Kos – Eine griechische Insel der östlichen Ägäis (Dodekannes)

Namen von Orten gehen plötzlich von Mund zu Mund, weil Schlimmes dort passiert. Aleppo, Mossul – sie wurden gleichbedeutend mit Krieg, Belagerung, Hunger und Vertreibung.  Genua, Hamburg – sie wurden zum Erkennungswort für Gobalisierung und Polizeigewalt. Lissabon blieb jahrhundertelang  mit dem Erdbeben vom 1. November 1755 verbunden. Fünfzig Jahre danach beschrieb Heinrich von Kleist in seiner berühmten Novelle Das Erdbeben in Chili die Schrecken so eindrücklich, als wäre das Unglück, das die Theologen und Philosophen der Zeit (Voltaire, Rousseau, Leibniz, Kant) mächtig beschäftigte, eben erst geschehen. Was war das für ein Gott, der ausgerechnet an Allerheiligen in Seiner Majestät allerkatholischstem Land die Gläubigen tötete und die prächtigen Kirchen zerstörte, am Rotlichtviertel aber achtlos vorbeiging ? (Der Artikel bei Wikipedia bringt eine Vielzahl von interessanten Einzelheiten).

Das Erdbeben von Kos gehört nicht in diese Kategorie. Eben noch erste Meldung, wurde es bereits „unter anderem“ abgehakt: zwei Tote (ein Schwede, ein Türke) und ein paar Verstümmelte, eine zerbrochene Moschee und ein gerissener Hafenkai reichen nicht aus, um es im Gedächtnis der Menschheit zu befestigen. Für die Betroffenen sieht es freilich anders aus: Die Erfahrung, dass die Erde nicht verlässlich ist, lässt sich schwer vergessen. Sie ist im wahren Wortsinn erschütternd.

Griechen kennen das Erdbeben und seine Schrecken. Seismos und Enkelados nennen sie die personifizierte Kraft, die die Erde um und um gestaltet. In der Antike machte Seismos Städte dem Erdboden gleich, überflutete mit Tsunamis die Tempel und stürzte die Götterbilder. Die großen Katastrophen von Knossos (Kreta) und Thera (Santorini) gehen auf sein Konto, und der Siegesmarsch des Christentums im 4.-5. Jahrhundert wurde mit verheerenden Beben eingeläutet. Das Alte stürzte, damit Neues entstehen konnte. Panta rhei.
Lissabon wurde wieder aufgebaut –mit breiteren Straßen, größeren Kirchen, prächtigeren Häusern als zuvor. Verloren waren freilich die 70.000 Bände der Stadtbibliothek und Gemälde von Tizian, Rubens und Corregio.
Auch der Hauptort von Kos ist in seiner heutigen Gestalt Ergebnis eines schweren Bebens, das die Insel 1933 traf, die Altstadt zerstörte und die antiken Gebäudereste darunter freilegte. Der Wiederaufbau fand nach dem Willen und Geschmack der italienischen Besatzer statt. Denn der Dodekannes, zu dem Kos ebenso wie Rhodos und Patmos gehören, wurde dem Osmanischen Reich 1912  von Italien entrissen und 1923 vom faschistischen Italien eingemeindet. Symbol des wieder entstehen sollenden Römischen Reiches,  „Schaufenster“ des Faschismus sollte es werden. Breite Straßen, die zum Radfahren einladen, prächtige italienische Villen und Verwaltungsgebäude, gepflegte archäologische Stätten zeugen noch heute von dieser für die einheimische Bevölkerung freilich nicht immer erfreulichen Epoche. Aber welche Epoche war schon erfreulich? 1943 („Unternehmen Eisbär“) kamen die deutschen Besatzer (sie fanden Zeit für das Massaker von Kos, blieben bis 1945), dann kamen britische Verwalter, und erst 1947 wurde Kos griechisch.

Ich flog vor acht Jahren nach Kos, besuchte die fast 2500jährige Platane des Hippokrates (dieser bedeutende Arzt wurde 460 v.Chr. auf Kos geboren) neben dem Brunnen mit den arabischen Schriftzeichen und der Moschee, kaufte im überdachten Wochenmarkt frisches Obst, bewunderte die herrlichen Säulen des Asklepios-Tempels und die Ruine einer christlichen Kirche, durchwanderte die Johanniterburg und ruhte mich aus an den Stränden, fuhr mit einem bunt bewimpelten Segelschiff hinüber zum türkischen Bodrum, das auf dem antiken Halikarnassos erbaut wurde, bestieg auch das Myndos-Tor („Tor nach Asien“), das Alexander für sich und seine Makedonen öffnete, damals. …….

Von dieser schönen friedlichen Reise möchte ich euch nun Fotos zeigen, damit der Name Kos nicht mit dem Schrecken eines Erdbebens verbunden bleibt.

Zunächst das Brunnenhaus mit der uralten Platane (sie wird mit Eisenringen am Auseinanderbrechen gehindert), einige antike griechische und römische Stätten, die Johanniterburg, der Markt, der gewaltige Benjamin auf dem Hauptplatz, und als Beispiel für die faschistische Architektur das Gerichtsgebäude. Beim Anklicken erscheint (hoffentlich) der Titel des Bildes.

Nun ein paar Bilder vom Hafen von Kos, der Überfahrt nach Bodrum und dem Besuch des Myndos-Tors und der Stadt, die einst Halikarnassos hieß, wo der Vater der modernen Geschichtsschreibung, Herodot, 490 oder 480 v.Chr. zur Welt kam. Von jener Epoche zeugen noch ein paar marmorne Bruchstücke, die unbeachtet hinter Gemüsekisten und Zäunen darauf warteten, von mir abgelichtet zu werden.

Und nun noch, statt der üblichen Fotos vom fröhlichen Strandleben: Bewegungsabläufe zweier moderner Knaben und drei Kinderportraits.

Das und noch vieles mehr war die Insel Kos für mich. Habt einen schönen Sonntag!

Über gkazakou

Humanwissenschaftlerin (Dr. phil). Schwerpunkte Bildende Kunst und Kreative Therapien. In diesem Blog stelle ich meine "Legearbeiten" (seit Dezember 2015) vor und erläutere, hoffentlich kurzweilig, die Bezüge zum laufenden griechischen Drama und zur Mythologie.
Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, alte Kulturen, Ökonomie, Fotografie, griechische Helden, Katastrophe, Leben, Natur, Psyche, Reisen, Schrift, Tiere, Vom Meere abgelegt und mit , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

26 Antworten zu Kos – Eine griechische Insel der östlichen Ägäis (Dodekannes)

  1. juergenkuester schreibt:

    Liebe Gerda! Es ist schön, wenn Du so erzählst. Ich mag das, danke!

    Gefällt 3 Personen

  2. Ulli schreibt:

    Liebe Gerda, ich genieße es mit dir unterwegs zu sein und auch immer wieder etwas über die Geschichte zu erfahren. Danke auch für die vielen Fotos, die mir eine Augenweide waren!
    Herzlichst
    Ulli

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  3. chris schreibt:

    Mir war die Insel auch vorher schon ein Begriff. 🙂

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  4. Achim Spengler schreibt:

    „Die Erfahrung, dass die Erde nicht verlässlich ist, lässt sich schwer vergessen. Sie ist im wahren Wortsinn erschütternd.“ Die Erde ist verlässlich. Ein Erdbeben kommt verlässlich. Die Frage nach Gott und seiner Abwesenheit oder nach seiner Ignoranz in allen diesen natürlichen Dingen ist einfach eine Frage, die auf falscher Fährte ist. So schrecklich es für die Betroffenen auch sein mag.

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    • gkazakou schreibt:

      Ich stimme dir gern zu und danke dir für deine Richtigstellung. Die Erde ist ein lebendiger Organismus, das vergessen wir oft und hätten es gern, dass sie harter unbeweglicher Stein wäre, nichts als die „Grundlage“ für unsere menschlichen Pläne. Ich stimme dir auch zu, dass von dieser Theodizee-Diskussion nicht viel zu halten ist, dass sie „auf falsche Fährte führt“, wie du sagst.. Sie war aber erkleckliche Zeit vorherrschend, und auch heute hörst du immer wieder solche Argumente: Gott hätte das nicht zulassen dürfen…Ich habe meinen Glauben an einen gütigen Gott verloren, Es gibt keinen Gott..

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  5. Nadia Baumgart schreibt:

    Schön…danke für die interessante und fröhliche Bilderserie.

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  6. kunstschaffende schreibt:

    Liebe Gerda,
    da hast Du interessante geschichtliche Steinrelikte, Steinskulpturen und die Reste, einer fantastischen Architektur Epoche, fotografiert!
    Auch Deine geschichtlichen Informationen dazu sind immer wieder lesenswert und laden dazu ein, noch mehr darüber nachzulesen.
    Ich liebe Deinen Blog, weil er mir eine längst vergangene Zeit, in Bild und Wort durch Dich, spannend vor Augen führt!

    Danke für Deine Mühe, uns durch die Geschichte Deiner Wahlheimat, zu führen!

    ❤liche Grüße Babsi

    Gefällt 2 Personen

  7. wildgans schreibt:

    Feine Reportage von einer Inselkundigen! Besten Dank dafür! Und siehe, ich mache einen wunderbaren mentalen Bildungsurlaub nebst fröhlichen Genüssen! Bei den Bewegunsabläufen musste ich an den Film „Tod in Venedig“ denken, da gab es auch so einen Jungen am Strand…
    Gruß von Sonja

    Gefällt 2 Personen

  8. Susanne Haun schreibt:

    Liebe Gerda, dein Bericht und die Fotos animieren mich, Kos auf die Liste der Orte zu setzen, die ich noch besuchen möchte. 🙂 Die Liste ist, wie du dir wahrscheinlich denken kannst, klopapierlang …

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  9. www.wortbehagen.de schreibt:

    Gut und auch wunderschön, Deine Informationen und Bilder über Kos.
    Die Griecheninsel genau gegenüber vom türkischen Bodrum. Vor 8 Jahren war ich dort,
    aber es waren dramatische Tage.
    Mir stand nur der Sinn danach, meine Tochter einigermaßen
    heil nachhause zu bekommen. http://wortbehagen.de/index.php/jahresuebersicht/2009
    Da Juli-Bild zeigt Bodrum und hier erkennst Du vielleicht, wieso es kein üblicher Urlaub war, liebe Gerda http://wortbehagen.de/index.php/gedichte/2009/juni/die_braut_ist_krank

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  10. www.wortbehagen.de schreibt:

    Meine Tochter war schwanger und ihr war fast unentwegt übel.
    Verheiratet waren die beiden ja schon und doch sollte in der Türkei nochmal eine traditionelle Hochzeit stattfinden. Schon auf dem Flughafen in Istanbul mußte sie notversorgt werden mit Infusionen, von der Ambulanz wurde sie dann im Rollstuhl zum nächsten Flieger gefahren, der nach Chorum in Anatolien startete. Dort lag sie dann in einer serhr guten privaten Klinik.
    Die Hochzeit mußte ohne die Braut gefeiert werden. Es störte niemand…
    In der 27. Woche kam dann mit Notkaiserschnitt ein winziger Junge zur Welt, der sich sehr gut entwickelte und heute mit seinen knapp 8 Jahren ein richtiger Lausbub ist. Ihr Leben und das ihres Kindes verdankt sie der Schwester, die die lauernde Gefahr erkannte …

    Wegen all dieser Dramatik dachte keiner von uns an die wunderschöne gegenüberliegende Insel Kos, liebe Gerda

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    • gkazakou schreibt:

      Acht Jahre danach kannst du mit ruhiger Freude an die Ereignisse damals denken, denn Mutter und Kind haben keinen Schaden genommen. Wurde die Hochzeit denn noch ein drittes Mal gefeiert?
      Wir wurden zweimal getraut, ohne Feier. Einmal standesamtlich in Kiel, dann, als ich im 8. Monat schwanger war, noch mal griechisch-orthodox in Hamburg. Sonst wäre das Kind nach griechischem Recht außerehelich gewesen („hinkende Ehe“), und mein Mann hätte sein eigenes Kind adoptieren müssen. Also rannten wir ganz unfeierlich um den Altar und waren verärgert über die dummen Gesetze. Es war in Griechenland Junta-Zeit. Nun, das war natürlich an Dramatik nicht vergleichbar mit deiner Tochter. Nur die Geburt war dann auch bei mir sehr dramatisch
      Sei herzlich gegrüßt und freu dich an deinem lausbübischen Enkelsohn!

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  11. www.wortbehagen.de schreibt:

    Die Hochzeit fand zweimal statt. Das reichte.
    Heute ist alles gut, liebe Gerda, und doch hängt es mir nach – irgendwie

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  12. www.wortbehagen.de schreibt:

    Deine schönen Kommis habe ich heute beantwortet, liebe Gerda
    Herzliche Grüße an Dich

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  13. Pingback: Cafe Aman Istanbul: „Von Konstantinopel komme ich her“ | GERDA KAZAKOU

  14. versspielerin schreibt:

    … wie viel ich hier wiedererkenne, ach! das erdbeben 2017 hat wirklich spuren hinterlassen.
    eine wunderbare insel! ich war bestimmt nicht zum letzten mal dort. mir haben es übrigens auch die menschen angetan, überall in griechenland (wo ich bisher war jedenfalls) begegnen sie einem so herzlich und freundlich!
    sei herzlich gegrüßt, liebe gerda, von diana

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