Ein bisschen Zeitgeschichte: „The Greek Hour“ – Griechenland im 2. Weltkrieg (Griechisch-Amerikanischen Union in Athen, Ausstellung)

Vorgestern besah ich mir außer der Ausstellung zweier Künstlerinnen (ich berichtete hier) historisches Material darüber, wie der griechische Kampf gegen die faschistische Invasion 1941 in den USA aufgenommen und in Artikeln, Fotografien, Karikaturen und Plakaten wiedergespiegelt wurde. Ausgestellt in der Griechisch-Amerikanischen Union in Athen.

Vorab ein paar Eckdaten des griechischen Widerstands gegen die Invasion der faschistischen italienischen Kräfte – 28. Oktober 1940, heute OXI-Nationalfeiertag -, und der deutschen Wehrmacht – 6. April 1941.  Es folgten drei Jahre deutsch-italienisch-bulgarische Besatzung.

Folgen der Besatzung: Hungersnot (Wikipedia):

„Aufgrund des Krieges kam es im Winter 1941/42 zu einer schweren Hungersnot, der viele Griechen zum Opfer fielen. Schätzungen zufolge starben zwischen 100.000 und 450.000 Menschen an den Folgen; unzählige trugen langfristige gesundheitliche Schäden davon“. (Anm: Die Gesamtbevölkerung des Landes betrug 1940 knapp siebeneinhalb Milllionen Menschen).

Der griechische Widerstand war in jenen Jahren ein von den Alliierten viel beachtetes, gerühmtes und kommentiertes Phänomen. Weder die Deutschen noch auch die Briten hatten damit gerechnet – und er warf ihre Berechnungen ziemlich über den Haufen. Denn in Griechenland wurden Kräfte gebunden, die die Deutschen gegen Russland, die Briten in Afrika gegen die Deutschen einsetzen wollten.

 

Ein paar meiner Fotos vom ausgestellten Material:

Karikaturen

War-Relief Aktionen – um die Menschen vor dem Verhungern zu retten. Sie wurden vor allem von in die USA ausgewanderten Griechen organisiert.

Einer der wichtigsten Helfer in diesem Überlebenskampf war der Esel:

——

Anmerkung zur Hungersnot in Athen:

Ich bin mir bewusst, dass die wenigsten Deutschen Kenntnis über das Ausmaß der Verheerungen hatten und haben, die die deutsche Wehrmacht über dies Land brachte. Eines der am wenigesten beachteten Kapitel ist die Hungersnot, die im Winter 1941-42 wütete und von der auch ich erst erfuhr, als ich im Jahr 1970 erstmals in Athen war. Meine Schwiegermutter erzählte mir davon: wie die Menschen, eben noch rotwangig, auf der Straße umfielen – tot. Mein Mann war damals ein halbes Jahr alt. Die Familie überlebte, weil sie Oliven hatte.

Wer sich genauer über die“Wirtschaftpolitik der deutschen Besatzung in Griechenland“ informieren will, findet eine ausgezeichnete Zusammenfassung hier.

Auch recht informativ ist ein Wiki-Artikel über die durch die deutsche Wehrmacht systematisch herbeigeführte Hungersnot in Griechenland : „Am 28. April 1941 begannen Angehörige der Wehrmacht mit der Plünderung Athens. … Die erbeuteten Waren wurden von den Soldaten in Päckchen in die Heimat geschickt, leere Geschäfte wurden für nachfolgende Soldaten außen markiert. …Ladeneinrichtungen und Möbel wurden als Brenn- und Heizmaterial verwendet. … Durch das Konfiszieren vieler Gerätschaften und aller Fahrzeuge, beispielsweise Mühlen und Lieferfahrzeuge bis hin zu Fahrrädern, wurde die Verarbeitung, Haltbarmachung und Distribution von Lebensmitteln weitgehend unterbunden.

… Auf dem Land waren die Auswirkungen weitaus geringer, da hier … eine Flora und Fauna bestand, die über die beschlagnahmten Lebensmitteln hinaus Essbares bot. Beispielsweise wurden Kerne zu Mehl gemahlen, Wurzeln und Kleintiere verspeist. (sic!)

… Durch die Besatzungsbehörden wurde die systematische Demontage von Fertigungsanlagen geplant und organisiert.

Lebensmittel wurden in großen Mengen und systematisch abgezogen. Eine Mitteilung an das Reichsernährungsministerium besagte, dass für Athen eine tägliche Brotration von 192 g festgelegt worden sei, man diese aber schon kurz darauf auf 92 g habe senken können. Auf dem Land wurde die Verteilung von Brot gänzlich eingestellt. Die beschlagnahmten Lebensmittel wurden vornehmlich zur Versorgung der Wehrmachtstruppen an der Ostfront, Südosteuropa und Afrika eingesetzt. Der Warenwert der Beschlagnahmungen an Lebensmitteln aus staatlichen Lagerhäusern in den ersten Monaten wurde damals von der griechischen Regierung auf 15.480.334 £ geschätzt. Laut Wehrmachtsangaben wurden im November 1941 4.000 Tonnen Feigen, 181.000 Tonnen Rosinen und Trauben, 10.000 Tonnen Olivenöl sowie Reis, Zucker, Fett und andere Lebensmittel konfisziert. …“

Ja, man zählte und registrierte sehr genau die Rosinen, die man klaute. Die Toten, die diese Besatzungspolitik verursachte, zählte man nicht so genau: die Zahlen schwanken zwischen 100 000 und 450 000, bei einer Gesamtbevölkerung von 7.5 Mio. Göbbels erklärte die Blockadepolitik der Briten zur wahren Schuldigen („Ich bekomme einen beklagenswerten Bericht über die Lage in Griechenland. Dort ist der Hunger zu einer Volksseuche geworden. Zu Tausenden sterben die Menschen auf den Straßen von Athen vor Entkräftung, alles eine Folge der brutal durchgeführten britischen Blockade, und zwar gegen ein Volk, das leichtsinnigerweise für die Engländer die Kastanien aus dem Feuer holen wollte. Das ist der Dank von London“.

Joseph Goebbels, Reichspropagandaminister (nachzulesen hier).

Vielleicht hat sich deshalb niemand in Deutschland  gefunden, sich vor den Toten Griechenlands zu verbeugen?

 

 

 

 

 

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
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35 Antworten zu Ein bisschen Zeitgeschichte: „The Greek Hour“ – Griechenland im 2. Weltkrieg (Griechisch-Amerikanischen Union in Athen, Ausstellung)

  1. TeggyTiggs schreibt:

    …gefällt mir ist nicht richtig, danke für den Beitrag, meine Mutter überlebte den Bombenhagel und den Hunger in Berlin, als Kind…wir, die Leidenden sollten uns vereinigen und gegenseitig stärken…gegen die Verursacher des Elends…nicht ich als Deutsche bin schuld, sondern die, die dieses Leiden verursachten…

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    • gkazakou schreibt:

      So ist es,Teggytiggs. Du bist nicht schuld, ich bin nicht schuld. Allerdings wurde das Unglück durch konkrete Menschen einer konkreten Nation über die Menschen anderer Nationen gebracht. Der Bombenhagel auf Berlin war nicht Ursache, sondern Folge davon. (Wie was das doch noch mal, als Göbbels schrie: „Wollt ihr den totalen Krieg?“ Riefen die Deutschen da NEIN! wie die tapferen Griechen? Und feiern sie heute dieses NEIN gegen die faschistische Zumutung mit einem Nationalen Feiertag? Oder tut es ihnen vielleicht immer noch leid, dass sie den so verbissen „bis zum letzten Mann“ geführten Krieg verloren haben?)

      Es wäre zumindest angemessen, wenn sich die offiziellen Vertreter des Landes, das die Nachfolge des Deutschen Reichs angetreten hat, mit den Geschädigten der Reichs-Politik an einen Tisch setzen und sehen, was sich machen lässt, anstatt vom Hohen Ross der Selbstherrlichkeit herab zu verkünden, dass es keine Ansprüche geben kann außer denen, die man selbst hat: die Schulden des griechischen Volkes an die deutschen Banken. Doch die meisten Angehörigen des „griechischen Volkes“, die zur Kasse gebeten werden, haben sich nichts bei deutschen Banken geliehen.
      Wieder werden Korinthen gezählt – was es aber für den Einzelnen bedeutet und ob er etwa verantwortlich ist, danach fragt man nicht. Sondern zerreibt ihn – er muss zahlen, ob er hat oder nicht hat.

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      • TeggyTiggs schreibt:

        …ich denke, betroffen fühlen oder nicht, ist Sache des Einzelnen, egal welcher Schicht oder Vergangenheit oder Verantwortung und leider fühlen sich die oft am wenigsten beroffen, die es beträfe…

        …ich fühle mich manchmal betroffen einer Sache wegen, einfach weil ich Mensch bin und mir vorstelle, ich wäre an Stelle der Getroffenen…

        …was bleibt ist, menschlich zu sein dort, wo man gerade ist…und das lässt mich oft traurig zurück…

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    • gkazakou schreibt:

      Liebe TeggyTiggs, ich habe da noch mal was bei Lu Finbar kommentiert, was vielleicht auch hierher passt….

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  2. Werner Kastens schreibt:

    Und noch immer weigert sich die Bundesregierung, Gespräche mit Griechenland hinsichtlich Reparationszahlungen aufzunehmen.

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  3. finbarsgift schreibt:

    Furchtbar das alles, liebe Gerda. Mir wird’s da immer ganz schlecht, wenn ich Texte und Bilder von den Weltkriegen lese und ansehe. Und nach wie vor komme ich dann nicht davon los und schäme mich Deutscher zu sein.

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    • gkazakou schreibt:

      Ach Finbar, müssten wir uns denn da nicht auch schämen, Menschen zu sein? Bei all den Verbrechen, zu denen unsereins fähig ist? Und die oft im Namen der Menschheit begangen werden? Ich meine nicht. Jeder sehe, dass er nach bestem Wissen und Gewissen handele, und Verantwortung übernehme für sein eigenes Tun. Das ist schon mal eine ganz ordentliche Aufgabe.

      Anders ist es mit den Vertretern von Staaten. Sie sind nicht persönlich gefordert, sondern in ihrer Funktion, staatlich begangene Schuld zu begleichen. Es ist nicht gut, wenn sie sich rausschummeln wollen, weil ein Teil ihrer Gefolgschaft ihnen abhanden kommen könnte.

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      • finbarsgift schreibt:

        Ich beneide die Volksvertreter nicht in ihrer Rolle als Chefs von Staaten. Welch Gehetze und Gejage, schlimm …
        aber was Hitler und seine Schergen mal machten, das ist für immer und ewig der absolute Abschaum!
        Und das ausgerechnet mit dem Deutschen Volk, dem ehemaligen Volk der Denker und Dichter und Komponisten …
        megabitter!!
        Dafür schäme ich mich bis in den tiefsten Boden als Urenkel von all dem…

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    • gkazakou schreibt:

      Sich schämen für die Verbrechen anderer ist Hybris, Lu Finbar! ich habe es lange getan. Aber das ist falsch. Ich bin nicht verantwortlich für die Verbrechen anderer, ich darf ihnen gar nicht die Last ihrer Schuld mittragen helfen. Ich richte sie auch nicht – das ist gar nicht meine Sache. Aber es ist ihre Schuld, ihre Verantwortung – ihre Seelen müssen damit nun weiterarbeiten. Was ich tun kann, ist, mich über die Ermordeten zu beugen und sie zu beweinen, und das tue ich. Natürlich werde ich mir auch nicht die Rosinen aus der deutschen Geschichte herauspicken und mich mit den Großen identifizieren. Ich bin ihnen einfach nur dankbar, wenn ich ihre Musik höre oder ihre Texte lese, ihre Bilder anschaue, ihre Gedanken mitdenke. Ob sie nun Deutsche waren oder Russen oder Italiener wie dein geliebter Scarlatti, was schert es mich?

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  4. Myriade schreibt:

    Ein im Westen wenig bekanntes Kapitel eines insgesamt mörderischen Kriegs ….

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    • gkazakou schreibt:

      stimmt nicht ganz, Myriade, inden Ländern der Alliierten ist es durchaus bekannt, aber nicht in Deutschland und Österreich. So ist es oft: die Täter-Nationen verdrängen, verleugnen, deuten um. Denk mal an den Genocid an den Armeniern: alle Welt hat davon erfahren, aber frag mal einen Türken.

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      • Myriade schreibt:

        Der Genozid an den Armeniern ist ein sehr interessantes Beispiel, ja, der wird ja von der offiziellen Türkei absolut geleugnet ……

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  5. Ule Rolff schreibt:

    Danke für diesen Beitrag, Gerda, und die Weiterführungen in den Kommentaren. Die Rolle der deutschen Wehrmacht in Griechenland war auch nach meiner Meinung furchtbar, wie eben Nazis (und nicht nur sie) in aller Welt Not und Tod bringen.
    Man kann diese Geschichten nicht oft genug erzählen, immer wieder, damit sie nicht vergessen werden.

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    • gkazakou schreibt:

      danke, Ule. Vor allem geht es mir um die Denkformen dahinter. die Taten sind ja verjährt inzwischen, aber das Denken wirkt fort. Mich haben in diesem Fall besonders die Einzelheiten über die abtransportierten Nahrungsmittel und ihren genauen Geldwert gepeinigt – während das Leid der Bevölkerung im Nebel bleibt. Ich fragte mich nach der Geistesbeschaffenheit der Autoren der deutschen Wiki, die zB schreiben: „Aus Lesbos und Chios wurden im Juli 1941 495 Tonnen Olivenöl, 50 Tonnen Lederwaren, 81 Tonnen Seife und 52 Tonnen Felle verschifft, teilweise gegen Bezahlung, allerdings mit Geld, das zuvor erbeutet wurde. Eine zweite Lieferung umfasste 25.000 Orangen, 4500 Zitronen und 100.000 Zigaretten. Die Bevölkerung zeigte sich kooperativ mit der Besatzungsmacht, daher erhielten die Inseln eine Lieferung von 400 t Weizen. Diese wurde der BBC und anderen Medien vorgeführt. Weitere Lieferungen von den beiden Inseln blieben ohne Gegenleistung.“ („Die Bevölkerung zeigte sich kooperativ …. teilweise gegen Bezahlung, allerdings mit Geld, das zuvor erbeutet wurde…Weitere Lieferungen …. blieben ohne Gegenleistung“)
      Diese Denkart sehe ich eben auch in der Gegenwart – und wie mit der griechischen Bevölkerung umgesprungen wurde und wird, deren Lebenslestung ihnen geraubt wird, um Schulden zu begleichen, von denen andere profitiert haben. Damals waren deutsche Soldaten an den Kriegsfronten Nutznießer der den Griechen geraubten Nahrungsmittel – am Ende waren sie beide tot. Und wer lachte sich ins Fäustchen?

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      • Ule Rolff schreibt:

        Die Antwort liegt auf der Hand, dem Fäustchen entkommen sozusagen.
        Deine Gedanken passen genauso auf den Umgang mit der damaligen DDR: Wertvolles im Sinne der Rendite kassiert, die Menschen und ihre Lebensleistung respektlos abgewertet: scheint wirtschaftlich ein Erfolgsmodell zu sein, politisch ist langfristig die Rechnung für solche Denk- und Handlungsweise allerdings teuer, wie man allmählich z.B. in Deutschland sehen kann.

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    • gkazakou schreibt:

      danke, Ule. Genauso sehe ich es auch, die griechische Situation ist nur ein prägnanter historischer Beispielsfall. Das dahinterliegende Denken ist weder neu noch übrigens besonders deutsch. Ich hatte irgendwann mal gemeint (wirklich?), dass die Deutschen als Kollektiv aufgrund ihrer sehr heftigen Geschichtslektionen auch ihr Denken überdenken würden, aber das scheint mir nicht der Fall zu sein. Die Politik von oben genauso wie die Resonnanzen von unten zeigen mir kaum eine neue Wachheit, ein neues Mensch- und Weltverständnis. Och, schwierig, hier in Kurzform was Inhaltliches dazu zu sagen.

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      • Ule Rolff schreibt:

        In kurz geht es sicher nicht gut. Und Geschichtsbewusstsein scheint sich leider doch zyklisch oder bestenfalls in sehr flachen Spiralen zu entwickeln, und nicht, wie ich gemeinsam mit so manchem Philosophen mal glaubte, stetigen Schrittes fortschreitend.

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  6. Ulli schreibt:

    Liebe Gerda, auch ich danke dir für diesen Beitrag über ein Ausmaß des Terroregimes in Deutschland über das kaum jemand etwas weiß, wenigstens nicht hier. Immer wieder stolpere ich über die Komplexität des zweiten Weltkrieges, der noch lange nicht aufgearbeitet ist, wie dein Beitrag wieder einmal beweist.
    Betroffene und eigentlich auch sehr stille Grüße
    Ulli

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  7. mmandarin schreibt:

    Umso schlimmer, das sich wieder Menschen zusammenrotten, die Unfrieden schüren. Ich benutze wissentlich nicht die gängigen Worte dafür. Wir müssen positive Kräfte bündeln und ein Netz von Menschlichkeit und Verbundenheit flechten. Das Trennende darf uns nicht verzweifeln lassen. Keine einfache Aufgabe liebe Grüße Gerda

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    • gkazakou schreibt:

      danke Marie. Mir geht es wahrlich nicht darum, alte Feindseligkeiten zu nähren, sondern darum, die Mechanismen ein wenig zu verstehen, durch die sie genährt werden, Was damals geschah, ist mit den Damaligen ins Grab gefahren, aber das Denken und Fühlen und Wollen, aus dem die Kriege geboren werden, hat sich seither wenig geändert. Der Faschismus war nur ein besonders krasser Ausdruck davon, Insofern sind wir uns einig.

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  8. Arno von Rosen schreibt:

    Griechenland wird schon lange übel mitgespielt, doch unsere Bundesregierung tut nichts dagegen, wenn man die Griechen defamiert und als Verschwender oder unfähige Menschen darstellt, welche sich nicht selbst helfen können. Hier mal nur ganz wenige Fakten:

    Griechenland bekam nie die zugesagten Reparationszahlungen des zweiten Weltkrieges, da zu dieser Zeit der kalte Krieg tobte und man die Griechen dahin vertröstete alles zu zahlen, sobald der Friedensvertrag unterschrieben sei. Griechenland willigte ein, doch es gab nie einen Friedensvertrag, denn der wurde durch den 2+4 Vertrag ersetzt. Die Griechen gingen leer aus, bis heute.

    Griechenland wollte/ sollte unbedingt zur EU gehören und so betrogen die Politiker von Deutschland und Griechenland ihre Bürger, da Griechenland nicht die erforderlichen Wirtschaftsverhältnisse hatte, um beitreten zu können. Schäuble wußte davon, doch die EU sollte wachsen und so überging man den Betrug.

    Nach dem Beitritt gab man Griechenland zinsgünstige Darlehen (heute wären die natürlich viel günstiger), um sich wirtschaftlich zu stabilisieren, doch gleichzeitig wurden milliardenschwere Geschäfte mit Deutschland unterschrieben, wo das geliehene Geld wieder versackte.

    In der Finanzkrise stützte man Griechenland, obwohl ein Schuldenschnitt oder der Bankrott viel besser für Griechenland gewesen wären, doch damit waren die Geldleiher nicht einverstanden, selbst nachdem diese durch die jeweiligen Regierungen, gegen jede Vernunft, Hermesbürgschaften erhielten (damit haftet dann der Staat bzw. der Bürger für das Geld), was zur NIedrigzinspolitik führte zur Geldflucht und schließlich zu unbezahlbaren Wohnraum in den Metropolen Europas, natürlich auch in Deutschland.

    Aus Berlin habe ich gehört, dass es keinen Schuldenschnitt für Griechenland vor 2022 geben wird oder vielleicht gibt es auch nie einen. Griechenland wird regelmäßig von der EU im Stich gelassen, doch weder Politik noch Journalisten scheint das zu bewegen.

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    • gkazakou schreibt:

      danke, Arno, für deinen sachkundigen Kommentar. Leider wird auch er ungehört bleiben. Was bleibt, ist die Mär, dass die faulen Griechen von den fleißigen Deutschen ausgehalten werden und dabei – man höre und staune! – mehr Vermögenswerte pro Kopf angehäuft haben als der ewig ausgebeutete Michel (und hier besonders der ostdeutsche Michel). Richtig wäre zu sagen, dass Kredite den wenigen gewährt und die Schulden den vielen aufgehalst wurden (und zwar der griechischen Bevölkerung). Und dass sich die Bevölkerungen der anderen EU-Länder zu recht beklagen, wenn sie für Kredite bürgen sollen, ohne jemals gefragt worden zu sein, Dass diese Kredite vor allem der Ankurbelung der deutschen (u.a.) Ausfuhrgeschäfte nach Griechenland und damit der Beschäftigungslage in Deutschland dienten – wer will das schon wissen. Wie du ja auch schreibst – wurden die Schulden von den Banken (hier vor allem die Deutsche Bank sowie französische Banken) auf die Staaten übertragen, weil die Banken wegen ihrer leichtsinnigen Kreditvergabe von Verlusten und vielleicht Bankrott bedroht waren. Die europäischen Steuerzahler wurden als Bürgen für diese Geschäfte missbraucht – und protestieren zu Recht, doch leider nicht gegen diese Politik, sondern gegen die „betrügerischen“ Griechen.
      Die griechische Zahlungskrise war übrigens vor allem eine Liquiditätskrise, die benutzt wurde, um die neoliberalen Wirtschafts-„Reformen“ durchzupauken, die zusammen mit den hohen Zinsverpflichtungen zu immer geringerer Liquidität und einer starken Einschnürung aller Wirtschaftaktivitäten geführt haben.
      Diese Ergänzungen nicht für dich, sondern für evtl andere interessierte Leser. .

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    • Ule Rolff schreibt:

      Die komplexe Entwicklungsgeschichte finde ich von dir vorzüglich auf den Punkt gebracht, lieber Arno.

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  9. Rainer Hartwich schreibt:

    Bei aller gegenseitigen Schuldzuweisung, die ist wohl klar. Viel wichtiger wäre es heute darüber nachzudenken, was macht Menschen eigentlich zu Tätern? Wie ist es Hitler, Stalin, Mao, Polpot, Pinochet u.a. gelungen normale Menschen im Namen einer Ideologie zu Mördern ja auch Massenmördern zu machen? Solange wir uns vor dieser Frage drücken, kann sich die Geschichte jederzeit wiederholen.

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    • gkazakou schreibt:

      Dem stimme ich zu, lieber Rainer. Ich habe, sehr allgemein, dazu bei Marie kommentiert: „das Denken und Fühlen und Wollen, aus dem die Kriege geboren werden, hat sich seither wenig geändert. Der Faschismus war nur ein besonders krasser Ausdruck davon“. Wodurch aber wird das Denken und Fühlen und Wollen von uns Menschen geprägt, so dass wir hinterherlaufen Führerfiguren und zu jedem Verbrechen „im Namen von ….“ bereit sind? Was fehlt uns? Wozu müssen wir uns erziehen?

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      • Rainer Hartwich schreibt:

        Liebe Gerda, ja, das ist ein sehr interessanter Aspekt. Ich arbeite seit rund 2 Jahren an einer Recherche zum Thema ‚Euthanasie im 3. Reich‘ unter der Fragestellung: Wie und warum sind Schwestern und Ärzte persönlich(!) und ohne Zwang zu Mördern geworden? Und man glaubt es kaum, selbst heute >70 Jahre später renne ich gegen eine Mauer des Schweigens. Dort sitzen nach wie vor die richtigen Nazis, dagegen ist der besoffene Deutsche, der vor der Kamera wie auf Bestellung mit dem Arm in der Luft rumfuchtelt der „unbedeutende Fliegenschiss der Geschichte“.

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    • gkazakou schreibt:

      danke, Rainer! Die „Euthanasie“, wie sie euphemistisch genannt wurde, war die infamste Art des Mordens. Schon früh, noch als Jugendliche, habe ich mich damit befasst und mir den Kopf dran wundgerannt. Ich weiß noch wie heute, als der Heidte-Sawade-Skandal aufflog: die gesamte politische Führungsriege von Schleswig-Holstein, unter MP Lübke, der später Bundespräsident wurde, hatte diesen ehrenwerten Massenmörder gedeckt, der schließlich wegen eines Festes, bei dem sich Nachbarn belästigt fühlten, identifiziert wurde. Er war psychiatrischer „Gutachter“ im 3. Reich genauso wie danach, nur unter einem neuen Namen. Du wirst die Geschichte kennen. Ich weiß noch, dass niemand sich dafür interessierte. Dies Schweigen machte mich fast wahnsinnig. Mir scheint, das „Euthanasie-Denken“ ist heute lebendiger denn je. Wie damals möchte man „gesunde“ Menschen züchten und die Abtreibung „nicht lebenswerten Lebens“ bis zum Ende der Schwangerschaft gestatten, viellleicht sogar empfehlen. Wer dann noch ein behindertes Kind bekommt, ist quasi asozial. Es sind schlimme Entwicklungen, die aber einer ganz dem materialistisch-naturwissenschaftlichen Denken verhafteten Gesellschaft gar nicht schlimm erscheinen. .

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  10. elsbeth weymann schreibt:

    Danke Gerda für diesen wichtigen Beitrag und die Kommentare. !! Ich kenne auch das tiefe Gefühl der Schuld für die Verbrechen der Deutschen. Es hat mich jahrelang begleitet.Ich wurde auch, weil ich Deutsche bin, angegriffen. In Griechenland, in einem Dorf, in dem die Nazi ein Massaker verübt hatten. Und ich habe es verstanden ! Weil ich die griechische Geschichte kannte. Ich las Odysseas Elytis …und anderes.
    Dann lernte ich einige Menschen kennen, die obwohl Opfer eine andere Blickrichtung brachten : das Unzerstörbare—-.https://www.youtube.com/watch?v=ox0Ij_2VmX8 —-Jüdisches Schicksal ist ein Beispiel, nicht das einzige, natürlich Das Ermorden der Griechen durch geplantes Verhungernlassen–dasselbe in Warschau, ,Euthanasie… 60 Millionen Tote.—Nichts darf vergessen werden !!! Deshalb gegen alle Vogelschissverharmlosungen !
    .

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    • gkazakou schreibt:

      Liebe Elsbeth, danke für Kommentar und link. Ich habe das Glück gehabt, als Mitglied der ersten Gruppe junger Deutscher, die nach Israel engeladen wurden, mit Menschen zu sprechen, die den Holocaust überlebt haben. Und später habe ich alte Menschen in Griechenland kennengelernt, die die deutsche Besatzung überlebten. Es war wie Balsam auf meiner zerrütteten Seele, wie sie mich trösteten. Ja, sie mich. Das ist das Privileg der Opfer: den Nachgeborenen zu vergeben und Frieden zu machen.

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  11. www.wortbehagen.de.index.php schreibt:

    Nun habe ich alle Kommentare gelesen und kann nur eines sagen, das, was geschehen ist, hätte nie sein dürfen. Hier kam die Unmenschlichkeit der menschlichen Spezies in ihrer ganzen Breite
    zum Vorschein. Ja, sie riefen alle JA und ich möchte so gerne zu ihrer Rechtfertigung sagen, die Fragestellung war so, daß sie nicht wußten, was sie taten, aber so war es ja nicht.
    Das Böse hatte gewonnen und es raffte dahin, was es in die Skelettfinger bekam.
    Wie froh bin ich, daß dieser Krieg verloren wurde. Hätte er nur einen einzigen Tag gedauert, wäre es schon viel zu lange gewesen und er dauerte sechs lange Jahre…
    Seine Auswirkungen sind heute zu spüren, mehr als 70 Jahre danach.
    Eigentlich schäme ich mich nicht, Deutsche zu sein, aber ich schäme mich, einer Gattung anzugehören, die rücksichtslos mordet und immer *gute* Gründe dafür findet …
    Sprachlos, hilflos, siehst Du mich, Gerda

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    • gkazakou schreibt:

      Liebe Bruni, danke. aber der Zweck des Beitrags war ja nicht, Wunden aufzureißen und sprachlos zu machen. Vielmehr wollte ich einerseits informieren, da Informationen leider rar sind, und zweitens die Denkweisen aufzeigen, die hinter solchen Barbareien stehen – damals wie heute. Damit meine ich, dass Waren und Gelder immer sehr genau abgerechnet werden, Menschenleben aber nur Summa summarum. Auf ein paar tausend oder auch hunderttausend oder sogar auch Millionen mehr oder weniger scheint es da nicht anzukommen. Das ist immerhin bemerkenswert in einer christlich genannten Kultur, die sich so viel zugute tut darauf, jedes einzelne Menschenleben für heilig zu halten.

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      • www.wortbehagen.de.index.php schreibt:

        Deine Informationen sind immer gut, liebe Gerda, und ich denke, wir, die wir hier lesen, sind Dir dankbar dafür
        Ich weiß, worsuf Du hinaus willst und ich sehe es auch so. Menschenleben scheinen kaum zu zählen, es gibt ja genug… Wie zynisch, menschenverachtend, wie unwürdig eines denkenden Menschen, diese Denkweise, aber akribisch genau wurden noch ganz andere Dinge gezählt, liebe Gerda, die Listen aus Auschwitz z.b.
        Was ist der Mensch eigentlich? Christ sein bedeutet nur, sagte mir mal eine Gemeindediakonin, daß er an Jesus Christus glaubt als Gottes Sohn. Sonst nichts…, vermutlich hörte ich damals nicht die Ironie aus dem, was sie sagte.

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