Gestern nachmittag, vier Besucherinnen und ich im Atelier. Diesmal waren es Magda, Poppy, Nena und Kokkinia – alle um die 50.
Mein Vorschlag, eine Anwärmphase mit kurzen Posen einzuführen, wurde gern aufgegriffen. Die Anwärmphase dauerte schließlich – bis zum Ende. Das heißt, dass wir diesmal sehr viele Zeichnungen in kürzester Zeit gemacht haben. Für die Frauen war das eine Herausforderung, denn keine hat mit dem Skizzieren von Personen – und dann auch noch in 2-5 Minuten! – die geringste Erfahrung.
Ich bin nun am Zögern, wie ich die Ergebnisse am besten präsentiere. Alle? Eine kleine Auswahl? Ich entschloss mich zu einer „breiten Auswahl“ und einer Ordnung nicht nach dem Modell, sondern nach der Zeichnenden. Wenn du dir die Mühe machst hinzuschauen, siehst du, dass bei aller Unvollkommenheit der Zeichnungen jede ihren eigenen Stil, ihren eigenen Ausdruckswillen hat, und dass es in nur zwei Stunden konzentrierter Bemühung Fortschritte gibt. Dies für alle von euch, die ihr meint, es „nie zu können“.
Und noch etwas: jeder, der einmal selbst gezeichnet hat, schaut anders und mit größerem Respekt auf die Kunst.
Magdas Skizzen:
Kokkonias Skizzen
Poppys Skizzen
Nenas Skizzen
Gerdas Skizzen



ich glaube, bei dir würde ich mich auch mal trauen, ich wünsche dir nur das Allerbeste.
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danke, das ist ein echtes Kompliment, Klaus! Ermutigung ist alles!
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Nun lese und sehe ich deine/eure „Gemeinsam Zeichnen“- Beiträge schon länger und wusste bisher nicht so recht, was ich dazu sagen sollte. Aber deine Initiative finde ich doch gut, „sozial“ und kommunikativ – und warum nicht allen eine Möglichkeit geben, sich auszuprobieren.
Das Skizzieren von Menschen in sehr kurzer Zeit, was ihr nun gemacht habt, ist eine anspruchsvolle Übung, jedenfalls für Zeichenanfänger, doch es lehrt das genaue Hinschauen. Eine tolle Sache ist es auch, (sich bewegende) Menschen aus dem Fernsehen abzuzeichnen, vom Nachrichtensprecher bis zu Gästen von Talkshows, aber dafür muss man schon zeichnerische Grundlagen beherrschen. Im Studium hatte ich einen Lehrer, der Giacometti bewunderte und von diesem Dozenten habe ich viel profitiert, denn von ihm lernte ich, alle Gesichter zuerst als geometrische dreidimensionale Flächen und Körper in der richtigen Perspektive wahrzunehmen (zum Beispiel als Rechtecke/Kuben, aber im Halbprofil). Davon ausgehend, fällt es leichter, Augen, Nase, Mund, Ohren und das ganze Gesicht zu „vervollständigen“, es plastisch zu machen, die perspektivischen Verkürzungen darzustellen etc.. Nach einer Weile benutzt man die geometrischen Körper nur noch als Hilfslinien oder sieht sie lediglich imaginär. Das alles ist natürlich noch lange keine Kunst, sondern erstmal nur Technik und längst nicht jeder, der zeichnen kann, ist ein Künstler, genau wie Künstler nicht zwingend naturgetreu zeichnen können müssen.
Deine Mitzeichnerinnen (unterrichtest du sie oder zeichnet ihr „einfach so“?) haben wirklich alle unterschiedliche Herangehensweisen. Magda sieht eher die geometrischen Formen, Kokkonia legt vor allem Wert auf Ausdruck/Innerlichkeit, wie es scheint.
Ich habe früher mal kurz an der VHS Zeichenkurse in Anlehnung an Betty Edwards gegeben. Nicht dass ich ihrem Buch „Garantiert zeichnen lernen“, wie es dummerweise und marketingwirksam ins Deutsche übersetzt wurde, hundertprozentig Glauben schenkte und schenke (auch scheinen ihre Erkenntnisse, die rechte und linke Gehirnhälfte betreffend, mittlerweile wenigstens teilweise widerlegt zu sein), aber ihre Methode oder besser ihr Ansatz hilft dabei, anders zu sehen, was ich auch an den Ergebnissen sah. Zum Prinzip gehören unter anderem Übungen, ein Motiv, das auf dem Kopf steht (etwa ein Mensch, was ja nun praktisch nur als Foto geht), abzuzeichnen. Es war eindeutig, dass bislang vollkommen untalentierte ungeübte Zeichner ein auf dem Kopf stehendes Motiv wesentlich besser (ab)zeichneten als ein „normales“ Foto oder einen realen aufrecht sitzenden Menschen. Sie sehen die Formen, Linien, Flächen, Winkel ganz neu, nämlich so, wie sie sind. Auf dem gängigen Weg ist dem Gehirn nämlich das Bewusste, Bekannte im Weg – der Mensch, wie er sich in der Vorstellung festgesetzt und zu sein, auszusehen hat. Und so kommen bei vielen Zeichenversuchen vollkommen falsche Proportionen zustande, weil eben nicht wirklich „gesehen“ wird.
Allein aufgrund deiner Zeichen-Beiträge juckt es mich schon seit längerem in den Fingern, auch mal wieder Bleistift oder Kohle in die Hand zu nehmen, aber noch wage ich es nicht. Denn ich bin nicht sicher, ob man nach langer Zeit so einfach wieder reinkommt wie nach einer Tennis- oder Skifahr-Pause – und dann steht ja noch der eigene Anspruch dagegen, obwohl niemand die Versuche sehen muss.
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Herzlichen Dank für deinen ausführlichen Kommentar, liebe Rotewelt. Zu deiner Frage: Wir zeichnen „einfach nur so“. Mir liegt nichts daran, die spontane Wahrnehmung der Frauen auf „richtig und falsch“ hin zu trimmen. Höchstens ermuntere ich sie, den Verlauf der Körperlinien oder die Intensität der Kontraste zu beachten, oder ich mache sie auf Spannungen in der Haltung des Modells aufmerksam, weil das die Körperwahrnehmung verbessert. Die Frauen greifen dann das für sie Passende von alleine auf, zB hat Kokkonia begonnen, Linien zu modelieren, Nena hat die Spannungslinien betont und Poppy hat angefangen hinzuschauen, anstatt dem Ikonen-Malen blind zu folgen. Magda hat an Zeichenklassen zur Vorereitung des Kunststudiums mitgemacht, daher die geometrischen Formen, siehe im folgenden.).
In Griechenland gibt es eine ganze Schule, die beim Zeichnen von geometrischen Formen ausgeht. Die Aufnahmeprüfungen an den Kunsthochschulen stehen in dieser Tradition. Ihren Höhepunkt hatte diese Auffassung dann in Künstlern wie Jannis Moralis, der sehr lange die akademische Kunst in Athen bestimmte. Der Schritt von dieser Zeichenmethode in eine freiere Wahrnehmung ist dann vielen Studenten schwer gefallen.
Ich selbst habe mich ebenfalls darin geübt, aber bin bald davon abgekommen, da es mir nicht liegt. Ich ließ mich lieber auf den Rhythmus (den Herzschlag) der Objekte ein, versuchte sie in meine Sprache zu übersetzen. Daher zeichnete ich auch nie nach Fotos.
Dann habe ich lange Jahre überhaupt nicht mehr nach der Natur gezeichnet, aber es fehlt mir, und so bin ich froh, in dieser losen Gruppe von Frauen wieder „Modelle“ zu haben. Dass sie selbst dabei Spaß haben und dies und das für sich lernen, freut mich natürlich ebenfalls.
Liebe Grüße!
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Ich wusste nicht, dass es in Griechenland eine Schule gibt, die beim Zeichnen von geometrischen Formen ausgeht. Natürlich ist das nichts für jeden. Ich halte sowas auch nur für den Anfang von sinnvoll (das Zeichnen nach Fotos sowieso, wenn überhaupt) und selbst dann kann nicht jeder etwas damit anfangen. Für die, die schon etwas weiter sind, kann dieses Herangehen auch zu unlebendigen statischen Zeichnungen führen, was ja gerade bei Porträts nicht der Sinn der Sache ist.
In eurer Gruppe mit Zeichnerinnen so unterschiedlicher Niveaus scheint eine offene tolerante Atmosphäre zu herrschen, in der jede profitiert und Spaß hat – und du hast wieder Modelle (wie gesagt, ich selbst traue mich noch nicht wieder). Ich wünsche dir/euch weiterhin viel Freude dabei! Liebe Grüße, Ute
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Danke Ute! Nun fehlt nur noch, dass du dich traust! Ich gebe zu, dass es jemanden wie dich, der sich bereits theoretisch und praktisch mit Zeichnen befasst hat, eines besonders kräftigen Schubses bedarf, um den inneren Widerstand zu überwinden. Mir hat immer sehr geholfen, wenn ich Mitstreiterinnen hatte. Liebe Grüße!
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Ja, es braucht einen Schubs oder zumindest eine Anregung (was deine Beiträge ja letzlich auch sind). Vielleicht traue ich mich ja bald mal wieder, einen Stift in die Hand zu nehmen, still und heimlich, lach. Das Material ist ja noch vorhanden. Schönes Wochenende noch!
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Ich habe ja endlose Aktzeichnungen, alles aus den letzten 15, 16 Jahren.
Ich erinnerte mich 2002 an die Aussage meines Zeichenlehrers, daß man in Übung bleiben solle, sonst vertrockne die Ader. Also ging ich in einen Aktzeichnenkurs und zeichnete danach regelmässig/unregelmässig immer und immer wieder.
Jetzt ist es so, daß ich selbst nach 2 Monaten Pause leicht hineinkomme.
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dein Lehrer hatte recht, Ohne ständiges Üben geht es nicht. Zwei Monate Pause ist allerdings nicht besonders viel. (Ich versuche grad mal wieder, „jeden Tag eine Linie“ von Klee zu beherzigen. Aktzeichnen habe ich seit ewigen Zeiten nicht mehr gemacht, hab da leider keine Möglichkeiten)
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Eine Zeitlang habe ich wöchentlich gezeichnet. Mindestens.
Meine Zeichnungen von 2005 waren stellenweise recht gut (ich habe den Haufen gesichtet unlängst), danach stellenweise Stagnation und Rückschritt. Oder scheinbarer Rückschritt.
Ein Hindernis, definitiv, ist, mit einem guten Ergebnis rauszukommen. Irgendwie tut es weh, zu experimentieren und danach alles wegzuwerfen. Man kann nicht aus dem Stand experimentieren. Man muß sich ein Konzept machen.
Aber da ich mir meine Zeichnungen der Woche zuvor nicht dahingehend kritisch ansah, ob ein anderer Ansatz möglich sei, bin ich einem Stil treu geblieben, der eben gute Resultate lieferte.
Die allermeisten Zeichner probieren wenig aus – sie wollen Bestätigung für sich.
Im Grunde muß das Zeichnen wohl zu einer AUFGABE werden und zwar täglich, dann klappt es auch mit dem Ausprobieren. Dann kann man es machen.
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Ich verstehe deinen Standpunkt, aber bei mir ist es etwas anders. Das Ergebnis ist mir gar nicht mal so wichtig, Für mich ist es die Tätigkeit als solche, was mich reizt. Und da eben auch das Ausprobieren, Experimentieren. Ein Konzept mache ich mir nicht im Vorhinein, das ergibt sich beim Tun und Nachdenken. Das läuft parallel. Wenn dann auch das Ergebnis stimmt, freue ich mich natürlich.
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Sehr kreativ, das Quintett!
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🙂
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Es ist spannend, Deinen Zeichenstunden mit den Frauen zuzusehen.
Das Modellieren der Linien fiel mir auf und wie mutig sie sich alle in Deiner Gegenwart bewegen mit ihrem Stift in der Hand.
Ich bin ja auch eine von denen, die denkt, sie kann es nicht *lächel*
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Ein äusserst interessanter Beitrag mit tollen Resultaten. Etwas ähnliches wie eine Anwärmphase machte ich einst in einer Schreibwerkstatt. 5 Minuten möglichst intensiv alle vorhandenen Gedanken niederschreiben, um den Kopf vom Alltagsmüll zu befreien…
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Danke! bei uns wurden es dann zwei Stunden….
Das kann man auch beim Schreiben machen (mache ich möglichst täglich als halbstündige Übung)
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