist sehr exakt, mir fehlt der spielerische Moment, auf mich wirkt alles ziemlich starr, selbst die Skulptur, die du wehendes Röckchen genannt hast.
Die roten Skulpturen von Giorgos Lappas schaute ich sehr gerne an, auch schon im vorherigen Beitrag, sie haben Witz, Ironie und Charme, sind lebendig.
Die Bilder von Dimitris Hiotopoulos lassen mich denken: wieviel Geduld muss man für solche feinen und sehr exakten Muster aufbringen? Puh. Sie sind sehr dekorativ und dabei belasse ich es.
Die Räumlichkeiten sind fein, besonders die rote Couch vor den alten Büchern und der Hinterhof – ich mag Hinterhöfe, sie eröffnen ganz unerwartete und neue Räume inmitten der großen Städte.
So, nu aber genug palavert.
Herzlichst, Ulli
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Danke Ulli. In Bezug auf Ariadne Vitastali hast du mich missverstanden. Ihren Stil finde ich nicht verbraucht, sondern die Epoche der 70ern, Blütezeit von Rock und Pop, „nun verbraucht und nur noch als schwache Reminiszenz und Revivel zu haben“. Dieses Verbrauchtsein, nur mehr Entliehene einer einstmals springlebendigen Kultur hat sie sehr gut eingefangen, finde ich. Das wollte ich ausdrücken. Gut, dass du nachgefragt hast.
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Der Galerienbummel mit dir hat großen Spaß gemacht, danke, Gerda! Du hast wirklich unglaubliche Energie, ich wäre nach solch einer Kulturvöllerei völlig erledigt und garantiert nicht mehr in der Lage, auch noch tolle Berichte zu schreiben.
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Hab heute lange geschlafen. 🙂
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Irgendwann musst du ja mal Energie tanken!
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Wieder so ein wundervoller Galerienbummel, liebe Gerda.
Alles wieder sehr sehenswert, nichts, was nicht gut ist auf seine Weise, und die Kunstwerke von Eleni Sidiropoulou sprechen mich sehr an, vor allem ihre *Wiege*, die ich ganz und gar nicht mit einem Fallbeil verwechseln würde, selbst wenn sie beim Entstehen auch an beides gedacht hätte, was denkbar wäre.
Deine Fotos der Örtlichkeiten fügen sich wie ein weiteres Kunstwerk hier ein. Ein toller Bericht über einen anstrengenden und die Kreativität anregenden Gerda-Tag.
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Es ist so schön, dass du mich auf meinen Spaziergängen immer so voller Sympathie und Interesse begleitest, danke, Bruni!
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gerne, liebe Gerda
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